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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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barsten Unheils werden. Je klarer dies allseitig ersänne wird, desto besser
ist es.

Aber auch zwischen uns und England besteht eine Differenz, die in dem
gegenwärtigen Augenblicke ein Zusammenwirken dieses Staates mit Deutschland,
sei es auf dem Congresse, sei es, um die Cvngreßidee zu bekämpfen, unmöglich
macht. Vor acht Tagen wäre es vielleicht möglich gewesen, die fchleswigfche
Frage so weit zu umgeben uUd als ein uvli ins' bei Seite zu schieben,
daß sie einer vorläufigen gemeinsamen Action Englands und der deutschen
Mächte nicht unbedingt hindernd im Wege gestanden lenkte. Seit dem Tode
König Friedrichs ist dies nicht mehr möglich. Die wichtigste Frage für Deutsch¬
lands, für Preußens Zukunft, das Loos Schleswigs, ist rasch und unerwartet
in den Vordergrund der europäischen Politik getreten; und rasch, wie sie sich
aufgedrängt hat, heischt sie eine Lösung. Ernster als je zuvor ist an Deutsch¬
land die Mahnung getreten, sich seiner nationalen Pflicht zu erinnern. Der
Herzog Friedrich von Augustenburg hat feierlich sein Recht als Herzog von
Schleswig und Holstein in Anspruch genommen, König Christian hat die Ge-
sammtverfassung für Dänemark und Schleswig unterzeichnet und damit definitiv
die deutschen Großmächte von ihren in dem londoner Protokolle eingegangenen
Verpflichtungen losgesprochen. Der Herzog von Koburg (und dies macht in
unsern Augen den falschen Schritt, zu dem dieser treffliche Fürst in der deutschen
Frage sich hat treiben lassen, reichlich wieder gut) hat, der Erste unter den
deutschen Fürsten, den legitimen Herzog von Schleswig-Holstein mit rascher
Entschiedenheit anerkannt. Andere Fürsten sind gefolgt. Der badensche Bun¬
destagsgesandte hat die Vollmacht des Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein
für die holsteinsche Stimme am Bundestage vorläufig übernommen. Und was
wird Preuß.en thun? Ist es bereit, indem es das Schwert für Deutschlands
Ehre zieht, die Frage der deutschen Einheit da zu entscheiden, wo sie allein
zum Heile Deutschlands entschieden werden kann -- jenseits der Eider?

Aber es gilt rasches und entschiedenes Handeln. Wir haben in dieser
Frage außer Frankreich und Nußland auch England gegen uns. Wir Kaden
Oestreich in diesem Kampfe wahrscheinlich nicht für uns, könne" aber hoffen, es
durch die Entschiedenheit unseres Auftretens auf unsere Seite zu ziehen. Wir
dürfen diese Frage nicht der Entscheidung eines pariser Congresses überlassen.
Denn auf einem Congresse würde dieselbe ein Bindemittel für England.
Rußland und Frankreich werden und so eine äußerst gefährliche zunächst diplo¬
matische Koalition gegen uns hervorrufen, und es stände zu befürchten, daß
England in diesem Falle sich soweit engagirte, daß es schließlich auch an
kriegerischen Maßregeln zu Gunsten Dänemarks teilnehmen wüßte. Soll da¬
her die Frage überhaupt in Angriff genommen werden, so muß dies so rasch
geschehen, daß ihre Entscheidung dem Congresse als eine vollendete Thatsache


barsten Unheils werden. Je klarer dies allseitig ersänne wird, desto besser
ist es.

Aber auch zwischen uns und England besteht eine Differenz, die in dem
gegenwärtigen Augenblicke ein Zusammenwirken dieses Staates mit Deutschland,
sei es auf dem Congresse, sei es, um die Cvngreßidee zu bekämpfen, unmöglich
macht. Vor acht Tagen wäre es vielleicht möglich gewesen, die fchleswigfche
Frage so weit zu umgeben uUd als ein uvli ins' bei Seite zu schieben,
daß sie einer vorläufigen gemeinsamen Action Englands und der deutschen
Mächte nicht unbedingt hindernd im Wege gestanden lenkte. Seit dem Tode
König Friedrichs ist dies nicht mehr möglich. Die wichtigste Frage für Deutsch¬
lands, für Preußens Zukunft, das Loos Schleswigs, ist rasch und unerwartet
in den Vordergrund der europäischen Politik getreten; und rasch, wie sie sich
aufgedrängt hat, heischt sie eine Lösung. Ernster als je zuvor ist an Deutsch¬
land die Mahnung getreten, sich seiner nationalen Pflicht zu erinnern. Der
Herzog Friedrich von Augustenburg hat feierlich sein Recht als Herzog von
Schleswig und Holstein in Anspruch genommen, König Christian hat die Ge-
sammtverfassung für Dänemark und Schleswig unterzeichnet und damit definitiv
die deutschen Großmächte von ihren in dem londoner Protokolle eingegangenen
Verpflichtungen losgesprochen. Der Herzog von Koburg (und dies macht in
unsern Augen den falschen Schritt, zu dem dieser treffliche Fürst in der deutschen
Frage sich hat treiben lassen, reichlich wieder gut) hat, der Erste unter den
deutschen Fürsten, den legitimen Herzog von Schleswig-Holstein mit rascher
Entschiedenheit anerkannt. Andere Fürsten sind gefolgt. Der badensche Bun¬
destagsgesandte hat die Vollmacht des Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein
für die holsteinsche Stimme am Bundestage vorläufig übernommen. Und was
wird Preuß.en thun? Ist es bereit, indem es das Schwert für Deutschlands
Ehre zieht, die Frage der deutschen Einheit da zu entscheiden, wo sie allein
zum Heile Deutschlands entschieden werden kann — jenseits der Eider?

Aber es gilt rasches und entschiedenes Handeln. Wir haben in dieser
Frage außer Frankreich und Nußland auch England gegen uns. Wir Kaden
Oestreich in diesem Kampfe wahrscheinlich nicht für uns, könne» aber hoffen, es
durch die Entschiedenheit unseres Auftretens auf unsere Seite zu ziehen. Wir
dürfen diese Frage nicht der Entscheidung eines pariser Congresses überlassen.
Denn auf einem Congresse würde dieselbe ein Bindemittel für England.
Rußland und Frankreich werden und so eine äußerst gefährliche zunächst diplo¬
matische Koalition gegen uns hervorrufen, und es stände zu befürchten, daß
England in diesem Falle sich soweit engagirte, daß es schließlich auch an
kriegerischen Maßregeln zu Gunsten Dänemarks teilnehmen wüßte. Soll da¬
her die Frage überhaupt in Angriff genommen werden, so muß dies so rasch
geschehen, daß ihre Entscheidung dem Congresse als eine vollendete Thatsache


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/364>, abgerufen am 15.01.2025.