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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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überreizt und unnatürlich wird. Dasselbe ist der Fall bei Robert Zimmer¬
mann, dessen Bilder in einem warmen und satten Ton fein behandelt sind,
aber durch die manierirte Technik und durch ein unvermitteltes Nebeneinander
von Licht und Schatten, durch ein Suchen nach aparten Klangfarben es selten
zu einer harmonischen Wirkung bringen. Talent und ein frischer Naturalismus
zeigen sich in einer auch im Ton schön gestimmten Landschaft von H. Eschke,
doch fehlt es hier an der Unterordnung des Details und an der Gesammt-
wirkung. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß in dieser Gattung eine
eigenthümliche und malerische Auffassung mehr zu Hause ist, als in jener con-
ventionellen, und auf diesem Wege ist eine weitere fruchtbare Fortbildung der
deutschen Landschaft wohl möglich.

Neben dieser coloristischen Richtung hat sich nach französischem Vorgange
neuerdings auch bei uns der baare Realismus eingebürgert: eine Kunst, die
das erste beste Stück Natur, dessen Anspruchslosigkeit bis zur Häßlichkeit herab¬
sinkt, mit überraschender Naturwahrheit dem Beschauer vorzuführen sucht.
Möglich, daß der Triumph der Malerei darin bestehe, auch die alltägliche Häßlich¬
keit genießbar zu machen; aber in eine schmutzige Dorfstraße, wie die von
C. S es erres, bringt selbst die höchste Kunst kein ansprechendes Leben, und auch
die größte Geschicklichkeit -- welche manche französische Maler allerdings haben,
aber nicht die deutschen, die ausgestellt hatten -- verschafft Einem nur den
sehr zweifelhaften Genuß, daß man das Ding nicht in Wirklichkeit, sondern
blos im Bilde vor sich hat. Gegen die conventionelle Alpen- und Sennhütten¬
landschaft der verflossenen Jahrzehnte mag der derbe Gegenschlag dieser Rich¬
tung in einem gewissen Rechte sein: man will wieder einfach, ganz wahr sein,
auch die Beschaffenheit des Stoffs zum Schein bringen, und damit man ja nicht
in einen falschen idealen Zug gerathe, setzt man das gewöhnlichste reizloseste
Stück Landschaft in den Nahmen. Indessen läßt sich auch hier eine gewisse künst¬
lerische Wirkung erreichen, wenn, wie das von französischer Seite geschehen,
dieses an sich ganz gleichgiltige Naturfragment in einem eigenthümlichen elemen¬
taren Ton gehalten ist, durch den auf dasselbe das ahnungsvolle Licht eines
innern selbständigen Lebens fällt. Allein diese malerische Anschauung fehlt den
Burnitz, Bernewitz, von Lösen und Scherres -- nur in einem Bilde
desselben, Abend am See, ist ein schwacher Anlauf dazu genommen --; ebenso
trocken und stumpf wie der ausgeschnittene Natur-Fetzen, den sie sich zum Vor¬
wurf nehmen^ ist ihre Behandlung. Nur eine hierher zählende Landschaft von
dem Holländer Mollinger hatte etwas von dem Hauch des elementaren
Lebens, das allein diese gemeine Wirklichkeit in den idealen Schein zu erheben
vermag.

Eine Art von Mitte zwischen dieser prosaischen und der malerischen Land¬
schaft nehmen die mit viel Geschick ausgeführten Bilder von Oswald Achen-


überreizt und unnatürlich wird. Dasselbe ist der Fall bei Robert Zimmer¬
mann, dessen Bilder in einem warmen und satten Ton fein behandelt sind,
aber durch die manierirte Technik und durch ein unvermitteltes Nebeneinander
von Licht und Schatten, durch ein Suchen nach aparten Klangfarben es selten
zu einer harmonischen Wirkung bringen. Talent und ein frischer Naturalismus
zeigen sich in einer auch im Ton schön gestimmten Landschaft von H. Eschke,
doch fehlt es hier an der Unterordnung des Details und an der Gesammt-
wirkung. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß in dieser Gattung eine
eigenthümliche und malerische Auffassung mehr zu Hause ist, als in jener con-
ventionellen, und auf diesem Wege ist eine weitere fruchtbare Fortbildung der
deutschen Landschaft wohl möglich.

Neben dieser coloristischen Richtung hat sich nach französischem Vorgange
neuerdings auch bei uns der baare Realismus eingebürgert: eine Kunst, die
das erste beste Stück Natur, dessen Anspruchslosigkeit bis zur Häßlichkeit herab¬
sinkt, mit überraschender Naturwahrheit dem Beschauer vorzuführen sucht.
Möglich, daß der Triumph der Malerei darin bestehe, auch die alltägliche Häßlich¬
keit genießbar zu machen; aber in eine schmutzige Dorfstraße, wie die von
C. S es erres, bringt selbst die höchste Kunst kein ansprechendes Leben, und auch
die größte Geschicklichkeit — welche manche französische Maler allerdings haben,
aber nicht die deutschen, die ausgestellt hatten — verschafft Einem nur den
sehr zweifelhaften Genuß, daß man das Ding nicht in Wirklichkeit, sondern
blos im Bilde vor sich hat. Gegen die conventionelle Alpen- und Sennhütten¬
landschaft der verflossenen Jahrzehnte mag der derbe Gegenschlag dieser Rich¬
tung in einem gewissen Rechte sein: man will wieder einfach, ganz wahr sein,
auch die Beschaffenheit des Stoffs zum Schein bringen, und damit man ja nicht
in einen falschen idealen Zug gerathe, setzt man das gewöhnlichste reizloseste
Stück Landschaft in den Nahmen. Indessen läßt sich auch hier eine gewisse künst¬
lerische Wirkung erreichen, wenn, wie das von französischer Seite geschehen,
dieses an sich ganz gleichgiltige Naturfragment in einem eigenthümlichen elemen¬
taren Ton gehalten ist, durch den auf dasselbe das ahnungsvolle Licht eines
innern selbständigen Lebens fällt. Allein diese malerische Anschauung fehlt den
Burnitz, Bernewitz, von Lösen und Scherres — nur in einem Bilde
desselben, Abend am See, ist ein schwacher Anlauf dazu genommen —; ebenso
trocken und stumpf wie der ausgeschnittene Natur-Fetzen, den sie sich zum Vor¬
wurf nehmen^ ist ihre Behandlung. Nur eine hierher zählende Landschaft von
dem Holländer Mollinger hatte etwas von dem Hauch des elementaren
Lebens, das allein diese gemeine Wirklichkeit in den idealen Schein zu erheben
vermag.

Eine Art von Mitte zwischen dieser prosaischen und der malerischen Land¬
schaft nehmen die mit viel Geschick ausgeführten Bilder von Oswald Achen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/322>, abgerufen am 15.01.2025.