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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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borgest werden kann. Gewiß wird England einem Vorgehen Deutschlands
durch Vermittelungsversuche diplomatische Hindernisse in den Weg legen. Ist
Schleswig aber einmal befreit, so wird es schwerlich deshalb in Verbindung mit
Frankreich und Nußland den Krieg beginnen, der Frankreich im Falle des Ge¬
lingens Belgien und die Rheinprovinzen überliefern würde, und der auch im
Hinblick auf unruhige Zustande in den Donauprovinzen sich schwerlich würde
localisiren lassen. Es ist aber bei der Rivalität der beiden Westmächte auf fast
allen Punkten der Erde nicht glaublich, daß England einen Krieg in Gemein¬
schaft mit Frankreich unternehmen wird, den es nicht die Gewißheit hat locali¬
siren zu können, weil es beständig ifürcbten müßte, an den ihm wichtigsten
Punkten dem Rivalen gerade in die Hände zu arbeiten.

Wir gestehen, daß wir dem bisherigen Verlauf der holsteinischen Ange¬
legenheit mehr mit Besorgniß, als mit Hoffnung gefolgt sind, zunächst weil die
Gleichgiltigkeit der Nation gegen das von dem Bundestage unternommene,
von dem verdächtigen Eifer der Mittelstaaten betriebene Werk der Buntes-
executivn unverkennbar war, sodann weil jedes bnndcsmäßige Vorgehen wegen
Holsteins die Sache Schleswigs unrettbar zu compromittiren drohte, endlich
weil Preußens innere Verhältnisse eine auswärtige Verwickelung als Zugabe
wenig wünschenswert!) erscheinen ließen- Gegenwärtig ist die Lage der Dinge
völlig umgestaltet. Die Frage, ob es für Preußen heute wünfchenswertd ist,
in einen Krieg verwickelt zu werden, kann da nicht in Betracht kommen, wo es
sich um die Benutzung des entscheidenden Momentes handelt, der sich zur Ret¬
tung eines deutschen Landes darbietet. Das Ziel des Kampfes ist ferner so
klar und bestimmt vorgezeichnet, daß keine politische Intrigue es verrücken kann.
Geht Preußen entschlossen vor. so kann keine deutsche Regierung zurückbleiben;
ja wir glauben, daß. selbst wenn Preußen schwankt, die Volksstimme in den
meisten deutschen Staaten auch die im Innern widerstrebende Negierung nöthigen
würde, wenigstens am Bundestage für die Rechte des Herzogs von Augusten¬
burg einzutreten. Oestreich aber würde durch ein entschlossenes Vorgehen Preu¬
ßens in die Alternative gebracht werden, für immer jedem Anspruch in Deutsch¬
land zu entsagen oder mitzukämpfen für die deutsche Sache. Wir schlagen die
Gefahren des Kampfes nicht gering an und verbergen uns keineswegs die Mög¬
lichkeit, daß derselbe die größten Dimensionen annehmen, daß er den ganzen
Continent ergreifen kann. Aber wir sind auch überzeugt, daß der Preis, so¬
wohl für Preußen, wie für Deutschland, der Arbeit und des Ringens werth
ist, und daß eine nationale Pflicht, die niemals ungestraft verletzt wird, zum
raschen Handeln treibt. Bleibt die fchleswigfche Angelegenheit eine offene Frage
für den Congreß, so ist Schleswigs Schicksal vielleicht für immer entschieden;
wenigstens entziehen sich die Wege, auf denen es dann vielleicht einst seiner
alten Verbindung und seinem alten Rechte wiedergegeben wird, jeder Berechnung.


borgest werden kann. Gewiß wird England einem Vorgehen Deutschlands
durch Vermittelungsversuche diplomatische Hindernisse in den Weg legen. Ist
Schleswig aber einmal befreit, so wird es schwerlich deshalb in Verbindung mit
Frankreich und Nußland den Krieg beginnen, der Frankreich im Falle des Ge¬
lingens Belgien und die Rheinprovinzen überliefern würde, und der auch im
Hinblick auf unruhige Zustande in den Donauprovinzen sich schwerlich würde
localisiren lassen. Es ist aber bei der Rivalität der beiden Westmächte auf fast
allen Punkten der Erde nicht glaublich, daß England einen Krieg in Gemein¬
schaft mit Frankreich unternehmen wird, den es nicht die Gewißheit hat locali¬
siren zu können, weil es beständig ifürcbten müßte, an den ihm wichtigsten
Punkten dem Rivalen gerade in die Hände zu arbeiten.

Wir gestehen, daß wir dem bisherigen Verlauf der holsteinischen Ange¬
legenheit mehr mit Besorgniß, als mit Hoffnung gefolgt sind, zunächst weil die
Gleichgiltigkeit der Nation gegen das von dem Bundestage unternommene,
von dem verdächtigen Eifer der Mittelstaaten betriebene Werk der Buntes-
executivn unverkennbar war, sodann weil jedes bnndcsmäßige Vorgehen wegen
Holsteins die Sache Schleswigs unrettbar zu compromittiren drohte, endlich
weil Preußens innere Verhältnisse eine auswärtige Verwickelung als Zugabe
wenig wünschenswert!) erscheinen ließen- Gegenwärtig ist die Lage der Dinge
völlig umgestaltet. Die Frage, ob es für Preußen heute wünfchenswertd ist,
in einen Krieg verwickelt zu werden, kann da nicht in Betracht kommen, wo es
sich um die Benutzung des entscheidenden Momentes handelt, der sich zur Ret¬
tung eines deutschen Landes darbietet. Das Ziel des Kampfes ist ferner so
klar und bestimmt vorgezeichnet, daß keine politische Intrigue es verrücken kann.
Geht Preußen entschlossen vor. so kann keine deutsche Regierung zurückbleiben;
ja wir glauben, daß. selbst wenn Preußen schwankt, die Volksstimme in den
meisten deutschen Staaten auch die im Innern widerstrebende Negierung nöthigen
würde, wenigstens am Bundestage für die Rechte des Herzogs von Augusten¬
burg einzutreten. Oestreich aber würde durch ein entschlossenes Vorgehen Preu¬
ßens in die Alternative gebracht werden, für immer jedem Anspruch in Deutsch¬
land zu entsagen oder mitzukämpfen für die deutsche Sache. Wir schlagen die
Gefahren des Kampfes nicht gering an und verbergen uns keineswegs die Mög¬
lichkeit, daß derselbe die größten Dimensionen annehmen, daß er den ganzen
Continent ergreifen kann. Aber wir sind auch überzeugt, daß der Preis, so¬
wohl für Preußen, wie für Deutschland, der Arbeit und des Ringens werth
ist, und daß eine nationale Pflicht, die niemals ungestraft verletzt wird, zum
raschen Handeln treibt. Bleibt die fchleswigfche Angelegenheit eine offene Frage
für den Congreß, so ist Schleswigs Schicksal vielleicht für immer entschieden;
wenigstens entziehen sich die Wege, auf denen es dann vielleicht einst seiner
alten Verbindung und seinem alten Rechte wiedergegeben wird, jeder Berechnung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/365>, abgerufen am 15.01.2025.