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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Sie gewannen so den Vortheil, ihre Kräfte gemeinsam beisammen .zu halten
und sich schärfer abzusondern von den andern, minder geschulten und minder
geschickten Mitarbeitern auf diesem Gebiete. Diese Zeitschrift waren die "Altdeut¬
schen Wälder", die in monatlichen Heften erscheinen sollten, doch nicht ganz
regelmäßig ausgegeben wurden. Es sind drei Bände, jeder zu sechs Heften her¬
ausgekommen, der erste 1813 in Kassel, die beiden übrigen 1815 und 1816 in
Frankfurts. Der größere Theil der Beiträge ist von Jacob. Es ist eine reiche
Auswahl der verschiedensten (bereits auch grammatischer) Untersuchungen, Quellen¬
addrücke, kleineren und größeren Mittheilungen, meist so durchdacht, daß sie noch
heute benutzbar sind. Jacobs Abwesenheit, namentlich die mußeraubende im
Jahre 1814, rief eine Stockung der Arbeiten hervor, Aber 1813 erschien die
Ausgabe und Commentirung des "armen Heinrich", und in demselben Jahre
"die Lieder der alten Edda", denen sich 1816' die "deutschen Sagen" anschlössen.
Späterhin sind nur noch die "Irischen Elfenmärchen" (Leipzig 1826) gemein¬
sam gearbeitet, im Uebrigen gingen seit 1816 die beiden Brüder ihre eigenen
Wege, und erst der Abend ihres Lebens führte sie wieder zusammen zu dem
großen Werke des deutschen Wörterbuches, über welchem sie Beide der Tod er¬
eilte. Wo wir in dieser gemeinsamen Thätigkeit im Stande sind, das jedem
Besondere zu trennen (wie z. B. in den altdeutschen Wäldern), da erkennen
wir in Jacob den^regeren, lebhafteren, anregenderen, doch auch hastigeren und
kühnen Combinationen schnell zugänglichen Geist, bei Wilhelm finden wir scru-
pulösere Sorgfalt, größere Feinheit im Ausfeilen des Einzelnsten und größere
Enthaltsamkeit von Conjecturen. Es fand zwischen den Brüdern eine Ergän¬
zung der Charaktereigenthümlichkeiten statt, die allein ihr fruchtbares Zusam¬
menarbeiten und ihr ununterbrochenes ungetrübtes Zusammenleben erklärt.

Das deutsche Volk hat diese gemeinsame Thätigkeit der beiden Brüder
stets mit besonderer Pietät betrachtet. Bei dem Eintritt in eine Wissenschaft
und dem Bekanntwerden mit einem Stoffe, der dem Herzen an sich schon so
nahe steht, erfreut es doppelt, einem edlen, rührenden Verhältnisse zu begegnen,
das schon allein geeignet wäre, .unsere ganze Theilnahme und Liebe in Anspruch
zu nehmen. Dieser Eindruck einer freudigen Verehrung wirkt auf uns um so
lebendiger, je frischer und empfänglicher das Gemüth in den Jahren ist, wo
ihm jene Namen zuerst entgegentreten durch die Märchen geschieht dies in
der für Eindrücke zugänglichsten Zeit der Jugend. ' So sind "die Brüder



*) Hier ein Wort in eigener Sache. Dem Schreiber dieser Zeilen fehlt zu seinem Bedauern das
dritte Heft des dritten Bandes, und er jagt ihm'xscit Jahren vergebens nach. Sollte el" Leser
dieser Blätter dasselbe besinn, ohne viel darauf zu geben (es sind viele Hefte einzeln zerstreut)
und mit der Noth eines vergeblich suchenden Bücherfreundes einiges Erbarmen verspüren, so
wird er wissen, was für eine Bitte an ihn der Schreiber dieses still im Herzen hegt.

Sie gewannen so den Vortheil, ihre Kräfte gemeinsam beisammen .zu halten
und sich schärfer abzusondern von den andern, minder geschulten und minder
geschickten Mitarbeitern auf diesem Gebiete. Diese Zeitschrift waren die „Altdeut¬
schen Wälder", die in monatlichen Heften erscheinen sollten, doch nicht ganz
regelmäßig ausgegeben wurden. Es sind drei Bände, jeder zu sechs Heften her¬
ausgekommen, der erste 1813 in Kassel, die beiden übrigen 1815 und 1816 in
Frankfurts. Der größere Theil der Beiträge ist von Jacob. Es ist eine reiche
Auswahl der verschiedensten (bereits auch grammatischer) Untersuchungen, Quellen¬
addrücke, kleineren und größeren Mittheilungen, meist so durchdacht, daß sie noch
heute benutzbar sind. Jacobs Abwesenheit, namentlich die mußeraubende im
Jahre 1814, rief eine Stockung der Arbeiten hervor, Aber 1813 erschien die
Ausgabe und Commentirung des „armen Heinrich", und in demselben Jahre
„die Lieder der alten Edda", denen sich 1816' die „deutschen Sagen" anschlössen.
Späterhin sind nur noch die „Irischen Elfenmärchen" (Leipzig 1826) gemein¬
sam gearbeitet, im Uebrigen gingen seit 1816 die beiden Brüder ihre eigenen
Wege, und erst der Abend ihres Lebens führte sie wieder zusammen zu dem
großen Werke des deutschen Wörterbuches, über welchem sie Beide der Tod er¬
eilte. Wo wir in dieser gemeinsamen Thätigkeit im Stande sind, das jedem
Besondere zu trennen (wie z. B. in den altdeutschen Wäldern), da erkennen
wir in Jacob den^regeren, lebhafteren, anregenderen, doch auch hastigeren und
kühnen Combinationen schnell zugänglichen Geist, bei Wilhelm finden wir scru-
pulösere Sorgfalt, größere Feinheit im Ausfeilen des Einzelnsten und größere
Enthaltsamkeit von Conjecturen. Es fand zwischen den Brüdern eine Ergän¬
zung der Charaktereigenthümlichkeiten statt, die allein ihr fruchtbares Zusam¬
menarbeiten und ihr ununterbrochenes ungetrübtes Zusammenleben erklärt.

