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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Herzogtümer ihm vorschreibt, anzutreten. Er wird demnächst die Aufgabe
haben, die Besitzergreifung seines Landes durchzusetzen, und dafür die Regierun¬
gen des deutschen Bundes für sein und seines Landes Recht zu Hilfe zu rufen.

In den Herzogthümern wird kein Huldigungseid abgelegt. Aber die
Schleswig-Holsteiner mögen sich erinnern, daß die Stunde gekommen ist. wo
für sie Alles auf dem Spiel steht. Wir haben nicht nöthig, unsre wackern
Landsleute vor jäher Hitze zu warnen, denn sie liegt nicht in ihrer Art; wohl
aber davor, daß ihr jahrelanges mannhaftes Beharren nicht durch Kleinmuth
und Zögern in dieser entscheidenden Zeit unnütz werde. Die Zeit ist gekommen,
wo der neue Fürst des Landes und sein Volk, wo aber auch alle übrigen
Deutschen in einer theuren nationalen Frage zu erweisen haben, ob die patrio¬
tische Bewegung der letzten Jahre nur eine Unzufriedenheit der Schwäche, oder
ob sie Ausdruck männlicher Thatkraft war.

Für die deutschen Regierungen aber ist dies Ereigniß von einer Bedeutung,
welche weit über die Grenzen der Herzogthümer hinausreicht. Der Rechtstitel,
auf welchen sich Herzog Friedrich der Achte stützt, ist derselbe Rechtstitel, auf dem
ihre eigenen Throne ruhen, Erbrecht und Wille des Volkes. Sie vertreten
ihre eigene Sache und das Erbe ihrer Nachkommen, wenn sie ihre Stimme
fest und entschlossen für einen Mitfürsten erheben, dessen Negierung durchzu¬
setzen zugleich eine nationale Angelegenheit ist. Denn wenn sie in dieser An¬
gelegenheit, in welcher Legitimität und nationale Forderungen so eng verbun¬
den sind, die Interessen des deutschen Volkes nicht vertreten wollten, wie ihnen
geziemt, so wird zuverlässig von der Nation ihr eigenes legitimes Recht eben¬
so geschätzt werden, wie sie das Recht ihres Standesgenossen mißachten. Unsre
Fürsten können nicht verlangen, daß die öffentliche Meinung den Rechtsgrund,
auf welchen sie sich stützen, höher achte, als sie ihn selbst achten.

Es darf fortan keinen dänischen Bundestagsgesandter in Frankfurt geben,
seinen Platz hat der Gesandte des neuen Bundesfürsten einzunehmen.

Der deutsche Bund wird zu erklären haben, daß er, der das londoner
Protokoll niemals anerkannt habe, die Rechte des neuen Bundesfürsten und
seines Staates anerkenne und daß er sie mit seiner ganzen Macht vertreten
werde. Das ist die Lösung der alten Leidensfrage, welche das deutsche Volk
von seinen souverainen erwartet.




Herzogtümer ihm vorschreibt, anzutreten. Er wird demnächst die Aufgabe
haben, die Besitzergreifung seines Landes durchzusetzen, und dafür die Regierun¬
gen des deutschen Bundes für sein und seines Landes Recht zu Hilfe zu rufen.

In den Herzogthümern wird kein Huldigungseid abgelegt. Aber die
Schleswig-Holsteiner mögen sich erinnern, daß die Stunde gekommen ist. wo
für sie Alles auf dem Spiel steht. Wir haben nicht nöthig, unsre wackern
Landsleute vor jäher Hitze zu warnen, denn sie liegt nicht in ihrer Art; wohl
aber davor, daß ihr jahrelanges mannhaftes Beharren nicht durch Kleinmuth
und Zögern in dieser entscheidenden Zeit unnütz werde. Die Zeit ist gekommen,
wo der neue Fürst des Landes und sein Volk, wo aber auch alle übrigen
Deutschen in einer theuren nationalen Frage zu erweisen haben, ob die patrio¬
tische Bewegung der letzten Jahre nur eine Unzufriedenheit der Schwäche, oder
ob sie Ausdruck männlicher Thatkraft war.

