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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Gedanken und machte die nämlichen Vorwürfe in Absicht auf seine Schweine,
Rinder, Gänse und Hühner, ja sogar war er besorgt für Aecker und Wiesen,
die sich nun gar zu leicht durch den aufgestreuten Gyps in Gypsgründe oder
Felsen verwandeln könnten. Die Schäfer waren durchaus seine bittersten Feinde;
ihre Schafmütter verwarfen, die Milch der säugenden Schafmütter war Gift;
Räude und Unfall entstand vom Gypsstreucn. Mir und dem Gyps schrieb
man Hagel, schloßen, Donnerwetter, Feuersbrünste, die letzten zwei harten
Winter selbst zu, und ich war zufrieden, daß wir nicht gar als die Anstifter
des Türkenkrieges in der Krim angesehen wurden. Jhro Reichsfreihochgeboren
Gnaden untersagten das Gypsstreuen in ihren Landen, und Staaten und Reichs¬
städte schmähten es an und schnaubten, Schimpf- und Pasquillenschreiber wur¬
den gegen mich gedingt, kurz allenthalben disputirte man wider und für, für
und wider mich und den Gyps (Siehe Mayers Schrift: "Kupferzeit durch die
Landwirthschaft im besten Wohlsein. 1793. S. 111)."

So erging es dem ersten Gypsstreuer. Aber auch Dankbarkeit erntete er.
Ein Kupferzeller, Namens Römer, von Mayer gut berathen und reich geworden,
kaufte späterhin den Gasthof: "Zum Schwanen" in Frankfurt a. M. und hinter¬
ließ seinen Erben die testamentarische Verpflichtung, jeden Sohn, Enkel oder
Urenkel Mayers, der nach Frankfurt komme, freundlichst und gratis zu be¬
wirthen.

Der dritte Stein zum Reformationsgebäude der deutschen Land-Wirthschaft
war der Kartoffelanbau im Großen. Bedenkt man, welches Unheil
heute erfolgen würde, verschwänden die Kartoffeln wieder, so wird man begrei¬
fen, welch segensreichen Fortschritt die Verbreitung dieser Knollen bewirken mußte.

Damit fällt das erste Auftreten Thaers. des größten Reformators deut¬
scher Landwirthschaft, zusammen. Sein erstes Werk (über englische Landwirth¬
schaft) begründete eine neue Epoche und erregte, wie er später selbst sagte, einen
"beispiellosen Eifer" unter den deutschen Landwirthen.

In England, erzählt Thaer, war früher auch eine sehr mangelhafte Land¬
wirthschaft. Nach und nach aber verbesserte sich das Wirthschaftssystem und
die Viehzucht, sowie das Ackergeräthe, die reine Bräche ward aufgehoben.
Tüll hatte dort seine Drillcultur geltend gemacht; in Deutschland hatte man
nicht auf ihn gehört, in England hatte er Glauben und Erfolg gefunden. Der
Viehzüchter Bakewell hatte Viehracen geschaffen, A. Uoung hatte Fruchtwechsel
eingeführt. Seit 1760 wurden Turnips und Kartoffeln im Großen gebaut,
die Getreidearten wechselten auf dem Felde mit Knollen oder blattreichen Ge¬
wächsen und so 'wurde Gegenden dürftigen Bodens möglich, das zu erreichen,
was man bisher nur auf Bodenarten besserer Qualität im günstigeren Klima
für ausführbar gehalten. Mittelst neuer Geräthe ward der Anbau der Kartoffel
im Großen, ohne die allzutheure Menschenarbeit absolut und lediglich zu beau-


Gedanken und machte die nämlichen Vorwürfe in Absicht auf seine Schweine,
Rinder, Gänse und Hühner, ja sogar war er besorgt für Aecker und Wiesen,
die sich nun gar zu leicht durch den aufgestreuten Gyps in Gypsgründe oder
Felsen verwandeln könnten. Die Schäfer waren durchaus seine bittersten Feinde;
ihre Schafmütter verwarfen, die Milch der säugenden Schafmütter war Gift;
Räude und Unfall entstand vom Gypsstreucn. Mir und dem Gyps schrieb
man Hagel, schloßen, Donnerwetter, Feuersbrünste, die letzten zwei harten
Winter selbst zu, und ich war zufrieden, daß wir nicht gar als die Anstifter
des Türkenkrieges in der Krim angesehen wurden. Jhro Reichsfreihochgeboren
Gnaden untersagten das Gypsstreuen in ihren Landen, und Staaten und Reichs¬
städte schmähten es an und schnaubten, Schimpf- und Pasquillenschreiber wur¬
den gegen mich gedingt, kurz allenthalben disputirte man wider und für, für
und wider mich und den Gyps (Siehe Mayers Schrift: „Kupferzeit durch die
Landwirthschaft im besten Wohlsein. 1793. S. 111)."

So erging es dem ersten Gypsstreuer. Aber auch Dankbarkeit erntete er.
Ein Kupferzeller, Namens Römer, von Mayer gut berathen und reich geworden,
kaufte späterhin den Gasthof: „Zum Schwanen" in Frankfurt a. M. und hinter¬
ließ seinen Erben die testamentarische Verpflichtung, jeden Sohn, Enkel oder
Urenkel Mayers, der nach Frankfurt komme, freundlichst und gratis zu be¬
wirthen.

