Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Lebenöprincip entgegengesetzt, nach welchem er eine völlig freie Bethätigung des Ist schon die ausgesprochene Aufgabe des Vereins eine freiwillige Selbst¬ Auch der lübecker Versammlung trat die Versuchung, von der strengen Lebenöprincip entgegengesetzt, nach welchem er eine völlig freie Bethätigung des Ist schon die ausgesprochene Aufgabe des Vereins eine freiwillige Selbst¬ Auch der lübecker Versammlung trat die Versuchung, von der strengen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115957"/> <p xml:id="ID_59" prev="#ID_58"> Lebenöprincip entgegengesetzt, nach welchem er eine völlig freie Bethätigung des<lb/> kirchlichen Bewußtseins des protestantischen Volkes ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_60"> Ist schon die ausgesprochene Aufgabe des Vereins eine freiwillige Selbst¬<lb/> hilfe im Gegensatz zu einer bevormundenden Staats- oder andern Hilfe, so<lb/> ist auch die Organisation desselben, mit welcher seine Gründer im Ganzen<lb/> sicher einen sehr glücklichen Griff gethan haben, auf die freie Thätigkeit des<lb/> gesammten protestantischen Volkes basirt. Von irgend einer hierarchischen Glie¬<lb/> derung oder Bevorzugung ist keine Rede; alle Vorstände, die Präsidenten der<lb/> Versammlung u. s. w., werden völlig frei gewählt, und es ist etwas werth,<lb/> daß diese Genossenschaft die Masse ihrer Theilnehmer an eine Selbstregierung<lb/> gewöhnt, an deren praktischen Erfolgen sie sich erfreuen, und deren gute<lb/> Wirkungen für das ganze Gebiet des Lebens, nicht blos des kirchlichen, nicht<lb/> ausbleiben können. Je mehr in unsern deutschen Landeskirchen die Laien<lb/> ausgeschlossen sind von einer wirklichen Betheiligung an der Leitung der kirch¬<lb/> lichen Angelegenheiten, um so mehr haben sich diejenigen, die ein wahrhaftes<lb/> kirchliches Interesse haben, ohne auf der Seite der äußersten Partei zu stehen,<lb/> dem Gustav-Adolf-Verein zugewendet. Deshalb ist aber auch volle Freiheit<lb/> der Bewegung und Fernhalten jeder bureaukratischen Bevormundung Lebens¬<lb/> bedingung für den Verein. Diesen Charakter der Selbstregierung fühlte man<lb/> in dem ruhigen, sichern Auftreten der ganzen Versammlung heraus; ihren guten<lb/> Erfolg sieht man in den erreichten praktischen Resultaten und in dem ver-<lb/> ständigen Sinne, der die Berathungen beherrschte. Mit kluger Besonnenheit<lb/> haben die Leiter des Vereins ihn innerhalb der Grenzen seiner wirklichen Aus¬<lb/> gabe zu erhalten und der Versuchung zu widerstehen gewußt, dahin und dort¬<lb/> hin experünentirend sich auf alles Mögliche einzulassen. Der Kirchentag und die<lb/> Evangelische Allianz widerstanden dieser Versuchung nicht; ihre Berathungen<lb/> erstreckten sich über Alles, was zwischen Himmel und Erde in irgend eine Be¬<lb/> ziehung zur Kirche sich bringen läßt, und ihre Resultate sind — Null. ^</p><lb/> <p xml:id="ID_61" next="#ID_62"> Auch der lübecker Versammlung trat die Versuchung, von der strengen<lb/> Linie ihrer Aufgabe abzuirren, in der Gestalt mehrer Anträge nahe, die<lb/> darauf hinausgingen, den dänischen Sprachzwang gegen die evangelischen<lb/> Gemeinden Schleswigs in den Kreis der Berathungen zu ziehen und „etwas"<lb/> man fragte aber vergebens, was? — in der Sache zu thun. In der Ver¬<lb/> sammlung waren gewiß nur sehr Wenige, denen bei den Worten Schlesmig-<lb/> Holstein, wie es manchen loyalen Staatsbürgern widerfährt, der schnelle<lb/> Gedankengang sich anreihte: schwarzrothgold. Nationalverein, einiges Deutsch¬<lb/> land, destructive Tendenzen, Revolution. Im Gegentheil beherrschte wohl fast<lb/> alle Theilnehmer bei der Berührung der schleswigschen Angelegenheit das<lb/> Gefühl der Scham und des Zornes, das jeden deutschen Mann angesichts<lb/> dieser schändlichen Verhältnisse überkommen muß. Aber die deutsche Gefühls-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Lebenöprincip entgegengesetzt, nach welchem er eine völlig freie Bethätigung des
kirchlichen Bewußtseins des protestantischen Volkes ist.
