Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.der Grüfte". Der berühmte Philosoph Demokritos aus Abdera, einer der Eine andere Frage, die bei der Berücksichtigung, welche die Neuzeit wieder der Grüfte". Der berühmte Philosoph Demokritos aus Abdera, einer der Eine andere Frage, die bei der Berücksichtigung, welche die Neuzeit wieder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116199"/> <p xml:id="ID_942" prev="#ID_941"> der Grüfte". Der berühmte Philosoph Demokritos aus Abdera, einer der<lb/> am vielseitigsten gebildeten Hellenen, bezeugte seinen Unglauben und seine<lb/> Furchtlosigkeit der Gespensterwelt gegenüber dadurch, daß er sich selbst in<lb/> ein außerhalb der Stadt gelegenes Grabmal einschloß und dort studirte und<lb/> schrieb. Einige junge Leuten wollten ihn necken und furchtsam machen, kleideten<lb/> sich in schwarze Gewänder, nahmen Todtenmasken vor und tanzten so um ihn<lb/> herum. Er aber blickte kaum zu ihnen von seinem Buche auf und sagte nur<lb/> fortschreibend: „Hört doch auf mit Eurer Kinderei!" Dagegen fand der Ge-<lb/> spensterglnube eine große Stütze an der Seelenlehre der platonischen und py¬<lb/> thagoräischen Philosophie. Platon nämlich nahm je nach der Beschaffenheit<lb/> des irdischen Lebens verschiedene Arten der Unsterblichkeit für die Seele an.<lb/> Diejenigen Geister, die sich reiner erhalten hatten von der Befleckung durch<lb/> körperliche Schwächen und Fehler, ließ er in himmlische Regionen eingehen und<lb/> frei von Irrthümern, Leidenschaften und Lastern ein seliges Leben führen. Da¬<lb/> gegen konnte sich nach ihm diejenige Seele, welche während des Lebens eine<lb/> Sklavin des Leibes gewesen war, auch nach dem Tode desselben von dem sinn¬<lb/> lichen Elemente, durch das sie getrübt wurde, nicht ganz trennen. „Eine solche<lb/> Seele," sagt er im Phädon, „die etwas Gewichtiges. Schweres, Erdiges und<lb/> sichtbares an sich hat, fühlt sich wieder zur sichtbaren Welt hingedrängt und<lb/> gezogen, indem sie aus Furcht vor dem Dunkeln und dem Hades, wie man<lb/> sagt, um die Gräber und Grüfte sich herumtreibt. Dort hat man schon manch¬<lb/> mal dunkle Erscheinungen von Seelen erblickt, und solche Schattenbilder erzeugen<lb/> eben solche Seelen, welche sich nicht rein losgerissen haben, sondern noch Theil<lb/> am Sichtbaren besitzen, weshalb sie auch gesehen werden." So waren also nach<lb/> seiner Ueberzeugung nur die Menschen von mittelmäßig schlechter Qualität zum<lb/> Gespensterleben verdammt und diese konnten auch wieder eine neue körperliche<lb/> Verbindung eingehen. Die ganz Schlechten, besonders die Tempelräuber und<lb/> Mörder, versetzt er in den Tartarus, an den Ott der Qual. — Auch nach der<lb/> pythagoräischen Seelenwanderungsthevric war die Erde voll Dämonen und Ge¬<lb/> spenster. Pythagoras selbst soll einst in einem Hunde einen verstorbenen Freund<lb/> wieder erkannt haben! Nach Aelian und Plutarch glaubten die Anhänger dieser<lb/> Schule, daß das Erdbeben bewirkt werde, wenn die Todten Generalversammlung<lb/> hielten, und daß die Seelen der Gestorbenen weder Schatten warfen noch mit<lb/> den Augen zwinkerten.</p><lb/> <p xml:id="ID_943" next="#ID_944"> Eine andere Frage, die bei der Berücksichtigung, welche die Neuzeit wieder<lb/> einmal der Naturgeschichte der Gespenster schenkt, nicht umgangen werden kann,<lb/> ist serner, in welchem Grade willfährig sich bei Griechen und Römern die<lb/> Geister gezeigt haben, dem Willen der Lebendigen zu gehorchen und auf be¬<lb/> liebiges Verlangen zu erscheinen? Und hieraus kann man dreist antworten,<lb/> daß bei den Alten ein viel regerer Verkehr zwischen Ober- und Unterwelt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