Das deutsche Volk hat diese gemeinsame Thätigkeit der beiden Brüder
stets mit besonderer Pietät betrachtet. Bei dem Eintritt in eine Wissenschaft
und dem Bekanntwerden mit einem Stoffe, der dem Herzen an sich schon so
nahe steht, erfreut es doppelt, einem edlen, rührenden Verhältnisse zu begegnen,
das schon allein geeignet wäre, .unsere ganze Theilnahme und Liebe in Anspruch
zu nehmen. Dieser Eindruck einer freudigen Verehrung wirkt auf uns um so
lebendiger, je frischer und empfänglicher das Gemüth in den Jahren ist, wo
ihm jene Namen zuerst entgegentreten durch die Märchen geschieht dies in
der für Eindrücke zugänglichsten Zeit der Jugend. ' So sind „die Brüder



*) Hier ein Wort in eigener Sache. Dem Schreiber dieser Zeilen fehlt zu seinem Bedauern das
dritte Heft des dritten Bandes, und er jagt ihm'xscit Jahren vergebens nach. Sollte el» Leser
dieser Blätter dasselbe besinn, ohne viel darauf zu geben (es sind viele Hefte einzeln zerstreut)
und mit der Noth eines vergeblich suchenden Bücherfreundes einiges Erbarmen verspüren, so
wird er wissen, was für eine Bitte an ihn der Schreiber dieses still im Herzen hegt.
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[0295] Sie gewannen so den Vortheil, ihre Kräfte gemeinsam beisammen .zu halten und sich schärfer abzusondern von den andern, minder geschulten und minder geschickten Mitarbeitern auf diesem Gebiete. Diese Zeitschrift waren die „Altdeut¬ schen Wälder", die in monatlichen Heften erscheinen sollten, doch nicht ganz regelmäßig ausgegeben wurden. Es sind drei Bände, jeder zu sechs Heften her¬ ausgekommen, der erste 1813 in Kassel, die beiden übrigen 1815 und 1816 in Frankfurts. Der größere Theil der Beiträge ist von Jacob. Es ist eine reiche Auswahl der verschiedensten (bereits auch grammatischer) Untersuchungen, Quellen¬ addrücke, kleineren und größeren Mittheilungen, meist so durchdacht, daß sie noch heute benutzbar sind. Jacobs Abwesenheit, namentlich die mußeraubende im Jahre 1814, rief eine Stockung der Arbeiten hervor, Aber 1813 erschien die Ausgabe und Commentirung des „armen Heinrich", und in demselben Jahre „die Lieder der alten Edda", denen sich 1816' die „deutschen Sagen" anschlössen. Späterhin sind nur noch die „Irischen Elfenmärchen" (Leipzig 1826) gemein¬ sam gearbeitet, im Uebrigen gingen seit 1816 die beiden Brüder ihre eigenen Wege, und erst der Abend ihres Lebens führte sie wieder zusammen zu dem großen Werke des deutschen Wörterbuches, über welchem sie Beide der Tod er¬ eilte. Wo wir in dieser gemeinsamen Thätigkeit im Stande sind, das jedem Besondere zu trennen (wie z. B. in den altdeutschen Wäldern), da erkennen wir in Jacob den^regeren, lebhafteren, anregenderen, doch auch hastigeren und kühnen Combinationen schnell zugänglichen Geist, bei Wilhelm finden wir scru- pulösere Sorgfalt, größere Feinheit im Ausfeilen des Einzelnsten und größere Enthaltsamkeit von Conjecturen. Es fand zwischen den Brüdern eine Ergän¬ zung der Charaktereigenthümlichkeiten statt, die allein ihr fruchtbares Zusam¬ menarbeiten und ihr ununterbrochenes ungetrübtes Zusammenleben erklärt. Das deutsche Volk hat diese gemeinsame Thätigkeit der beiden Brüder stets mit besonderer Pietät betrachtet. Bei dem Eintritt in eine Wissenschaft und dem Bekanntwerden mit einem Stoffe, der dem Herzen an sich schon so nahe steht, erfreut es doppelt, einem edlen, rührenden Verhältnisse zu begegnen, das schon allein geeignet wäre, .unsere ganze Theilnahme und Liebe in Anspruch zu nehmen. Dieser Eindruck einer freudigen Verehrung wirkt auf uns um so lebendiger, je frischer und empfänglicher das Gemüth in den Jahren ist, wo ihm jene Namen zuerst entgegentreten durch die Märchen geschieht dies in der für Eindrücke zugänglichsten Zeit der Jugend. ' So sind „die Brüder *) Hier ein Wort in eigener Sache. Dem Schreiber dieser Zeilen fehlt zu seinem Bedauern das dritte Heft des dritten Bandes, und er jagt ihm'xscit Jahren vergebens nach. Sollte el» Leser dieser Blätter dasselbe besinn, ohne viel darauf zu geben (es sind viele Hefte einzeln zerstreut) und mit der Noth eines vergeblich suchenden Bücherfreundes einiges Erbarmen verspüren, so wird er wissen, was für eine Bitte an ihn der Schreiber dieses still im Herzen hegt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/295>, abgerufen am 15.01.2025.