Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Zwei Differenzen sind es besonders, die einem Bündnisse der genannten 45"
Zwei Differenzen sind es besonders, die einem Bündnisse der genannten 45"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0363" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116291"/> <p xml:id="ID_1230" next="#ID_1231"> Zwei Differenzen sind es besonders, die einem Bündnisse der genannten<lb/> drei Mächte entgegenstehen. Zunächst ist es einleuchtend, daß, so lange Oest¬<lb/> reichs und Preußens Antagonismus in der deutschen Frage fortdauert, diese<lb/> beiden Staaten nicht daran denken können, sich über ihre europäische Politik<lb/> so weit zu verständigen, daß wir ohne Besorgnis; einem allgemeinen Krieg mit<lb/> unbestimmten Zielen entgegensehen könnten. Ihr Verhältniß zu einander ist<lb/> schroffer, als es zur Zeit der Revolutionskriege war. Und die Macht,<lb/> die damals noch nicht bestand, die gegenwärtig aber kräftig danach ringt, zu<lb/> selbständiger Geltung zu gelangen, der deutsche Einheitstrieb, dessen Beruf es<lb/> recht eigentlich zu sein scheint, die Rivalen zusammenzuhalten, diese Macht<lb/> kann unter Umständen gerade die Wirkung ausüben, die Entzweiung unter<lb/> den Großmächten auf den höchsten Grad zu treiben. Wenn die Gegner Preu¬<lb/> ßens dieses beschuldigen, durch seinen Widerstand gegen die Reformprojecte den<lb/> Conflict gesteigert zu haben, wenn sie ihm zumuthen, ein einheitliches Auf¬<lb/> treten Deutschlands durch ein Eingehen auf die östreichischen Entwürfe zu er¬<lb/> möglichen, so vergessen sie, daß Preußen der angegriffene Theil ist, daß es sich'<lb/> mit der bescheidenen Rolle begnügt, seine europäische Großmachtsstellung, die<lb/> doch der Hoffnungsanker der deutschen Einheit ist, gegen ein ganz unerhörtes,<lb/> mit einer beispiellosen Leichtfertigkeit in Scene gesetztes Attentat zu vertheidi¬<lb/> gen; sie bedenken nicht, daß ein neuer ollmützer Vertrag im Angesichts eines<lb/> europäischen Krieges die Keime der furchtbarsten Zwietracht in sich tragen<lb/> würde und leicht der Anfang von Deutschlands Ende sein könnte. Will Oest¬<lb/> reich, welches doch wahrlich nicht in der Lage ist, Preußen gegenüber die Rolle<lb/> des Protectors zu spielen (wir erinnern hier nur an Galizien!), sich des Ein¬<lb/> vernehmens mit Preußen in einem europäischen Conflict versichern, so muß es<lb/> zuerst in unzweideutigster Weise auf seine Reformidee verzichten, d. h. es muß<lb/> sich offen von seinen Würzburger Bundesgenossen lossagen, und diesen durch<lb/> Entziehung seines Beistandes zugleich die Macht entziehen, diejenigen Bande<lb/> gemeinschaftlicher Interessen zu zerreißen, die zwischen dem Süden und Norden<lb/> Deutschlands noch bestehen. Das Scheitern seines neuesten mit so prunkvoller<lb/> Schaustellung in Angriff genommenen Reformprojects sollte doch ein ernster<lb/> Fingerzeig für Oestreich sein, daß es mit seiner deutschen Politik sich auf fal¬<lb/> schen Wegen befindet, daß es sich in Widersprüchen bewegt, die ihm die Lö¬<lb/> sung seiner innern Aufgabe zur Unmöglichkeit machen, und daß es, indem<lb/> es Preußen zum Vasallen pressen will, einen Zwiespalt in Deutschland entzündet,<lb/> dessen Folgen einst nirgends schwerer, als gerade in Wien werden empfunden<lb/> werden. Kann es Oestreich, trotz dieser neuesten Erfahrung, nicht über sich ge¬<lb/> winnen, einen Kampf aufzugeben, der gegen die Grundlage der preußischen<lb/> Machtstellung gerichtet ist, so würde ein Bündniß zwischen Preußen und Oest¬<lb/> reich eine innere Unwahrheit sein und für Deutschland die Quelle des furcht-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 45"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0363]
