Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.hat Nikutowsky lebendig wiederzugeben verstanden, in der einfach naturalistischen Was sonst von dieser Gattung ausgestellt war, hatte das Ausland ge¬ hat Nikutowsky lebendig wiederzugeben verstanden, in der einfach naturalistischen Was sonst von dieser Gattung ausgestellt war, hatte das Ausland ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116186"/> <p xml:id="ID_916" prev="#ID_915"> hat Nikutowsky lebendig wiederzugeben verstanden, in der einfach naturalistischen<lb/> Weise, die bei der Behandlung solcher Stoffe Lessing und seinen Schülern eigen<lb/> ist. Bekanntlich will diese Richtung, um jeder hergebrachten Manier zu entgehen<lb/> und sich von fremden Einflüssen frei zu halten, in der Erscheinung nur die<lb/> Wahrheit der Natur geben und verschmäht daher die selbständige Schönheit so¬<lb/> wohl der künstlerischen Gestaltung als des malerischen Scheins; sie> nimmt so<lb/> eine mittlere Stellung ein zwischen der älteren conventionellen Kunst und den<lb/> Neueren. Der gerade Ernst der Auffassung und eine gewisse Tüchtigkeit des<lb/> Naturstudiums, welche diese Schule kennzeichnen, finden sich auch in dem Werke<lb/> Nikutowskys. Aber da die Anschauung, welche die Natur nach künstlerischen<lb/> Gesetzen in eine ideale Welt umbildet, fehlt — sie soll ja fehlen — so ist in<lb/> der Anordnung und den Linien eine Zufälligkeit, in den Formen etwas Derbes<lb/> und Grobes, im Colorit eine Herbheit und Schärfe, wodurch der Genuß des<lb/> Bildes als eines Kunstwerkes mehr als zweifelhaft wird. Es ist ein seltsames<lb/> Bestreben, die Natur durch Kunst wiedergeben und dabei doch von dem. was<lb/> das Wesen der Kunst ausmacht, absehen zu wollen; man will die Natur mit<lb/> ganz wahren, ihr hingegebenen Augen sehen und kann doch nicht hindern, daß<lb/> sich die eigenartige Anschauung einmischt. — In einem Bilde von C. Haeber-<lb/> lin, einem Schüler Pilolys, die Aushebung eines Klosters im Würtembergischen,<lb/> läßt der Vorgang an sich gleichgiltig, doch kann allenfalls der Contrast der<lb/> einen Lebensform mit der andern, der abziehenden Brüder mit den protestan¬<lb/> tischen Kriegsleuten von Interesse sein. Eine gewisse Frische der Auffassung<lb/> und Anlage zur Charakteristik ist dem Werke nicht abzusprechen; doch drängt<lb/> sich auch hier in der Weise Pilotys das Behagen an der ganz äußerlichen<lb/> Erscheinungsweise, am körperhaften Schein von Costume und Geräthe ein¬<lb/> seitig vor.</p><lb/> <p xml:id="ID_917" next="#ID_918"> Was sonst von dieser Gattung ausgestellt war, hatte das Ausland ge¬<lb/> schickt. Diesmal hatte die deutsche Kunst den Vergleich nicht zu scheuen; die<lb/> Bilder waren nicht von Belang, Es scheint, wie wenn nun auch auswärts<lb/> die bessern Kräfte sich diesem Felde weniger zuwenden. In der That, vor der¬<lb/> artigen Bildern, zu deren Verständniß es des Katalogs und überdies einer Er¬<lb/> klärung bedarf, steht der Beschauer mit einem gewissen Befremden; und sollte<lb/> der Maler zu seinem Motiv nicht in einem ähnlichen ungünstigen Verhältniß<lb/> gestanden haben? Ein Bild von Claudius Jacquand. der sich übrigens<lb/> in Frankreich schon überlebt hat, einem Nachkömmling der alten lyoner Schule,<lb/> welche das Mure g.uöeäotiliu6 mit vorwiegend antiquarischen Interesse pflegte,<lb/> ist ein wahres Muster von naiver UnVerständlichkeit, das selbst dem ernstesten<lb/> Versuche, mittels der langen Erklärung aus dem Dinge klug zu werden, wider¬<lb/> strebt; auch ist offenbar das Thun und Treiben der leblosen Figuren gleich-<lb/> giltig. dagegen das mannigfache Hausgeräthe und der Kleiderschnitt die Haupt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
