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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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finden kann. Eine zwerghaft kleine Dame, in Hellem Damastkleide rauscht
an ihnen vorüber, von beiden ehrfurchtsvoll gegrüßt; es ist die Fürstin Corsini,
an der nichts bemerkenswerth ist als der Helm von Brillanten, der ihr Haupt
bedeckt, und die sechzehnfachc Perlenschnur, die wie ein Panzerträger sich um ihre
Schultern legt. Wer diese Frau besitzt, der hat wirklich einen Schatz.

Die Herzogin von Sermvncta, im andern Zimmer an der Thüre postirt,
ist von Engländern umgeben, die in devotester Weise sich um sie bemühn. --
Es ist merkwürdig, wie die p°olitisch freieste Nation der Well von dem Glänze
eines adeligen Namens und bevorzugter geselliger Stellung geblendet wird und
vor ihr sich bis zu einem Grade beugt, den man servil und unwürdig nennen
muß. -- Ein kurzer, dicker, jovial aussehender Herr in preußischer Generals¬
uniform tritt unter Verbeugungen auf die Herzogin zu, drei schlanke junge
Männer folgen ihm; es ist der nach der Entfernung des unglücklichen Canitz
hierherberufene preußische Gesandte Genera to. Willisen mit den Attaches seiner
Gesandtschaft. Kaum hat er die Dame begrüßt, als ein Herr in goldgestickter
Uniform, den rothen Großcordon über der Schulter, sich seiner bemächtigt.
Man würde unrecht thun, von seinem Gesicht auf sein Inneres zu schließen;
denn wir haben den gelehrten Diplomaten Alfred von Reumont vor uns, der
soeben den Italienern in einem katalogischen Werke alle Deutschen vorführte,
die jemals über italienische Sprache, Geschichte, Literatur, Kunst und Wissen¬
schaft geschrieben haben, und der sich in das Italienisch so eingewöhnt hat,
daß die Academie in Florenz clvlla Lruses. ihn zu ihrem Mitglied ernannte.

Eine neue Erscheinung fesselt uns. Dieses magere Gesicht mit der stark
hervortretenden Nase und mit langen, mähnenartigen, theilweise schon er¬
grauten Haaren umsäumt, meinen wir schon zu kennen, und in der That,
es ist niemand anders als Franz Liszt. den sich dermalen in Rom .aufhält,
wie man sagt, um seine schon seit Jahren schwebende Heirathsangelegcn-
hcit zu betreiben und, wie er selbst sich äußert, deutsche Musik und deutsche
Musiker zu vergessen. In der That hat er den Künstler hier bei Seite ge¬
schoben, .wenigstens öffentlich; in der Gesellschaft tritt er nur als Hofmann
auf, und die vielen Orden, die seine Brust bedecken, kommen ihm bei dieser
Rolle sehr zu statten. Noch immer ist er der erste Beherrscher des Flügels.
Aber sein glänzendes Spiel zu hören, ist hartnäckig dem großen Publicum ver¬
sagt geblieben; nur Se. Heiligkeit und deren Würdenträger nebst einigen ver¬
trautesten Freunden, würdigt er noch dieses Genusses. Sein vorzüglichster Um¬
gang ist die hohe katholische Geistlichkeit, Cardinäle und Monsignori. Er scheint
sein Ehrenfranziskanertbum durch die That bestätigen zu wollen; denn seine
letzte Messe soll er bereits in der Kutte dirigirt haben. -- Zwei Herrn bilden
hier^ wie überall sein Gefolge, der eine, ein junger,' hektisch aussehender
Mann, ist der Concspondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung in Rom,


finden kann. Eine zwerghaft kleine Dame, in Hellem Damastkleide rauscht
an ihnen vorüber, von beiden ehrfurchtsvoll gegrüßt; es ist die Fürstin Corsini,
an der nichts bemerkenswerth ist als der Helm von Brillanten, der ihr Haupt
bedeckt, und die sechzehnfachc Perlenschnur, die wie ein Panzerträger sich um ihre
Schultern legt. Wer diese Frau besitzt, der hat wirklich einen Schatz.

Die Herzogin von Sermvncta, im andern Zimmer an der Thüre postirt,
ist von Engländern umgeben, die in devotester Weise sich um sie bemühn. —
Es ist merkwürdig, wie die p°olitisch freieste Nation der Well von dem Glänze
eines adeligen Namens und bevorzugter geselliger Stellung geblendet wird und
vor ihr sich bis zu einem Grade beugt, den man servil und unwürdig nennen
muß. — Ein kurzer, dicker, jovial aussehender Herr in preußischer Generals¬
uniform tritt unter Verbeugungen auf die Herzogin zu, drei schlanke junge
Männer folgen ihm; es ist der nach der Entfernung des unglücklichen Canitz
hierherberufene preußische Gesandte Genera to. Willisen mit den Attaches seiner
Gesandtschaft. Kaum hat er die Dame begrüßt, als ein Herr in goldgestickter
Uniform, den rothen Großcordon über der Schulter, sich seiner bemächtigt.
Man würde unrecht thun, von seinem Gesicht auf sein Inneres zu schließen;
denn wir haben den gelehrten Diplomaten Alfred von Reumont vor uns, der
soeben den Italienern in einem katalogischen Werke alle Deutschen vorführte,
die jemals über italienische Sprache, Geschichte, Literatur, Kunst und Wissen¬
schaft geschrieben haben, und der sich in das Italienisch so eingewöhnt hat,
daß die Academie in Florenz clvlla Lruses. ihn zu ihrem Mitglied ernannte.

Eine neue Erscheinung fesselt uns. Dieses magere Gesicht mit der stark
hervortretenden Nase und mit langen, mähnenartigen, theilweise schon er¬
grauten Haaren umsäumt, meinen wir schon zu kennen, und in der That,
es ist niemand anders als Franz Liszt. den sich dermalen in Rom .aufhält,
wie man sagt, um seine schon seit Jahren schwebende Heirathsangelegcn-
hcit zu betreiben und, wie er selbst sich äußert, deutsche Musik und deutsche
Musiker zu vergessen. In der That hat er den Künstler hier bei Seite ge¬
schoben, .wenigstens öffentlich; in der Gesellschaft tritt er nur als Hofmann
auf, und die vielen Orden, die seine Brust bedecken, kommen ihm bei dieser
Rolle sehr zu statten. Noch immer ist er der erste Beherrscher des Flügels.
Aber sein glänzendes Spiel zu hören, ist hartnäckig dem großen Publicum ver¬
sagt geblieben; nur Se. Heiligkeit und deren Würdenträger nebst einigen ver¬
trautesten Freunden, würdigt er noch dieses Genusses. Sein vorzüglichster Um¬
gang ist die hohe katholische Geistlichkeit, Cardinäle und Monsignori. Er scheint
sein Ehrenfranziskanertbum durch die That bestätigen zu wollen; denn seine
letzte Messe soll er bereits in der Kutte dirigirt haben. — Zwei Herrn bilden
hier^ wie überall sein Gefolge, der eine, ein junger,' hektisch aussehender
Mann, ist der Concspondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung in Rom,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/246>, abgerufen am 15.01.2025.