Für die deutschen Regierungen aber ist dies Ereigniß von einer Bedeutung,
welche weit über die Grenzen der Herzogthümer hinausreicht. Der Rechtstitel,
auf welchen sich Herzog Friedrich der Achte stützt, ist derselbe Rechtstitel, auf dem
ihre eigenen Throne ruhen, Erbrecht und Wille des Volkes. Sie vertreten
ihre eigene Sache und das Erbe ihrer Nachkommen, wenn sie ihre Stimme
fest und entschlossen für einen Mitfürsten erheben, dessen Negierung durchzu¬
setzen zugleich eine nationale Angelegenheit ist. Denn wenn sie in dieser An¬
gelegenheit, in welcher Legitimität und nationale Forderungen so eng verbun¬
den sind, die Interessen des deutschen Volkes nicht vertreten wollten, wie ihnen
geziemt, so wird zuverlässig von der Nation ihr eigenes legitimes Recht eben¬
so geschätzt werden, wie sie das Recht ihres Standesgenossen mißachten. Unsre
Fürsten können nicht verlangen, daß die öffentliche Meinung den Rechtsgrund,
auf welchen sie sich stützen, höher achte, als sie ihn selbst achten.

Es darf fortan keinen dänischen Bundestagsgesandter in Frankfurt geben,
seinen Platz hat der Gesandte des neuen Bundesfürsten einzunehmen.

Der deutsche Bund wird zu erklären haben, daß er, der das londoner
Protokoll niemals anerkannt habe, die Rechte des neuen Bundesfürsten und
seines Staates anerkenne und daß er sie mit seiner ganzen Macht vertreten
werde. Das ist die Lösung der alten Leidensfrage, welche das deutsche Volk
von seinen souverainen erwartet.




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[0326] Herzogtümer ihm vorschreibt, anzutreten. Er wird demnächst die Aufgabe haben, die Besitzergreifung seines Landes durchzusetzen, und dafür die Regierun¬ gen des deutschen Bundes für sein und seines Landes Recht zu Hilfe zu rufen. In den Herzogthümern wird kein Huldigungseid abgelegt. Aber die Schleswig-Holsteiner mögen sich erinnern, daß die Stunde gekommen ist. wo für sie Alles auf dem Spiel steht. Wir haben nicht nöthig, unsre wackern Landsleute vor jäher Hitze zu warnen, denn sie liegt nicht in ihrer Art; wohl aber davor, daß ihr jahrelanges mannhaftes Beharren nicht durch Kleinmuth und Zögern in dieser entscheidenden Zeit unnütz werde. Die Zeit ist gekommen, wo der neue Fürst des Landes und sein Volk, wo aber auch alle übrigen Deutschen in einer theuren nationalen Frage zu erweisen haben, ob die patrio¬ tische Bewegung der letzten Jahre nur eine Unzufriedenheit der Schwäche, oder ob sie Ausdruck männlicher Thatkraft war. Für die deutschen Regierungen aber ist dies Ereigniß von einer Bedeutung, welche weit über die Grenzen der Herzogthümer hinausreicht. Der Rechtstitel, auf welchen sich Herzog Friedrich der Achte stützt, ist derselbe Rechtstitel, auf dem ihre eigenen Throne ruhen, Erbrecht und Wille des Volkes. Sie vertreten ihre eigene Sache und das Erbe ihrer Nachkommen, wenn sie ihre Stimme fest und entschlossen für einen Mitfürsten erheben, dessen Negierung durchzu¬ setzen zugleich eine nationale Angelegenheit ist. Denn wenn sie in dieser An¬ gelegenheit, in welcher Legitimität und nationale Forderungen so eng verbun¬ den sind, die Interessen des deutschen Volkes nicht vertreten wollten, wie ihnen geziemt, so wird zuverlässig von der Nation ihr eigenes legitimes Recht eben¬ so geschätzt werden, wie sie das Recht ihres Standesgenossen mißachten. Unsre Fürsten können nicht verlangen, daß die öffentliche Meinung den Rechtsgrund, auf welchen sie sich stützen, höher achte, als sie ihn selbst achten. Es darf fortan keinen dänischen Bundestagsgesandter in Frankfurt geben, seinen Platz hat der Gesandte des neuen Bundesfürsten einzunehmen. Der deutsche Bund wird zu erklären haben, daß er, der das londoner Protokoll niemals anerkannt habe, die Rechte des neuen Bundesfürsten und seines Staates anerkenne und daß er sie mit seiner ganzen Macht vertreten werde. Das ist die Lösung der alten Leidensfrage, welche das deutsche Volk von seinen souverainen erwartet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/326>, abgerufen am 15.01.2025.