hat Nikutowsky lebendig wiederzugeben verstanden, in der einfach naturalistischen
Weise, die bei der Behandlung solcher Stoffe Lessing und seinen Schülern eigen
ist. Bekanntlich will diese Richtung, um jeder hergebrachten Manier zu entgehen
und sich von fremden Einflüssen frei zu halten, in der Erscheinung nur die
Wahrheit der Natur geben und verschmäht daher die selbständige Schönheit so¬
wohl der künstlerischen Gestaltung als des malerischen Scheins; sie> nimmt so
eine mittlere Stellung ein zwischen der älteren conventionellen Kunst und den
Neueren. Der gerade Ernst der Auffassung und eine gewisse Tüchtigkeit des
Naturstudiums, welche diese Schule kennzeichnen, finden sich auch in dem Werke
Nikutowskys. Aber da die Anschauung, welche die Natur nach künstlerischen
Gesetzen in eine ideale Welt umbildet, fehlt — sie soll ja fehlen — so ist in
der Anordnung und den Linien eine Zufälligkeit, in den Formen etwas Derbes
und Grobes, im Colorit eine Herbheit und Schärfe, wodurch der Genuß des
Bildes als eines Kunstwerkes mehr als zweifelhaft wird. Es ist ein seltsames
Bestreben, die Natur durch Kunst wiedergeben und dabei doch von dem. was
das Wesen der Kunst ausmacht, absehen zu wollen; man will die Natur mit
ganz wahren, ihr hingegebenen Augen sehen und kann doch nicht hindern, daß
sich die eigenartige Anschauung einmischt. — In einem Bilde von C. Haeber-
lin, einem Schüler Pilolys, die Aushebung eines Klosters im Würtembergischen,
läßt der Vorgang an sich gleichgiltig, doch kann allenfalls der Contrast der
einen Lebensform mit der andern, der abziehenden Brüder mit den protestan¬
tischen Kriegsleuten von Interesse sein. Eine gewisse Frische der Auffassung
und Anlage zur Charakteristik ist dem Werke nicht abzusprechen; doch drängt
sich auch hier in der Weise Pilotys das Behagen an der ganz äußerlichen
Erscheinungsweise, am körperhaften Schein von Costume und Geräthe ein¬
seitig vor.
Was sonst von dieser Gattung ausgestellt war, hatte das Ausland ge¬
schickt. Diesmal hatte die deutsche Kunst den Vergleich nicht zu scheuen; die
Bilder waren nicht von Belang, Es scheint, wie wenn nun auch auswärts
die bessern Kräfte sich diesem Felde weniger zuwenden. In der That, vor der¬
artigen Bildern, zu deren Verständniß es des Katalogs und überdies einer Er¬
klärung bedarf, steht der Beschauer mit einem gewissen Befremden; und sollte
der Maler zu seinem Motiv nicht in einem ähnlichen ungünstigen Verhältniß
gestanden haben? Ein Bild von Claudius Jacquand. der sich übrigens
in Frankreich schon überlebt hat, einem Nachkömmling der alten lyoner Schule,
welche das Mure g.uöeäotiliu6 mit vorwiegend antiquarischen Interesse pflegte,
ist ein wahres Muster von naiver UnVerständlichkeit, das selbst dem ernstesten
Versuche, mittels der langen Erklärung aus dem Dinge klug zu werden, wider¬
strebt; auch ist offenbar das Thun und Treiben der leblosen Figuren gleich-
giltig. dagegen das mannigfache Hausgeräthe und der Kleiderschnitt die Haupt-
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