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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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gestellt: Vergnügungsreisende, die dem doppelten komischen Contrast von Regen¬
wetter im Gebirge und Stellwagenpartie wehmüthig unterlegen sind. Die
Münchener kennen diese trüben Seiten der bayrischen Alpen, in denen sie ihren
Landsitz aufzuschlagen gewohnt sind, und haben diese Schilderung ihrer kleinen
Sommerleiden gut aufgenommen. Auch sonst ist viel Aufhebens von dem
Bilde gemacht worden; man hat in den Figuren nicht blos lebendige Indivi¬
duen gefunden, sondern selbst solche, die ihre ganze Lebensgeschichte auf dem
Gesichte tragen. In der That aber macht auch hier das Lächerliche der Situa¬
tion das ganze Bild aus, und es gehört ein besonderer Geschmack dazu, sich
in diese von der langweiligen Prosa der kleinbürgerlichen Existenz gedrückten
Menschen zu vertiefen, die dem Gelächter preisgegeben werden und selber an¬
zulanden nicht die geringste Lust haben. Eben hierin liegt ein Hauptunterschied
zwischen dem derartigen modernen und dem alten Sittenbild der Holländer:
die zerlumpten Zecher eines Ostade und Brouwer sind ganze Kerle, unzerstückte
Naturen, die in ihr Treiben ihr ganzes Wesen legen, und an denen man des¬
halb seine Freude hat, dazu selber frohe, lustige Subjecte, die sich nicht aus¬
lachen lassen, sondern mitlachen. Und ebenso verschieden, wie diese Auffassung,
ist die Darstellungsweise. Auch die enhuberschen Figuren haben etwas Zurecht¬
gemachtes, und es fehlt ihnen der wahre Zug des Lebens; dabei hat die Be¬
handlung etwas Peinliches und eine Trockenheit, die uns in das Gewöhnliche
des Motivs erst recht hinabzieht. -- Ueberhaupt gehört das Sittenbild der
Münchener Maler der älteren conventionellen Manier an, die für die Selb¬
ständigkeit der malerischen Erscheinung keinen Sinn hat und meistens in ihre
Figuren nur Leben zu bringen weiß, indem sie mit ihnen erzählt. -- Von eini¬
gen französischen Bildern dieser Gattung und dem ausländischen Sittenbild im
nächsten Artikel.




Gespensterspnk und Geisterzuiang bei Hellenen und Römern.

Obgleich die Verschiedenheit des Polytheismus und des Christenthums
gerade in den Vorstellungen über das Leben im Jenseits scharf an den Tag
tritt, so stimmt doch das Bild, welches sich der heutige Volksglaube von dem
Wesen und Aussehen eines seiner Kö.rperhülle entledigten Geistes macht, bei-


gestellt: Vergnügungsreisende, die dem doppelten komischen Contrast von Regen¬
wetter im Gebirge und Stellwagenpartie wehmüthig unterlegen sind. Die
Münchener kennen diese trüben Seiten der bayrischen Alpen, in denen sie ihren
Landsitz aufzuschlagen gewohnt sind, und haben diese Schilderung ihrer kleinen
Sommerleiden gut aufgenommen. Auch sonst ist viel Aufhebens von dem
Bilde gemacht worden; man hat in den Figuren nicht blos lebendige Indivi¬
duen gefunden, sondern selbst solche, die ihre ganze Lebensgeschichte auf dem
Gesichte tragen. In der That aber macht auch hier das Lächerliche der Situa¬
tion das ganze Bild aus, und es gehört ein besonderer Geschmack dazu, sich
in diese von der langweiligen Prosa der kleinbürgerlichen Existenz gedrückten
Menschen zu vertiefen, die dem Gelächter preisgegeben werden und selber an¬
zulanden nicht die geringste Lust haben. Eben hierin liegt ein Hauptunterschied
zwischen dem derartigen modernen und dem alten Sittenbild der Holländer:
die zerlumpten Zecher eines Ostade und Brouwer sind ganze Kerle, unzerstückte
Naturen, die in ihr Treiben ihr ganzes Wesen legen, und an denen man des¬
halb seine Freude hat, dazu selber frohe, lustige Subjecte, die sich nicht aus¬
lachen lassen, sondern mitlachen. Und ebenso verschieden, wie diese Auffassung,
ist die Darstellungsweise. Auch die enhuberschen Figuren haben etwas Zurecht¬
gemachtes, und es fehlt ihnen der wahre Zug des Lebens; dabei hat die Be¬
handlung etwas Peinliches und eine Trockenheit, die uns in das Gewöhnliche
des Motivs erst recht hinabzieht. — Ueberhaupt gehört das Sittenbild der
Münchener Maler der älteren conventionellen Manier an, die für die Selb¬
ständigkeit der malerischen Erscheinung keinen Sinn hat und meistens in ihre
Figuren nur Leben zu bringen weiß, indem sie mit ihnen erzählt. — Von eini¬
gen französischen Bildern dieser Gattung und dem ausländischen Sittenbild im
nächsten Artikel.




