Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wird die gebildete Anschauung auf die Phantasie zurückwirken. Ein dem Jahr¬
hundert eigenthümlicher Stil wird sich dann eher zu entwickeln beginnen, als
mittelst aller dunkler oder absichtlicher Versuche, ein lebendiges Ineinandergreifen
der verschiedenen Schulen, ein fruchtbarer Mettstreit in-den Werkstätten, ein
fortlaufender Zusammenhang zwischen Meistern und Schülern die deutsche Kunst
in einen ganz andern Fluß bringen, als das bisherige verknöcherte Akademie¬
system. Gerade jetzt, da der Sinn für das eigenthümlich Malerische und die
künstlerische Erscheinung als solche sich neu belebt, kommt es vor Allem daraus
an, vor neuer Zersplitterung sich zu hüten und in jene feste dem Ziele zuführende
Bahn einzutreten. (Schluß in nächster Nummer.)




Der Tod des Königs von Dänemark.

Wie höhnender Scherz nimmt es sich aus, wenn man in fremden Blättern, ja
sogar von einer Regierung, der schwedischen, dem deutschen Bunde den Vorwurf
gemacht sieht, daß er auf Eroberungen ausgehe. Der durchlauchtigste Verein
der deutschen Souveräne hat nicht nöthig, sich gegen diesen Vorwurf verthei¬
digen zu lassen. Er kann sich mit Genugthuung auf seine Harmlosigkeit be¬
rufen und darauf hinweisen, daß. während seit den letzten großen Kriegen alle
größern Völker Europas ihr Gebiet erweitert haben, Deutschland kleiner ge¬
worden ist. Der deutsche Bund kann Luxemburg nennen, jede der beiden
deutschen Großmächte hat auch noch das Recht, auf Territorialverluste, welche
sie seit 1815 erlitten, hinzuweisen.

Mögen die Bundesrechtsgelehrten in Abrede stellen, daß der deutsche Bund
als Erbe des deutschen Reichs anzusehen sei, in seiner Politischen Natur ist
derselbe unzweifelhaft der Erbe des zerfallenen Reichs, ist die Bundesversamm¬
lung befugt, den Titel' einer "Mehrerin des Reichs" auch für sich mit demselben
Rechte in Anspruch zu nehmen, mit welchem die Habsburger Kaiser denselben
zur Compensation für die stets sich erneuernde Verminderung des Reichsgebiets
und der Reichsrechte führten.

Nein diese unbehilfliche und verworrene Verfassung der deutschen Nation,
wo stets das eine Gewicht durch ein andres aufgehoben wird, diese Verfassung,
in der jeder bösen Leidenschaft, jedem Sonderinteresse der freieste Spielraum


wird die gebildete Anschauung auf die Phantasie zurückwirken. Ein dem Jahr¬
hundert eigenthümlicher Stil wird sich dann eher zu entwickeln beginnen, als
mittelst aller dunkler oder absichtlicher Versuche, ein lebendiges Ineinandergreifen
der verschiedenen Schulen, ein fruchtbarer Mettstreit in-den Werkstätten, ein
fortlaufender Zusammenhang zwischen Meistern und Schülern die deutsche Kunst
in einen ganz andern Fluß bringen, als das bisherige verknöcherte Akademie¬
system. Gerade jetzt, da der Sinn für das eigenthümlich Malerische und die
künstlerische Erscheinung als solche sich neu belebt, kommt es vor Allem daraus
an, vor neuer Zersplitterung sich zu hüten und in jene feste dem Ziele zuführende
Bahn einzutreten. (Schluß in nächster Nummer.)




Der Tod des Königs von Dänemark.

Wie höhnender Scherz nimmt es sich aus, wenn man in fremden Blättern, ja
sogar von einer Regierung, der schwedischen, dem deutschen Bunde den Vorwurf
gemacht sieht, daß er auf Eroberungen ausgehe. Der durchlauchtigste Verein
der deutschen Souveräne hat nicht nöthig, sich gegen diesen Vorwurf verthei¬
digen zu lassen. Er kann sich mit Genugthuung auf seine Harmlosigkeit be¬
rufen und darauf hinweisen, daß. während seit den letzten großen Kriegen alle
größern Völker Europas ihr Gebiet erweitert haben, Deutschland kleiner ge¬
worden ist. Der deutsche Bund kann Luxemburg nennen, jede der beiden
deutschen Großmächte hat auch noch das Recht, auf Territorialverluste, welche
sie seit 1815 erlitten, hinzuweisen.

Mögen die Bundesrechtsgelehrten in Abrede stellen, daß der deutsche Bund
als Erbe des deutschen Reichs anzusehen sei, in seiner Politischen Natur ist
derselbe unzweifelhaft der Erbe des zerfallenen Reichs, ist die Bundesversamm¬
lung befugt, den Titel' einer „Mehrerin des Reichs" auch für sich mit demselben
Rechte in Anspruch zu nehmen, mit welchem die Habsburger Kaiser denselben
zur Compensation für die stets sich erneuernde Verminderung des Reichsgebiets
und der Reichsrechte führten.

