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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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men harmonischen Ton gehalten, der die Localfarben dämpft ohne sie abzu¬
schwächen und dem Ganzen eine eigenthümliche ernste Stimmung gibt. Allein
sie sind nicht frei von einer gewissen Absichtlichkeit und Nüchternheit der Auf¬
fassung, die sich an die dumpfe gewöhnliche Seite dieses Lebens hält, und da¬
durch kommt in die Bilder etwas Trübes und Schwerfälliges, das in die dürf¬
tige Enge dieser Welt hinabzieht. -- Ein Genrebildchen aus dem Leben der
höhern Stände "Mutterliebe" von L. Eh. A. Stein heil zeigt namentlich,
wie sehr die Franzosen darauf bedacht sind, die malerische Erscheinung in
ihrem selbständigen Reiz auszubilden. Hier ist auf die coloristische Behandlung
des Weißzeugs und die Zusammenstimmung der verschiedenen reichen Stoffe,
auf das eigentliche Scheinen dieser Dinge die größte Sorgfalt verwendet, wäh¬
rend Mutter und Kind, im Ausdruck ziemlich gleichgiltig, in der Form gewöhn¬
lich und ohne Anmuth, nur der Vorwand zu sein scheinen, um an den Ge¬
wändern und dem Bettzeug jene Effecte spielen zu lassen. Mit einer solchen
Auffassung freilich ist für die Darstellung des gegenwärtigen Lebens wenig ge¬
than und hier zeigt sich die neueste französische Malerei von ihrer schwachen
Seite: über dem Bestreben, mit der äußern Erscheinung eine besondere colori¬
stische Wirkung hervorzubringen, geht ihr das innere Leben des Motivs ver¬
loren, das ja gerade durch die malerische Behandlung in dem Bilde leuchten
und glühen sollte.

Das Streben nach malerischer Wirkung war es auch, das zunächst die
Franzosen und Belgier, dann nach ihrem Vorgänge manche Deutsche in die
Ferne führte, wo die Wirklichkeit in einem wärmeren Lichte und in farbenrei¬
cherer, ungebrochener, noch nicht verwischter Erscheinung dem Maler günstig
entgegenkommt. Zuerst ging es nach Italien, wo zudem im Volke ein Rest
classischer Schönheit und der großen Form, an welcher einst die alten Meister
sich geübt, noch geblieben war. Leopold Robert war es. der dem einfachen
Treiben der Landleute der römischen Campagna und Neapels einen großen Zug,
ihren Gestalten den Wurf eines erfüllten getragenen Lebens zu geben wußte
und ihnen so eine tiefere malerische Schönheit ausprägte, wenn er auch der
Meisterschaft im Colorit selber nicht nachging. Auch in der Ausstellung waren
sowohl ausländische als einheimische Darstellungen des italienischen Lebens;
aber in den einen wie in den andern sah man nur mehr oder minder gut
copirte Zusammenstellungen römischer Costüme. Der Belgier Nao ez mit seinen
charakterlosen Köpfen und der Buntheit seiner Färbung hat sich überlebt und
macht keinen Eindruck mehr, und die Brunnenscene von Des Coudres, um
von deutscher Seite ein Bild zu erwähnen, gab nur eine conventionelle An¬
ordnung von Modellfiguren.

Ein kleines Bild von Decamps (Hos eines italienischen Wohnhauses),
das dem Gegenstande nach etwa hierher zählen mag, bildet sonst eine Gattung


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men harmonischen Ton gehalten, der die Localfarben dämpft ohne sie abzu¬
schwächen und dem Ganzen eine eigenthümliche ernste Stimmung gibt. Allein
sie sind nicht frei von einer gewissen Absichtlichkeit und Nüchternheit der Auf¬
fassung, die sich an die dumpfe gewöhnliche Seite dieses Lebens hält, und da¬
durch kommt in die Bilder etwas Trübes und Schwerfälliges, das in die dürf¬
tige Enge dieser Welt hinabzieht. — Ein Genrebildchen aus dem Leben der
höhern Stände „Mutterliebe" von L. Eh. A. Stein heil zeigt namentlich,
wie sehr die Franzosen darauf bedacht sind, die malerische Erscheinung in
ihrem selbständigen Reiz auszubilden. Hier ist auf die coloristische Behandlung
des Weißzeugs und die Zusammenstimmung der verschiedenen reichen Stoffe,
auf das eigentliche Scheinen dieser Dinge die größte Sorgfalt verwendet, wäh¬
rend Mutter und Kind, im Ausdruck ziemlich gleichgiltig, in der Form gewöhn¬
lich und ohne Anmuth, nur der Vorwand zu sein scheinen, um an den Ge¬
wändern und dem Bettzeug jene Effecte spielen zu lassen. Mit einer solchen
Auffassung freilich ist für die Darstellung des gegenwärtigen Lebens wenig ge¬
than und hier zeigt sich die neueste französische Malerei von ihrer schwachen
Seite: über dem Bestreben, mit der äußern Erscheinung eine besondere colori¬
stische Wirkung hervorzubringen, geht ihr das innere Leben des Motivs ver¬
loren, das ja gerade durch die malerische Behandlung in dem Bilde leuchten
und glühen sollte.

