Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.herrschte als später, und daß die heutige Nekromantie nur Stümperei ist gegen herrschte als später, und daß die heutige Nekromantie nur Stümperei ist gegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116200"/> <p xml:id="ID_944" prev="#ID_943" next="#ID_945"> herrschte als später, und daß die heutige Nekromantie nur Stümperei ist gegen<lb/> das, was in dieser Kunst die damaligen Hexenmeister leisteten. Da man ein¬<lb/> mal durch den Cultus in unmittelbare Beziehung zu den Todten gekommen war,<lb/> so benutzte man diesen Verkehr sehr bald, um theils durch Citation der Ver¬<lb/> storbenen Offenbarungen über unbekannte Dinge zu erhalten, theils durch<lb/> Anwendung gewisser Mittel lästige Geistererscheinungen zu bannen und zu<lb/> sühnen. Erstlich gab es hierzu bestimmte Orakelstätten mit Priestern, welche<lb/> die Ceremonien verrichteten und den Tempeln vorstanden. Gewöhnlich be¬<lb/> fanden sich dieselben in Gegenden, die schon an sich auf einen Zusammenhang<lb/> mit der Unterwelt hinzudeuten schienen, wie tiefe, ins Innere der Erde füh¬<lb/> rende Schluchten und Höhlen oder Spalten, aus denen betäubende Dünste<lb/> aufstiegen. Eine solche Stelle befand sich in Thesprotien, einer Landschaft von<lb/> Epirus. in der Nähe der Stadt Ephyra; dort durchflossen die mit den unter¬<lb/> weltlichen gleichnamigen Flüsse Acheron und Kokytos eine sumpfige Ebene voll<lb/> mephitischer Dünste, und schon Orpheus sollte dort hinabgestiegen sein, um<lb/> Eurydike zu holen. Hierher sendete auch Periander, um seine verstorbene Frau<lb/> über den Ort befragen zu lassen, wohin sie einen von einem Gastfreund an¬<lb/> vertrauten Schatz gelegt hatte, und nachdem der anfangs unwillige Schatten<lb/> durch die erwähnte Kleiderhekatombe besänftigt worden war, gab er bereitwillig<lb/> richtige Auskunft. Auch auf dem lakonischer Kap Tänaron zeigte man eine<lb/> Höhle, durch welche, wie die Sage ging, Herakles den Höllenhund auf die<lb/> Oberwelt gebracht hatte. Dort befand sich ebenfalls ein Todtenorakel, und es<lb/> gelang daselbst einem gewissen Kallodnes, die Seele des berühmten Jamben¬<lb/> dichters Archilochos, den er im Kriege erschlagen hatte, zu versöhnen. Ferner<lb/> rühmte sich eines ähnlichen Thores zur Schattenwelt die acherusische Halbinsel<lb/> bei Heraklea. an der bithynischen Küste des Pontus. Hierher begab sich, wie<lb/> Plutarch erzählt. Pausanias, um die immer wiederkehrende Erscheinung<lb/> Kleonikes los zu werden. „Er beschwor die Seele der Kieonike und bat<lb/> flehentlich, daß sie sich besänftigen und ihren Zorn fahren lassen möchte.<lb/> Kleonike erschien ihm auch und sagte: Du wirst bald nach Sparta kommen<lb/> und von aller Plage befreit werden! Und eben damit scheint sie ihm seinen<lb/> bald darauf in Sparta erfolgten Tod angedeutet zu haben." Zu Trözene und<lb/> Hermione im Peloponnes gab es ebenfalls Einfahrten zum Hades. Endlich<lb/> hatten auch die italischen Griechen einen solchen Privilegien Verbindungsweg<lb/> in der Nähe der uralten Stadt Kuma in Kampanien. Ein tiefer, einen vulka¬<lb/> nischen Krater ausfüllender See, umgeben von steilen Höhen und beschattet<lb/> von dichtem Gehölz, und tiefe, 'mit Schwefeldunst erfüllte Höhlen brachten die<lb/> Einbildungskraft leicht dazu, diese Stelle zum Mittelpunkte fast aller Sagen<lb/> vom Todtenreiche zu machen. Hier sollte Odysseus seine Todtenbeschwörung<lb/> vorgenommen haben, hier fuhr der fromme Aeneas an der Hand der luna-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