Ist schon die ausgesprochene Aufgabe des Vereins eine freiwillige Selbst¬
hilfe im Gegensatz zu einer bevormundenden Staats- oder andern Hilfe, so
ist auch die Organisation desselben, mit welcher seine Gründer im Ganzen
sicher einen sehr glücklichen Griff gethan haben, auf die freie Thätigkeit des
gesammten protestantischen Volkes basirt. Von irgend einer hierarchischen Glie¬
derung oder Bevorzugung ist keine Rede; alle Vorstände, die Präsidenten der
Versammlung u. s. w., werden völlig frei gewählt, und es ist etwas werth,
daß diese Genossenschaft die Masse ihrer Theilnehmer an eine Selbstregierung
gewöhnt, an deren praktischen Erfolgen sie sich erfreuen, und deren gute
Wirkungen für das ganze Gebiet des Lebens, nicht blos des kirchlichen, nicht
ausbleiben können. Je mehr in unsern deutschen Landeskirchen die Laien
ausgeschlossen sind von einer wirklichen Betheiligung an der Leitung der kirch¬
lichen Angelegenheiten, um so mehr haben sich diejenigen, die ein wahrhaftes
kirchliches Interesse haben, ohne auf der Seite der äußersten Partei zu stehen,
dem Gustav-Adolf-Verein zugewendet. Deshalb ist aber auch volle Freiheit
der Bewegung und Fernhalten jeder bureaukratischen Bevormundung Lebens¬
bedingung für den Verein. Diesen Charakter der Selbstregierung fühlte man
in dem ruhigen, sichern Auftreten der ganzen Versammlung heraus; ihren guten
Erfolg sieht man in den erreichten praktischen Resultaten und in dem ver-
ständigen Sinne, der die Berathungen beherrschte. Mit kluger Besonnenheit
haben die Leiter des Vereins ihn innerhalb der Grenzen seiner wirklichen Aus¬
gabe zu erhalten und der Versuchung zu widerstehen gewußt, dahin und dort¬
hin experünentirend sich auf alles Mögliche einzulassen. Der Kirchentag und die
Evangelische Allianz widerstanden dieser Versuchung nicht; ihre Berathungen
erstreckten sich über Alles, was zwischen Himmel und Erde in irgend eine Be¬
ziehung zur Kirche sich bringen läßt, und ihre Resultate sind — Null. ^
Auch der lübecker Versammlung trat die Versuchung, von der strengen
Linie ihrer Aufgabe abzuirren, in der Gestalt mehrer Anträge nahe, die
darauf hinausgingen, den dänischen Sprachzwang gegen die evangelischen
Gemeinden Schleswigs in den Kreis der Berathungen zu ziehen und „etwas"
man fragte aber vergebens, was? — in der Sache zu thun. In der Ver¬
sammlung waren gewiß nur sehr Wenige, denen bei den Worten Schlesmig-
Holstein, wie es manchen loyalen Staatsbürgern widerfährt, der schnelle
Gedankengang sich anreihte: schwarzrothgold. Nationalverein, einiges Deutsch¬
land, destructive Tendenzen, Revolution. Im Gegentheil beherrschte wohl fast
alle Theilnehmer bei der Berührung der schleswigschen Angelegenheit das
Gefühl der Scham und des Zornes, das jeden deutschen Mann angesichts
dieser schändlichen Verhältnisse überkommen muß. Aber die deutsche Gefühls-
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