Nein diese unbehilfliche und verworrene Verfassung der deutschen Nation,
wo stets das eine Gewicht durch ein andres aufgehoben wird, diese Verfassung,
in der jeder bösen Leidenschaft, jedem Sonderinteresse der freieste Spielraum


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116252"/>
          <p xml:id="ID_1096" prev="#ID_1095"> wird die gebildete Anschauung auf die Phantasie zurückwirken. Ein dem Jahr¬<lb/>
hundert eigenthümlicher Stil wird sich dann eher zu entwickeln beginnen, als<lb/>
mittelst aller dunkler oder absichtlicher Versuche, ein lebendiges Ineinandergreifen<lb/>
der verschiedenen Schulen, ein fruchtbarer Mettstreit in-den Werkstätten, ein<lb/>
fortlaufender Zusammenhang zwischen Meistern und Schülern die deutsche Kunst<lb/>
in einen ganz andern Fluß bringen, als das bisherige verknöcherte Akademie¬<lb/>
system. Gerade jetzt, da der Sinn für das eigenthümlich Malerische und die<lb/>
künstlerische Erscheinung als solche sich neu belebt, kommt es vor Allem daraus<lb/>
an, vor neuer Zersplitterung sich zu hüten und in jene feste dem Ziele zuführende<lb/>
Bahn einzutreten. (Schluß in nächster Nummer.) </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Tod des Königs von Dänemark.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1097"> Wie höhnender Scherz nimmt es sich aus, wenn man in fremden Blättern, ja<lb/>
sogar von einer Regierung, der schwedischen, dem deutschen Bunde den Vorwurf<lb/>
gemacht sieht, daß er auf Eroberungen ausgehe. Der durchlauchtigste Verein<lb/>
der deutschen Souveräne hat nicht nöthig, sich gegen diesen Vorwurf verthei¬<lb/>
digen zu lassen. Er kann sich mit Genugthuung auf seine Harmlosigkeit be¬<lb/>
rufen und darauf hinweisen, daß. während seit den letzten großen Kriegen alle<lb/>
größern Völker Europas ihr Gebiet erweitert haben, Deutschland kleiner ge¬<lb/>
worden ist. Der deutsche Bund kann Luxemburg nennen, jede der beiden<lb/>
deutschen Großmächte hat auch noch das Recht, auf Territorialverluste, welche<lb/>
sie seit 1815 erlitten, hinzuweisen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1098"> Mögen die Bundesrechtsgelehrten in Abrede stellen, daß der deutsche Bund<lb/>
als Erbe des deutschen Reichs anzusehen sei, in seiner Politischen Natur ist<lb/>
derselbe unzweifelhaft der Erbe des zerfallenen Reichs, ist die Bundesversamm¬<lb/>
lung befugt, den Titel' einer &#x201E;Mehrerin des Reichs" auch für sich mit demselben<lb/>
Rechte in Anspruch zu nehmen, mit welchem die Habsburger Kaiser denselben<lb/>
zur Compensation für die stets sich erneuernde Verminderung des Reichsgebiets<lb/>
und der Reichsrechte führten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1099" next="#ID_1100"> Nein diese unbehilfliche und verworrene Verfassung der deutschen Nation,<lb/>
wo stets das eine Gewicht durch ein andres aufgehoben wird, diese Verfassung,<lb/>
in der jeder bösen Leidenschaft, jedem Sonderinteresse der freieste Spielraum</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0324] wird die gebildete Anschauung auf die Phantasie zurückwirken. Ein dem Jahr¬ hundert eigenthümlicher Stil wird sich dann eher zu entwickeln beginnen, als mittelst aller dunkler oder absichtlicher Versuche, ein lebendiges Ineinandergreifen der verschiedenen Schulen, ein fruchtbarer Mettstreit in-den Werkstätten, ein fortlaufender Zusammenhang zwischen Meistern und Schülern die deutsche Kunst in einen ganz andern Fluß bringen, als das bisherige verknöcherte Akademie¬ system. Gerade jetzt, da der Sinn für das eigenthümlich Malerische und die künstlerische Erscheinung als solche sich neu belebt, kommt es vor Allem daraus an, vor neuer Zersplitterung sich zu hüten und in jene feste dem Ziele zuführende Bahn einzutreten. (Schluß in nächster Nummer.) Der Tod des Königs von Dänemark. Wie höhnender Scherz nimmt es sich aus, wenn man in fremden Blättern, ja sogar von einer Regierung, der schwedischen, dem deutschen Bunde den Vorwurf gemacht sieht, daß er auf Eroberungen ausgehe. Der durchlauchtigste Verein der deutschen Souveräne hat nicht nöthig, sich gegen diesen Vorwurf verthei¬ digen zu lassen. Er kann sich mit Genugthuung auf seine Harmlosigkeit be¬ rufen und darauf hinweisen, daß. während seit den letzten großen Kriegen alle größern Völker Europas ihr Gebiet erweitert haben, Deutschland kleiner ge¬ worden ist. Der deutsche Bund kann Luxemburg nennen, jede der beiden deutschen Großmächte hat auch noch das Recht, auf Territorialverluste, welche sie seit 1815 erlitten, hinzuweisen. Mögen die Bundesrechtsgelehrten in Abrede stellen, daß der deutsche Bund als Erbe des deutschen Reichs anzusehen sei, in seiner Politischen Natur ist derselbe unzweifelhaft der Erbe des zerfallenen Reichs, ist die Bundesversamm¬ lung befugt, den Titel' einer „Mehrerin des Reichs" auch für sich mit demselben Rechte in Anspruch zu nehmen, mit welchem die Habsburger Kaiser denselben zur Compensation für die stets sich erneuernde Verminderung des Reichsgebiets und der Reichsrechte führten. Nein diese unbehilfliche und verworrene Verfassung der deutschen Nation, wo stets das eine Gewicht durch ein andres aufgehoben wird, diese Verfassung, in der jeder bösen Leidenschaft, jedem Sonderinteresse der freieste Spielraum

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/324
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/324>, abgerufen am 15.01.2025.