herrschte als später, und daß die heutige Nekromantie nur Stümperei ist gegen
das, was in dieser Kunst die damaligen Hexenmeister leisteten. Da man ein¬
mal durch den Cultus in unmittelbare Beziehung zu den Todten gekommen war,
so benutzte man diesen Verkehr sehr bald, um theils durch Citation der Ver¬
storbenen Offenbarungen über unbekannte Dinge zu erhalten, theils durch
Anwendung gewisser Mittel lästige Geistererscheinungen zu bannen und zu
sühnen. Erstlich gab es hierzu bestimmte Orakelstätten mit Priestern, welche
die Ceremonien verrichteten und den Tempeln vorstanden. Gewöhnlich be¬
fanden sich dieselben in Gegenden, die schon an sich auf einen Zusammenhang
mit der Unterwelt hinzudeuten schienen, wie tiefe, ins Innere der Erde füh¬
rende Schluchten und Höhlen oder Spalten, aus denen betäubende Dünste
aufstiegen. Eine solche Stelle befand sich in Thesprotien, einer Landschaft von
Epirus. in der Nähe der Stadt Ephyra; dort durchflossen die mit den unter¬
weltlichen gleichnamigen Flüsse Acheron und Kokytos eine sumpfige Ebene voll
mephitischer Dünste, und schon Orpheus sollte dort hinabgestiegen sein, um
Eurydike zu holen. Hierher sendete auch Periander, um seine verstorbene Frau
über den Ort befragen zu lassen, wohin sie einen von einem Gastfreund an¬
vertrauten Schatz gelegt hatte, und nachdem der anfangs unwillige Schatten
durch die erwähnte Kleiderhekatombe besänftigt worden war, gab er bereitwillig
richtige Auskunft. Auch auf dem lakonischer Kap Tänaron zeigte man eine
Höhle, durch welche, wie die Sage ging, Herakles den Höllenhund auf die
Oberwelt gebracht hatte. Dort befand sich ebenfalls ein Todtenorakel, und es
gelang daselbst einem gewissen Kallodnes, die Seele des berühmten Jamben¬
dichters Archilochos, den er im Kriege erschlagen hatte, zu versöhnen. Ferner
rühmte sich eines ähnlichen Thores zur Schattenwelt die acherusische Halbinsel
bei Heraklea. an der bithynischen Küste des Pontus. Hierher begab sich, wie
Plutarch erzählt. Pausanias, um die immer wiederkehrende Erscheinung
Kleonikes los zu werden. „Er beschwor die Seele der Kieonike und bat
flehentlich, daß sie sich besänftigen und ihren Zorn fahren lassen möchte.
Kleonike erschien ihm auch und sagte: Du wirst bald nach Sparta kommen
und von aller Plage befreit werden! Und eben damit scheint sie ihm seinen
bald darauf in Sparta erfolgten Tod angedeutet zu haben." Zu Trözene und
Hermione im Peloponnes gab es ebenfalls Einfahrten zum Hades. Endlich
hatten auch die italischen Griechen einen solchen Privilegien Verbindungsweg
in der Nähe der uralten Stadt Kuma in Kampanien. Ein tiefer, einen vulka¬
nischen Krater ausfüllender See, umgeben von steilen Höhen und beschattet
von dichtem Gehölz, und tiefe, 'mit Schwefeldunst erfüllte Höhlen brachten die
Einbildungskraft leicht dazu, diese Stelle zum Mittelpunkte fast aller Sagen
vom Todtenreiche zu machen. Hier sollte Odysseus seine Todtenbeschwörung
vorgenommen haben, hier fuhr der fromme Aeneas an der Hand der luna-
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