Das Streben nach malerischer Wirkung war es auch, das zunächst die
Franzosen und Belgier, dann nach ihrem Vorgänge manche Deutsche in die
Ferne führte, wo die Wirklichkeit in einem wärmeren Lichte und in farbenrei¬
cherer, ungebrochener, noch nicht verwischter Erscheinung dem Maler günstig
entgegenkommt. Zuerst ging es nach Italien, wo zudem im Volke ein Rest
classischer Schönheit und der großen Form, an welcher einst die alten Meister
sich geübt, noch geblieben war. Leopold Robert war es. der dem einfachen
Treiben der Landleute der römischen Campagna und Neapels einen großen Zug,
ihren Gestalten den Wurf eines erfüllten getragenen Lebens zu geben wußte
und ihnen so eine tiefere malerische Schönheit ausprägte, wenn er auch der
Meisterschaft im Colorit selber nicht nachging. Auch in der Ausstellung waren
sowohl ausländische als einheimische Darstellungen des italienischen Lebens;
aber in den einen wie in den andern sah man nur mehr oder minder gut
copirte Zusammenstellungen römischer Costüme. Der Belgier Nao ez mit seinen
charakterlosen Köpfen und der Buntheit seiner Färbung hat sich überlebt und
macht keinen Eindruck mehr, und die Brunnenscene von Des Coudres, um
von deutscher Seite ein Bild zu erwähnen, gab nur eine conventionelle An¬
ordnung von Modellfiguren.

Ein kleines Bild von Decamps (Hos eines italienischen Wohnhauses),
das dem Gegenstande nach etwa hierher zählen mag, bildet sonst eine Gattung


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[0315] men harmonischen Ton gehalten, der die Localfarben dämpft ohne sie abzu¬ schwächen und dem Ganzen eine eigenthümliche ernste Stimmung gibt. Allein sie sind nicht frei von einer gewissen Absichtlichkeit und Nüchternheit der Auf¬ fassung, die sich an die dumpfe gewöhnliche Seite dieses Lebens hält, und da¬ durch kommt in die Bilder etwas Trübes und Schwerfälliges, das in die dürf¬ tige Enge dieser Welt hinabzieht. — Ein Genrebildchen aus dem Leben der höhern Stände „Mutterliebe" von L. Eh. A. Stein heil zeigt namentlich, wie sehr die Franzosen darauf bedacht sind, die malerische Erscheinung in ihrem selbständigen Reiz auszubilden. Hier ist auf die coloristische Behandlung des Weißzeugs und die Zusammenstimmung der verschiedenen reichen Stoffe, auf das eigentliche Scheinen dieser Dinge die größte Sorgfalt verwendet, wäh¬ rend Mutter und Kind, im Ausdruck ziemlich gleichgiltig, in der Form gewöhn¬ lich und ohne Anmuth, nur der Vorwand zu sein scheinen, um an den Ge¬ wändern und dem Bettzeug jene Effecte spielen zu lassen. Mit einer solchen Auffassung freilich ist für die Darstellung des gegenwärtigen Lebens wenig ge¬ than und hier zeigt sich die neueste französische Malerei von ihrer schwachen Seite: über dem Bestreben, mit der äußern Erscheinung eine besondere colori¬ stische Wirkung hervorzubringen, geht ihr das innere Leben des Motivs ver¬ loren, das ja gerade durch die malerische Behandlung in dem Bilde leuchten und glühen sollte. Das Streben nach malerischer Wirkung war es auch, das zunächst die Franzosen und Belgier, dann nach ihrem Vorgänge manche Deutsche in die Ferne führte, wo die Wirklichkeit in einem wärmeren Lichte und in farbenrei¬ cherer, ungebrochener, noch nicht verwischter Erscheinung dem Maler günstig entgegenkommt. Zuerst ging es nach Italien, wo zudem im Volke ein Rest classischer Schönheit und der großen Form, an welcher einst die alten Meister sich geübt, noch geblieben war. Leopold Robert war es. der dem einfachen Treiben der Landleute der römischen Campagna und Neapels einen großen Zug, ihren Gestalten den Wurf eines erfüllten getragenen Lebens zu geben wußte und ihnen so eine tiefere malerische Schönheit ausprägte, wenn er auch der Meisterschaft im Colorit selber nicht nachging. Auch in der Ausstellung waren sowohl ausländische als einheimische Darstellungen des italienischen Lebens; aber in den einen wie in den andern sah man nur mehr oder minder gut copirte Zusammenstellungen römischer Costüme. Der Belgier Nao ez mit seinen charakterlosen Köpfen und der Buntheit seiner Färbung hat sich überlebt und macht keinen Eindruck mehr, und die Brunnenscene von Des Coudres, um von deutscher Seite ein Bild zu erwähnen, gab nur eine conventionelle An¬ ordnung von Modellfiguren. Ein kleines Bild von Decamps (Hos eines italienischen Wohnhauses), das dem Gegenstande nach etwa hierher zählen mag, bildet sonst eine Gattung 39"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/315>, abgerufen am 15.01.2025.