der Grüfte". Der berühmte Philosoph Demokritos aus Abdera, einer der
am vielseitigsten gebildeten Hellenen, bezeugte seinen Unglauben und seine
Furchtlosigkeit der Gespensterwelt gegenüber dadurch, daß er sich selbst in
ein außerhalb der Stadt gelegenes Grabmal einschloß und dort studirte und
schrieb. Einige junge Leuten wollten ihn necken und furchtsam machen, kleideten
sich in schwarze Gewänder, nahmen Todtenmasken vor und tanzten so um ihn
herum. Er aber blickte kaum zu ihnen von seinem Buche auf und sagte nur
fortschreibend: „Hört doch auf mit Eurer Kinderei!" Dagegen fand der Ge-
spensterglnube eine große Stütze an der Seelenlehre der platonischen und py¬
thagoräischen Philosophie. Platon nämlich nahm je nach der Beschaffenheit
des irdischen Lebens verschiedene Arten der Unsterblichkeit für die Seele an.
Diejenigen Geister, die sich reiner erhalten hatten von der Befleckung durch
körperliche Schwächen und Fehler, ließ er in himmlische Regionen eingehen und
frei von Irrthümern, Leidenschaften und Lastern ein seliges Leben führen. Da¬
gegen konnte sich nach ihm diejenige Seele, welche während des Lebens eine
Sklavin des Leibes gewesen war, auch nach dem Tode desselben von dem sinn¬
lichen Elemente, durch das sie getrübt wurde, nicht ganz trennen. „Eine solche
Seele," sagt er im Phädon, „die etwas Gewichtiges. Schweres, Erdiges und
sichtbares an sich hat, fühlt sich wieder zur sichtbaren Welt hingedrängt und
gezogen, indem sie aus Furcht vor dem Dunkeln und dem Hades, wie man
sagt, um die Gräber und Grüfte sich herumtreibt. Dort hat man schon manch¬
mal dunkle Erscheinungen von Seelen erblickt, und solche Schattenbilder erzeugen
eben solche Seelen, welche sich nicht rein losgerissen haben, sondern noch Theil
am Sichtbaren besitzen, weshalb sie auch gesehen werden." So waren also nach
seiner Ueberzeugung nur die Menschen von mittelmäßig schlechter Qualität zum
Gespensterleben verdammt und diese konnten auch wieder eine neue körperliche
Verbindung eingehen. Die ganz Schlechten, besonders die Tempelräuber und
Mörder, versetzt er in den Tartarus, an den Ott der Qual. — Auch nach der
pythagoräischen Seelenwanderungsthevric war die Erde voll Dämonen und Ge¬
spenster. Pythagoras selbst soll einst in einem Hunde einen verstorbenen Freund
wieder erkannt haben! Nach Aelian und Plutarch glaubten die Anhänger dieser
Schule, daß das Erdbeben bewirkt werde, wenn die Todten Generalversammlung
hielten, und daß die Seelen der Gestorbenen weder Schatten warfen noch mit
den Augen zwinkerten.
Eine andere Frage, die bei der Berücksichtigung, welche die Neuzeit wieder
einmal der Naturgeschichte der Gespenster schenkt, nicht umgangen werden kann,
ist serner, in welchem Grade willfährig sich bei Griechen und Römern die
Geister gezeigt haben, dem Willen der Lebendigen zu gehorchen und auf be¬
liebiges Verlangen zu erscheinen? Und hieraus kann man dreist antworten,
daß bei den Alten ein viel regerer Verkehr zwischen Ober- und Unterwelt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |