Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Handlung für den Laien etwas Bestechendes haben; aber dies lustige Treiben Natürlich hatte sich die Münchener Schule, die das moderne Sittenbild in Besonders reichlichen Stoff bietet den Münchener Malern das bayerische Handlung für den Laien etwas Bestechendes haben; aber dies lustige Treiben Natürlich hatte sich die Münchener Schule, die das moderne Sittenbild in Besonders reichlichen Stoff bietet den Münchener Malern das bayerische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116189"/> <p xml:id="ID_922" prev="#ID_921"> Handlung für den Laien etwas Bestechendes haben; aber dies lustige Treiben<lb/> läßt Einen kalt, da es den Gestalten an gesunder Realität und dem Ganzen<lb/> an der Freiheit der Darstellung gebricht, die ihm der Wurf des Lebens gäbe.</p><lb/> <p xml:id="ID_923"> Natürlich hatte sich die Münchener Schule, die das moderne Sittenbild in<lb/> einem anderen Charakter hält, in ihren besten Meistern eingefunden; wir kön¬<lb/> nen bei dem beschränkten Raume nur diese hervorheben. Sie suchen nament¬<lb/> lich die niederen Stände von ihrer harmlosen und gemüthlichen Seite zu fas¬<lb/> sen; die Aelteren, wie Klein und Bürkel begnügen sich selbst mit den ein¬<lb/> fachsten Motiven, mit Fuhrleuten, Schiffszügen u. dergl., die sie fast als<lb/> Staffage in eine Landschaft setzen: etwas steif und altfränkisch, bunt in der<lb/> Farbe und spitzig in der Behandlung haben sie wenig malerischen Reiz, doch<lb/> eine gewisse Natürlichkeit der Auffassung. Die Neueren dagegen suchen in grö¬<lb/> ßerem Maßstab ihre Figuren mehr zu Charakteren herauszubilden und nament¬<lb/> lich die komische Seite des niederen Lebens, die kleinen lächerlichen Conflicte<lb/> der noch von der Cultur unbeleckten oder halbbcleckten Welt zu fassen. Daß<lb/> sie dabei nur zu oft den Charakter der „Fliegenden Blätter" auf ihre Bilder<lb/> übertragen, ist eine alte Klage; eine lächerliche Situation kann sich im Holz¬<lb/> schnitt recht gut ausnehmen und im Oelbild unerträglich sein. Ein Humor, der<lb/> die Menschen in ihrem vollen, inneren Leben faßt und auf diese Folie die Ge¬<lb/> ringfügigkeit des Vorfalls hält, ist hier selten zu finden. Gewöhnlich gehen die<lb/> Individuen in dem kleinen Moment auf oder vielmehr unter; es spricht sich blos<lb/> der Witz von der Sache aus, und die Figuren an sich bleiben leer und gleich-<lb/> giltig. Dieser rein äußerlichen Auffassung entspricht die Behandlung, die durch¬<lb/> aus auf der Zufälligkeit eines mehr oder minder durchgeführten Naturstudiums<lb/> beruht; ebenso fehlt es an dem Reiz einer eigenthümlichen coloristischen Stim¬<lb/> mung. Ein gewisses Geschick wenigstens haben Hanno v. Rhomberg und<lb/> R. S. Zimmermann. Ein feinerer Sinn für künstlerische Darstellung und<lb/> eine tiefere Komik, welche den Charakter der ganzen Person trifft, ist in dem<lb/> sorgfältig ausgeführten Bildchen von Hermann Dyk („eine Deputation"):<lb/> die bürgerlichen Philister in ihrem Audicnzcostüm sind wirklich nach dem Leben.<lb/> Dasselbe gilt von den Würfelspielern in einer Winkelkneipe von A. Seitz,<lb/> der zudem die gut charakterisirten Figürchen in einem feinen harmonischen Ton<lb/> gehalten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_924" next="#ID_925"> Besonders reichlichen Stoff bietet den Münchener Malern das bayerische<lb/> Gebirge, dessen Volksstamm noch etwas Urwüchsiges und einen — auch in der<lb/> Tracht — national ausgeprägten Charakter hat. Diese Bauern , Sennhütten,<lb/> Gebirgsjoppen und Wirthsstuben geben eine unerschöpfliche Fundgrube ab oder<lb/> wenigstens ein Thema zu endlosen Variationen. Diesmal jedoch hat C. v. En-<lb/> huber, der in dieser Welt zu Hause ist und ihren Charakter noch am besten<lb/> zu treffen weiß, nicht Bauern, sondern eine Anzahl Städter in jene Scenerie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
Handlung für den Laien etwas Bestechendes haben; aber dies lustige Treiben
läßt Einen kalt, da es den Gestalten an gesunder Realität und dem Ganzen
an der Freiheit der Darstellung gebricht, die ihm der Wurf des Lebens gäbe.
Natürlich hatte sich die Münchener Schule, die das moderne Sittenbild in
einem anderen Charakter hält, in ihren besten Meistern eingefunden; wir kön¬
nen bei dem beschränkten Raume nur diese hervorheben. Sie suchen nament¬
lich die niederen Stände von ihrer harmlosen und gemüthlichen Seite zu fas¬
sen; die Aelteren, wie Klein und Bürkel begnügen sich selbst mit den ein¬
fachsten Motiven, mit Fuhrleuten, Schiffszügen u. dergl., die sie fast als
Staffage in eine Landschaft setzen: etwas steif und altfränkisch, bunt in der
Farbe und spitzig in der Behandlung haben sie wenig malerischen Reiz, doch
eine gewisse Natürlichkeit der Auffassung. Die Neueren dagegen suchen in grö¬
ßerem Maßstab ihre Figuren mehr zu Charakteren herauszubilden und nament¬
lich die komische Seite des niederen Lebens, die kleinen lächerlichen Conflicte
der noch von der Cultur unbeleckten oder halbbcleckten Welt zu fassen. Daß
sie dabei nur zu oft den Charakter der „Fliegenden Blätter" auf ihre Bilder
übertragen, ist eine alte Klage; eine lächerliche Situation kann sich im Holz¬
schnitt recht gut ausnehmen und im Oelbild unerträglich sein. Ein Humor, der
die Menschen in ihrem vollen, inneren Leben faßt und auf diese Folie die Ge¬
ringfügigkeit des Vorfalls hält, ist hier selten zu finden. Gewöhnlich gehen die
Individuen in dem kleinen Moment auf oder vielmehr unter; es spricht sich blos
der Witz von der Sache aus, und die Figuren an sich bleiben leer und gleich-
giltig. Dieser rein äußerlichen Auffassung entspricht die Behandlung, die durch¬
aus auf der Zufälligkeit eines mehr oder minder durchgeführten Naturstudiums
beruht; ebenso fehlt es an dem Reiz einer eigenthümlichen coloristischen Stim¬
mung. Ein gewisses Geschick wenigstens haben Hanno v. Rhomberg und
R. S. Zimmermann. Ein feinerer Sinn für künstlerische Darstellung und
eine tiefere Komik, welche den Charakter der ganzen Person trifft, ist in dem
sorgfältig ausgeführten Bildchen von Hermann Dyk („eine Deputation"):
die bürgerlichen Philister in ihrem Audicnzcostüm sind wirklich nach dem Leben.
Dasselbe gilt von den Würfelspielern in einer Winkelkneipe von A. Seitz,
der zudem die gut charakterisirten Figürchen in einem feinen harmonischen Ton
gehalten hat.
Besonders reichlichen Stoff bietet den Münchener Malern das bayerische
Gebirge, dessen Volksstamm noch etwas Urwüchsiges und einen — auch in der
Tracht — national ausgeprägten Charakter hat. Diese Bauern , Sennhütten,
Gebirgsjoppen und Wirthsstuben geben eine unerschöpfliche Fundgrube ab oder
wenigstens ein Thema zu endlosen Variationen. Diesmal jedoch hat C. v. En-
huber, der in dieser Welt zu Hause ist und ihren Charakter noch am besten
zu treffen weiß, nicht Bauern, sondern eine Anzahl Städter in jene Scenerie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |