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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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gehaltene Waldlandschaft. Hier lebt und glüht Alles im zarten ticfgehaltenen
Ton des Abendliches; in der üppigen Vegetation ist die Wucht einer
schöpferischen Natur, in den Erbformen die feine Bewegung des Südens, und
die Stimmung des Ganzen ist durch eine Nymphe, die in sich versunken an
der durchrieselnden Quelle ruht, treffend herausgeholfn. Aber schon hier sucht
Böcklin die Wirkung durch die äußersten Mittel zu steigern; das Abendroth
bricht im Hintergrunde an mehr Stellen durch, als für die geschlossene Ein¬
heit der Komposition gut ist. und der Vordergrund ist so dunkel gehalten, daß
Formen und Farben sich kaum noch unterscheiden lassen. Leider ist Böcklin
später von jener schönen Naturanschauung abgegangen, um durch seltsame
Darstellungen, welche die Landschaft als den Schauplatz phantastischer Vor¬
gänge behandeln und allerdings derartige Stimmungen mit feinem Gefühl in
derselben durchführen, den Beschauer zu überraschen. Wie früher sein Pan.
der einen Hirten erschreckt, ist nun auch sein Anachoret, der sich auf einer
wildbewachsenen Felsenwand, üher welcher die Raben auffliegen, den nackten
Rücken geißelt, ein abenteuerliches Bild. Das Barocke der Staffage, welche
anspruchsvoll heraustritt und anstatt die landschaftliche Stimmung einfach zu
begleiten, sie vielmehr von sich aus bestimmt, geht auch auf die Landschaft
über, es lst eine fremdartige uinvirtbliche Natur, welche uns Böcklin in solchen
Bildern vorführt, und dabei meistens nicht ein geschlossenes Ganze, sondern
ein abgerissenes Stück, dem scho>! deshalb die ruhige Wirkung fehlt. Die
malerische Behandlung, die Art, wie die Töne zusammengestimmt sind und
Alles in einem eigenthümlichen Lichte schwebt, zeugen von viel Talent und
künstlerischem Sinn; aber die ganze Erscheinung hat im Colorit etwas Ueber-
reiztes, das phantastisch Seltsame des Motivs klingt auch im Ton wieder, in
dem das Ganze gehalten ist. An solchen Bildern läßt sich leine rechte Freude
haben; sie sind als Studien sehr bemerkenswerth und anziehend, ader sie
tragen zu sehr das Gepräge eigenwilliger Laune und gesuchter Originalität,
um uns den Genuß eines wirklichen Kunstwerkes zu gewähren. Ebenso be¬
gabt wie als Landschafter zeigt sich Böcklin in dem Brustbild einer Römerin
als Figurenmaler: der Kopf ist in der Form fest und sicher, fein im Colorit
und im Charakter energisch ausgeprägt, das moderne Gewand im Sinne der
großen Meister behandelt. Allein auch hier kehrt das Abenteuerliche wieder;
die Figur, sammt, dem bunten Hintergrunde in vollem Licht gehalten, soll wohl
an antike Wachsmalerei erinnern und macht so Anspruch auf eine gewisse
Idealität, während andererseits die Körperbildung in einer fast unschönen Weise
an die reale Natur anlehnt und auch im Kopfe die individuelle Bildung des
Auges peinlich wiedergegeben ist.

Zu dieser kleinen Gruppe von Künstlern ließe sich noch der eine und andere
Genre- und Landschaftsmaler rechnen, doch besprechen wir dieselben, wo von


gehaltene Waldlandschaft. Hier lebt und glüht Alles im zarten ticfgehaltenen
Ton des Abendliches; in der üppigen Vegetation ist die Wucht einer
schöpferischen Natur, in den Erbformen die feine Bewegung des Südens, und
die Stimmung des Ganzen ist durch eine Nymphe, die in sich versunken an
der durchrieselnden Quelle ruht, treffend herausgeholfn. Aber schon hier sucht
Böcklin die Wirkung durch die äußersten Mittel zu steigern; das Abendroth
bricht im Hintergrunde an mehr Stellen durch, als für die geschlossene Ein¬
heit der Komposition gut ist. und der Vordergrund ist so dunkel gehalten, daß
Formen und Farben sich kaum noch unterscheiden lassen. Leider ist Böcklin
später von jener schönen Naturanschauung abgegangen, um durch seltsame
Darstellungen, welche die Landschaft als den Schauplatz phantastischer Vor¬
gänge behandeln und allerdings derartige Stimmungen mit feinem Gefühl in
derselben durchführen, den Beschauer zu überraschen. Wie früher sein Pan.
der einen Hirten erschreckt, ist nun auch sein Anachoret, der sich auf einer
wildbewachsenen Felsenwand, üher welcher die Raben auffliegen, den nackten
Rücken geißelt, ein abenteuerliches Bild. Das Barocke der Staffage, welche
anspruchsvoll heraustritt und anstatt die landschaftliche Stimmung einfach zu
begleiten, sie vielmehr von sich aus bestimmt, geht auch auf die Landschaft
über, es lst eine fremdartige uinvirtbliche Natur, welche uns Böcklin in solchen
Bildern vorführt, und dabei meistens nicht ein geschlossenes Ganze, sondern
ein abgerissenes Stück, dem scho>! deshalb die ruhige Wirkung fehlt. Die
malerische Behandlung, die Art, wie die Töne zusammengestimmt sind und
Alles in einem eigenthümlichen Lichte schwebt, zeugen von viel Talent und
künstlerischem Sinn; aber die ganze Erscheinung hat im Colorit etwas Ueber-
reiztes, das phantastisch Seltsame des Motivs klingt auch im Ton wieder, in
dem das Ganze gehalten ist. An solchen Bildern läßt sich leine rechte Freude
haben; sie sind als Studien sehr bemerkenswerth und anziehend, ader sie
tragen zu sehr das Gepräge eigenwilliger Laune und gesuchter Originalität,
um uns den Genuß eines wirklichen Kunstwerkes zu gewähren. Ebenso be¬
gabt wie als Landschafter zeigt sich Böcklin in dem Brustbild einer Römerin
als Figurenmaler: der Kopf ist in der Form fest und sicher, fein im Colorit
und im Charakter energisch ausgeprägt, das moderne Gewand im Sinne der
großen Meister behandelt. Allein auch hier kehrt das Abenteuerliche wieder;
die Figur, sammt, dem bunten Hintergrunde in vollem Licht gehalten, soll wohl
an antike Wachsmalerei erinnern und macht so Anspruch auf eine gewisse
Idealität, während andererseits die Körperbildung in einer fast unschönen Weise
an die reale Natur anlehnt und auch im Kopfe die individuelle Bildung des
Auges peinlich wiedergegeben ist.

Zu dieser kleinen Gruppe von Künstlern ließe sich noch der eine und andere
Genre- und Landschaftsmaler rechnen, doch besprechen wir dieselben, wo von


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[0253] gehaltene Waldlandschaft. Hier lebt und glüht Alles im zarten ticfgehaltenen Ton des Abendliches; in der üppigen Vegetation ist die Wucht einer schöpferischen Natur, in den Erbformen die feine Bewegung des Südens, und die Stimmung des Ganzen ist durch eine Nymphe, die in sich versunken an der durchrieselnden Quelle ruht, treffend herausgeholfn. Aber schon hier sucht Böcklin die Wirkung durch die äußersten Mittel zu steigern; das Abendroth bricht im Hintergrunde an mehr Stellen durch, als für die geschlossene Ein¬ heit der Komposition gut ist. und der Vordergrund ist so dunkel gehalten, daß Formen und Farben sich kaum noch unterscheiden lassen. Leider ist Böcklin später von jener schönen Naturanschauung abgegangen, um durch seltsame Darstellungen, welche die Landschaft als den Schauplatz phantastischer Vor¬ gänge behandeln und allerdings derartige Stimmungen mit feinem Gefühl in derselben durchführen, den Beschauer zu überraschen. Wie früher sein Pan. der einen Hirten erschreckt, ist nun auch sein Anachoret, der sich auf einer wildbewachsenen Felsenwand, üher welcher die Raben auffliegen, den nackten Rücken geißelt, ein abenteuerliches Bild. Das Barocke der Staffage, welche anspruchsvoll heraustritt und anstatt die landschaftliche Stimmung einfach zu begleiten, sie vielmehr von sich aus bestimmt, geht auch auf die Landschaft über, es lst eine fremdartige uinvirtbliche Natur, welche uns Böcklin in solchen Bildern vorführt, und dabei meistens nicht ein geschlossenes Ganze, sondern ein abgerissenes Stück, dem scho>! deshalb die ruhige Wirkung fehlt. Die malerische Behandlung, die Art, wie die Töne zusammengestimmt sind und Alles in einem eigenthümlichen Lichte schwebt, zeugen von viel Talent und künstlerischem Sinn; aber die ganze Erscheinung hat im Colorit etwas Ueber- reiztes, das phantastisch Seltsame des Motivs klingt auch im Ton wieder, in dem das Ganze gehalten ist. An solchen Bildern läßt sich leine rechte Freude haben; sie sind als Studien sehr bemerkenswerth und anziehend, ader sie tragen zu sehr das Gepräge eigenwilliger Laune und gesuchter Originalität, um uns den Genuß eines wirklichen Kunstwerkes zu gewähren. Ebenso be¬ gabt wie als Landschafter zeigt sich Böcklin in dem Brustbild einer Römerin als Figurenmaler: der Kopf ist in der Form fest und sicher, fein im Colorit und im Charakter energisch ausgeprägt, das moderne Gewand im Sinne der großen Meister behandelt. Allein auch hier kehrt das Abenteuerliche wieder; die Figur, sammt, dem bunten Hintergrunde in vollem Licht gehalten, soll wohl an antike Wachsmalerei erinnern und macht so Anspruch auf eine gewisse Idealität, während andererseits die Körperbildung in einer fast unschönen Weise an die reale Natur anlehnt und auch im Kopfe die individuelle Bildung des Auges peinlich wiedergegeben ist. Zu dieser kleinen Gruppe von Künstlern ließe sich noch der eine und andere Genre- und Landschaftsmaler rechnen, doch besprechen wir dieselben, wo von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/253>, abgerufen am 15.01.2025.