Zwei Differenzen sind es besonders, die einem Bündnisse der genannten
drei Mächte entgegenstehen. Zunächst ist es einleuchtend, daß, so lange Oest¬
reichs und Preußens Antagonismus in der deutschen Frage fortdauert, diese
beiden Staaten nicht daran denken können, sich über ihre europäische Politik
so weit zu verständigen, daß wir ohne Besorgnis; einem allgemeinen Krieg mit
unbestimmten Zielen entgegensehen könnten. Ihr Verhältniß zu einander ist
schroffer, als es zur Zeit der Revolutionskriege war. Und die Macht,
die damals noch nicht bestand, die gegenwärtig aber kräftig danach ringt, zu
selbständiger Geltung zu gelangen, der deutsche Einheitstrieb, dessen Beruf es
recht eigentlich zu sein scheint, die Rivalen zusammenzuhalten, diese Macht
kann unter Umständen gerade die Wirkung ausüben, die Entzweiung unter
den Großmächten auf den höchsten Grad zu treiben. Wenn die Gegner Preu¬
ßens dieses beschuldigen, durch seinen Widerstand gegen die Reformprojecte den
Conflict gesteigert zu haben, wenn sie ihm zumuthen, ein einheitliches Auf¬
treten Deutschlands durch ein Eingehen auf die östreichischen Entwürfe zu er¬
möglichen, so vergessen sie, daß Preußen der angegriffene Theil ist, daß es sich'
mit der bescheidenen Rolle begnügt, seine europäische Großmachtsstellung, die
doch der Hoffnungsanker der deutschen Einheit ist, gegen ein ganz unerhörtes,
mit einer beispiellosen Leichtfertigkeit in Scene gesetztes Attentat zu vertheidi¬
gen; sie bedenken nicht, daß ein neuer ollmützer Vertrag im Angesichts eines
europäischen Krieges die Keime der furchtbarsten Zwietracht in sich tragen
würde und leicht der Anfang von Deutschlands Ende sein könnte. Will Oest¬
reich, welches doch wahrlich nicht in der Lage ist, Preußen gegenüber die Rolle
des Protectors zu spielen (wir erinnern hier nur an Galizien!), sich des Ein¬
vernehmens mit Preußen in einem europäischen Conflict versichern, so muß es
zuerst in unzweideutigster Weise auf seine Reformidee verzichten, d. h. es muß
sich offen von seinen Würzburger Bundesgenossen lossagen, und diesen durch
Entziehung seines Beistandes zugleich die Macht entziehen, diejenigen Bande
gemeinschaftlicher Interessen zu zerreißen, die zwischen dem Süden und Norden
Deutschlands noch bestehen. Das Scheitern seines neuesten mit so prunkvoller
Schaustellung in Angriff genommenen Reformprojects sollte doch ein ernster
Fingerzeig für Oestreich sein, daß es mit seiner deutschen Politik sich auf fal¬
schen Wegen befindet, daß es sich in Widersprüchen bewegt, die ihm die Lö¬
sung seiner innern Aufgabe zur Unmöglichkeit machen, und daß es, indem
es Preußen zum Vasallen pressen will, einen Zwiespalt in Deutschland entzündet,
dessen Folgen einst nirgends schwerer, als gerade in Wien werden empfunden
werden. Kann es Oestreich, trotz dieser neuesten Erfahrung, nicht über sich ge¬
winnen, einen Kampf aufzugeben, der gegen die Grundlage der preußischen
Machtstellung gerichtet ist, so würde ein Bündniß zwischen Preußen und Oest¬
reich eine innere Unwahrheit sein und für Deutschland die Quelle des furcht-
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