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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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schaft. die sich sonst selten öffentlich zeigt, einmal im vollen Glänze zu sehn.
So machte ich mich denn auch mit einem Bekannten auf. und wir nahmen
uns vor, Cardinal Pentini die Ehre unsrer Gegenwart zu schenken, da wir
dort die interessanteste Gesellschaft zu finden hofften. Der Palast lag an einem
kleinen, unregelmäßigen Platze, zu dem nur enge krumme Straßen führten.
Schon auf dem Wege dahin sahen wir die Menge der Wagen immer wachsen
und Queue machen. Wollten wir nicht eine Stunde warten, so mußten wir
zu Fuße gehn und uns zwischen den Rädern und Pferdcbeincn hindurch unsern
Weg bahnen. So gelangten wir unter vielen Fährlichkeiten, getreten, überfahren,
wenigstens mit Schmutz bespritzt zu werden, unter Fluchen, Toben und Rippen¬
stößen verhältnißmäßig schnell zu dem Palast. Die rothen Carossen füllten den
ganzen Hof. Auf dem Platze waren zwei Tribünen errichtet, von denen Musik-
banden in die stille Nacht hineinschmcttcrten, neugieriges Volk sah zu und
übertäubte den Lärm der Trompeten mit Schreien und Lachen. Auf der Treppe,
die mit Blumen geschmückt war, ein fürchterliches Gedränge von rothunifor-
mirten Offizieren, goldgestickten Diplomaten, Damen in Diamanten und Sam¬
metkleidern, Priestern in rothen und violetten Strümpfen, galonirten Bedienten
mit Wachskerzen. Stolze, fürstliche Namen wurden hinauf- und herabgerufen.
dort verlangte einer nach seinem Wagen, der vielleicht drei Straßen weit ent¬
fernt war, dort eine Dame nach ihrem Ueberwurf, den Gott weiß wer hatte
aufheben wollen, dort Einer nach seinem Hute, mit dem vielleicht ein Anderer
schon vor einer Stunde weggegangen war. Mit Mühe arbeiteten wir uns
empor, und gaben unsre Karten ab, worauf dann unsre Namen in grauenvoller
Verunstaltung von Mund zu Mund gerufen wurden , bis sie an das Ohr Sr.
Eminenz gelangten. Endlich traten wir in den Saal. Cardinal Pentini stand
an der Thüre. Statt der Svttana trug er einen schwarzen Taffetübcrwurf. auf
dem grauen Haar faß ein rothes Käppchen. Ein feines, bewegliches, altes
Männchen, mit zarten sprechenden Zügen. Bald vertraulicher, bald kälter grüßt
er die Hereinkommenden, drückt dem die Hand, winkt einem andern, blinzelt
einem dritten zu, spricht bald scherzhaft, bald ernsthaft; er erfüllt die Pflichten
des Wirths in ganz wunderbarer Weise, ausgenommen freilich, daß für mate¬
rielle Bedürfnisse nicht die geringste Vorkehrung getroffen war.

Nachdem wir unsre Verbeugung gemacht, sehn wir uns im Saale um.
Selten wird man wohl eine äußerlich glänzendere Gesellschaft finden, selten
eine solche bunte Mischung der Farben, ein solches Meer von Diamanten, so
viel strahlende Uniformen, soviel vornehme und berühmte Namen, so viel
charakteristische, fremdartige Erscheinungen. Alle Nationen hatten ihr Theil
hier vertreten. Italiener, Franzosen, Engländer. Deutsche, Russen, Ameri¬
kaner, es war die kosmopolitischeste Gesellschaft, die ich je gesehen.

Doch wir suchen uns zu orientiren. Der große Saal, in dem der Car-


schaft. die sich sonst selten öffentlich zeigt, einmal im vollen Glänze zu sehn.
So machte ich mich denn auch mit einem Bekannten auf. und wir nahmen
uns vor, Cardinal Pentini die Ehre unsrer Gegenwart zu schenken, da wir
dort die interessanteste Gesellschaft zu finden hofften. Der Palast lag an einem
kleinen, unregelmäßigen Platze, zu dem nur enge krumme Straßen führten.
Schon auf dem Wege dahin sahen wir die Menge der Wagen immer wachsen
und Queue machen. Wollten wir nicht eine Stunde warten, so mußten wir
zu Fuße gehn und uns zwischen den Rädern und Pferdcbeincn hindurch unsern
Weg bahnen. So gelangten wir unter vielen Fährlichkeiten, getreten, überfahren,
wenigstens mit Schmutz bespritzt zu werden, unter Fluchen, Toben und Rippen¬
stößen verhältnißmäßig schnell zu dem Palast. Die rothen Carossen füllten den
ganzen Hof. Auf dem Platze waren zwei Tribünen errichtet, von denen Musik-
banden in die stille Nacht hineinschmcttcrten, neugieriges Volk sah zu und
übertäubte den Lärm der Trompeten mit Schreien und Lachen. Auf der Treppe,
die mit Blumen geschmückt war, ein fürchterliches Gedränge von rothunifor-
mirten Offizieren, goldgestickten Diplomaten, Damen in Diamanten und Sam¬
metkleidern, Priestern in rothen und violetten Strümpfen, galonirten Bedienten
mit Wachskerzen. Stolze, fürstliche Namen wurden hinauf- und herabgerufen.
dort verlangte einer nach seinem Wagen, der vielleicht drei Straßen weit ent¬
fernt war, dort eine Dame nach ihrem Ueberwurf, den Gott weiß wer hatte
aufheben wollen, dort Einer nach seinem Hute, mit dem vielleicht ein Anderer
schon vor einer Stunde weggegangen war. Mit Mühe arbeiteten wir uns
empor, und gaben unsre Karten ab, worauf dann unsre Namen in grauenvoller
Verunstaltung von Mund zu Mund gerufen wurden , bis sie an das Ohr Sr.
Eminenz gelangten. Endlich traten wir in den Saal. Cardinal Pentini stand
an der Thüre. Statt der Svttana trug er einen schwarzen Taffetübcrwurf. auf
dem grauen Haar faß ein rothes Käppchen. Ein feines, bewegliches, altes
Männchen, mit zarten sprechenden Zügen. Bald vertraulicher, bald kälter grüßt
er die Hereinkommenden, drückt dem die Hand, winkt einem andern, blinzelt
einem dritten zu, spricht bald scherzhaft, bald ernsthaft; er erfüllt die Pflichten
des Wirths in ganz wunderbarer Weise, ausgenommen freilich, daß für mate¬
rielle Bedürfnisse nicht die geringste Vorkehrung getroffen war.

Nachdem wir unsre Verbeugung gemacht, sehn wir uns im Saale um.
Selten wird man wohl eine äußerlich glänzendere Gesellschaft finden, selten
eine solche bunte Mischung der Farben, ein solches Meer von Diamanten, so
viel strahlende Uniformen, soviel vornehme und berühmte Namen, so viel
charakteristische, fremdartige Erscheinungen. Alle Nationen hatten ihr Theil
hier vertreten. Italiener, Franzosen, Engländer. Deutsche, Russen, Ameri¬
kaner, es war die kosmopolitischeste Gesellschaft, die ich je gesehen.

Doch wir suchen uns zu orientiren. Der große Saal, in dem der Car-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/242>, abgerufen am 15.01.2025.