Gespensterspnk und Geisterzuiang bei Hellenen und Römern.

Obgleich die Verschiedenheit des Polytheismus und des Christenthums
gerade in den Vorstellungen über das Leben im Jenseits scharf an den Tag
tritt, so stimmt doch das Bild, welches sich der heutige Volksglaube von dem
Wesen und Aussehen eines seiner Kö.rperhülle entledigten Geistes macht, bei-


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[0262] gestellt: Vergnügungsreisende, die dem doppelten komischen Contrast von Regen¬ wetter im Gebirge und Stellwagenpartie wehmüthig unterlegen sind. Die Münchener kennen diese trüben Seiten der bayrischen Alpen, in denen sie ihren Landsitz aufzuschlagen gewohnt sind, und haben diese Schilderung ihrer kleinen Sommerleiden gut aufgenommen. Auch sonst ist viel Aufhebens von dem Bilde gemacht worden; man hat in den Figuren nicht blos lebendige Indivi¬ duen gefunden, sondern selbst solche, die ihre ganze Lebensgeschichte auf dem Gesichte tragen. In der That aber macht auch hier das Lächerliche der Situa¬ tion das ganze Bild aus, und es gehört ein besonderer Geschmack dazu, sich in diese von der langweiligen Prosa der kleinbürgerlichen Existenz gedrückten Menschen zu vertiefen, die dem Gelächter preisgegeben werden und selber an¬ zulanden nicht die geringste Lust haben. Eben hierin liegt ein Hauptunterschied zwischen dem derartigen modernen und dem alten Sittenbild der Holländer: die zerlumpten Zecher eines Ostade und Brouwer sind ganze Kerle, unzerstückte Naturen, die in ihr Treiben ihr ganzes Wesen legen, und an denen man des¬ halb seine Freude hat, dazu selber frohe, lustige Subjecte, die sich nicht aus¬ lachen lassen, sondern mitlachen. Und ebenso verschieden, wie diese Auffassung, ist die Darstellungsweise. Auch die enhuberschen Figuren haben etwas Zurecht¬ gemachtes, und es fehlt ihnen der wahre Zug des Lebens; dabei hat die Be¬ handlung etwas Peinliches und eine Trockenheit, die uns in das Gewöhnliche des Motivs erst recht hinabzieht. — Ueberhaupt gehört das Sittenbild der Münchener Maler der älteren conventionellen Manier an, die für die Selb¬ ständigkeit der malerischen Erscheinung keinen Sinn hat und meistens in ihre Figuren nur Leben zu bringen weiß, indem sie mit ihnen erzählt. — Von eini¬ gen französischen Bildern dieser Gattung und dem ausländischen Sittenbild im nächsten Artikel. Gespensterspnk und Geisterzuiang bei Hellenen und Römern. Obgleich die Verschiedenheit des Polytheismus und des Christenthums gerade in den Vorstellungen über das Leben im Jenseits scharf an den Tag tritt, so stimmt doch das Bild, welches sich der heutige Volksglaube von dem Wesen und Aussehen eines seiner Kö.rperhülle entledigten Geistes macht, bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/262>, abgerufen am 15.01.2025.