Der dritte Stein zum Reformationsgebäude der deutschen Land-Wirthschaft
war der Kartoffelanbau im Großen. Bedenkt man, welches Unheil
heute erfolgen würde, verschwänden die Kartoffeln wieder, so wird man begrei¬
fen, welch segensreichen Fortschritt die Verbreitung dieser Knollen bewirken mußte.

Damit fällt das erste Auftreten Thaers. des größten Reformators deut¬
scher Landwirthschaft, zusammen. Sein erstes Werk (über englische Landwirth¬
schaft) begründete eine neue Epoche und erregte, wie er später selbst sagte, einen
„beispiellosen Eifer" unter den deutschen Landwirthen.

In England, erzählt Thaer, war früher auch eine sehr mangelhafte Land¬
wirthschaft. Nach und nach aber verbesserte sich das Wirthschaftssystem und
die Viehzucht, sowie das Ackergeräthe, die reine Bräche ward aufgehoben.
Tüll hatte dort seine Drillcultur geltend gemacht; in Deutschland hatte man
nicht auf ihn gehört, in England hatte er Glauben und Erfolg gefunden. Der
Viehzüchter Bakewell hatte Viehracen geschaffen, A. Uoung hatte Fruchtwechsel
eingeführt. Seit 1760 wurden Turnips und Kartoffeln im Großen gebaut,
die Getreidearten wechselten auf dem Felde mit Knollen oder blattreichen Ge¬
wächsen und so 'wurde Gegenden dürftigen Bodens möglich, das zu erreichen,
was man bisher nur auf Bodenarten besserer Qualität im günstigeren Klima
für ausführbar gehalten. Mittelst neuer Geräthe ward der Anbau der Kartoffel
im Großen, ohne die allzutheure Menschenarbeit absolut und lediglich zu beau-


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[0338] Gedanken und machte die nämlichen Vorwürfe in Absicht auf seine Schweine, Rinder, Gänse und Hühner, ja sogar war er besorgt für Aecker und Wiesen, die sich nun gar zu leicht durch den aufgestreuten Gyps in Gypsgründe oder Felsen verwandeln könnten. Die Schäfer waren durchaus seine bittersten Feinde; ihre Schafmütter verwarfen, die Milch der säugenden Schafmütter war Gift; Räude und Unfall entstand vom Gypsstreucn. Mir und dem Gyps schrieb man Hagel, schloßen, Donnerwetter, Feuersbrünste, die letzten zwei harten Winter selbst zu, und ich war zufrieden, daß wir nicht gar als die Anstifter des Türkenkrieges in der Krim angesehen wurden. Jhro Reichsfreihochgeboren Gnaden untersagten das Gypsstreuen in ihren Landen, und Staaten und Reichs¬ städte schmähten es an und schnaubten, Schimpf- und Pasquillenschreiber wur¬ den gegen mich gedingt, kurz allenthalben disputirte man wider und für, für und wider mich und den Gyps (Siehe Mayers Schrift: „Kupferzeit durch die Landwirthschaft im besten Wohlsein. 1793. S. 111)." So erging es dem ersten Gypsstreuer. Aber auch Dankbarkeit erntete er. Ein Kupferzeller, Namens Römer, von Mayer gut berathen und reich geworden, kaufte späterhin den Gasthof: „Zum Schwanen" in Frankfurt a. M. und hinter¬ ließ seinen Erben die testamentarische Verpflichtung, jeden Sohn, Enkel oder Urenkel Mayers, der nach Frankfurt komme, freundlichst und gratis zu be¬ wirthen. Der dritte Stein zum Reformationsgebäude der deutschen Land-Wirthschaft war der Kartoffelanbau im Großen. Bedenkt man, welches Unheil heute erfolgen würde, verschwänden die Kartoffeln wieder, so wird man begrei¬ fen, welch segensreichen Fortschritt die Verbreitung dieser Knollen bewirken mußte. Damit fällt das erste Auftreten Thaers. des größten Reformators deut¬ scher Landwirthschaft, zusammen. Sein erstes Werk (über englische Landwirth¬ schaft) begründete eine neue Epoche und erregte, wie er später selbst sagte, einen „beispiellosen Eifer" unter den deutschen Landwirthen. In England, erzählt Thaer, war früher auch eine sehr mangelhafte Land¬ wirthschaft. Nach und nach aber verbesserte sich das Wirthschaftssystem und die Viehzucht, sowie das Ackergeräthe, die reine Bräche ward aufgehoben. Tüll hatte dort seine Drillcultur geltend gemacht; in Deutschland hatte man nicht auf ihn gehört, in England hatte er Glauben und Erfolg gefunden. Der Viehzüchter Bakewell hatte Viehracen geschaffen, A. Uoung hatte Fruchtwechsel eingeführt. Seit 1760 wurden Turnips und Kartoffeln im Großen gebaut, die Getreidearten wechselten auf dem Felde mit Knollen oder blattreichen Ge¬ wächsen und so 'wurde Gegenden dürftigen Bodens möglich, das zu erreichen, was man bisher nur auf Bodenarten besserer Qualität im günstigeren Klima für ausführbar gehalten. Mittelst neuer Geräthe ward der Anbau der Kartoffel im Großen, ohne die allzutheure Menschenarbeit absolut und lediglich zu beau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/338>, abgerufen am 15.01.2025.