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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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und Schleier, dieWotschafter und Gesandten in großer Uniform, von der bour-
bonischen Familie nur einige Verwandte, der unvermeidliche Gras von Trapani
und ein paar dienstthuende Kammerherrn. Im Saale drängten sich Priester und
Mönche mit neugierigen Engländern, Franzosen und Deutschen durcheinander, und
den wachehabenden Schweizern gelang es nur mit Mühe, die schmale Bahn frei zu
halten, durch die der Papst, auf der LLggiols. gLstatoria getragen, zu seinem Throne
gelangen konnte. Die Ungeduld stieg mit der Hitze, der Schweiß tropfte den An¬
wesenden von der Stirn, schon wurde dann und wann einer derselben, in
der Stickluft ohnmächtig geworden, hinausgetragen. Da auf einmal klirren
und rasseln Säbel und Sporen, und in blauer, goldgestickter Uniform mar-
schiren die sechs Nobelgardisten herein, die jedesmal dem Papst unmittelbar
vorausgehen, schone, stattliche Gestalten, mit ausdrucksvollen Köpfen, denen
der Römerhelm mit rollenden Roßschweif einen erhöhten kriegerischen Reiz ver¬
leiht. Die päpstliche Hausbedienung in violettem Talar folgt, und aus den
Schultern von sechs riesigen in Purpurdamast gekleideten Palofrenieren schwankt
der Tragsessel herein, auf dem Pius der Neunte in einen rothseidenen goldgestickten
Mantel gehüllt, die goldstvffene Mitra auf den weißen Haaren, in möglichst
unbequemer Stellung den Segen links und rechts ertheilt. Wen Beruf und
Neigung dazu treibt, fällt, soweit der Raum es gestattet, auf die Kniee. Die
Priester, die dazu von Amtswegen verpflichtet sind, spielen eine gar sonder¬
bare Figur, wenn sie aus die Erde sinken und zu gleicher Zeit ein Kneipgias
oder einen Operngucker vor das Auge halten, um in menschlicher Neugier die
Gestalt des heiligen Baders recht in Augenschein nehmen zu können. Pius der
Neunte ist noch immer ein schöner, stattlicher Herr, wenn ihm auch bei seurer
Corpulenz und seinen geschwollenen Füßen das Gehen beschwerlich salir. Noch
glühn die großen braunen Augen, denen sogar die Macht des bösen Blickes
zugeschrieben wird, in jugendlichem Feuer, und der Zug von Ironie, der stets
um die feinen Lippen schwebt, wenn er in diesem unnatürlichen Pompe einher-
zieht, steht seinem Gesicht gar gut. Die Ceremonie ist kurz-, die neucrcirlen
Cardinäle, (die vorher den Eid geleistet, wobei Cardinal Pertini verdächtige
Indifferenz gegen das weltliche Besitzthum des Papstes an den Tag gelegt hat und
nur mit Mühe von seinen Passaglianischen Ideen zurückgebracht worden ist) em¬
pfangen den rothen Hut knieend aus den Händen Sr. Heiligkeit; dann den Se¬
gen, worauf der Papst wieder auf die Schultern der Träger gehoben und
hinausgetragen wird. Die Menge aber eilt in wildem Gedränge in die an¬
liegende sixtinische Kapelle, um das Tedeum zu hören und die Begrüßung der
Promovirten von Seiten des Kollegiums zu sehn.

Die päpstliche Kapelle singt diesmal nicht, wie gewöhnlich, vom Orchester
aus, sondern tritt singend von der Laka. regig, ein, voran Herr Mustafa, ein
Geschenk des Sultans an den heiligen Vater, der einzige, der noch Nachweis-


und Schleier, dieWotschafter und Gesandten in großer Uniform, von der bour-
bonischen Familie nur einige Verwandte, der unvermeidliche Gras von Trapani
und ein paar dienstthuende Kammerherrn. Im Saale drängten sich Priester und
Mönche mit neugierigen Engländern, Franzosen und Deutschen durcheinander, und
den wachehabenden Schweizern gelang es nur mit Mühe, die schmale Bahn frei zu
halten, durch die der Papst, auf der LLggiols. gLstatoria getragen, zu seinem Throne
gelangen konnte. Die Ungeduld stieg mit der Hitze, der Schweiß tropfte den An¬
wesenden von der Stirn, schon wurde dann und wann einer derselben, in
der Stickluft ohnmächtig geworden, hinausgetragen. Da auf einmal klirren
und rasseln Säbel und Sporen, und in blauer, goldgestickter Uniform mar-
schiren die sechs Nobelgardisten herein, die jedesmal dem Papst unmittelbar
vorausgehen, schone, stattliche Gestalten, mit ausdrucksvollen Köpfen, denen
der Römerhelm mit rollenden Roßschweif einen erhöhten kriegerischen Reiz ver¬
leiht. Die päpstliche Hausbedienung in violettem Talar folgt, und aus den
Schultern von sechs riesigen in Purpurdamast gekleideten Palofrenieren schwankt
der Tragsessel herein, auf dem Pius der Neunte in einen rothseidenen goldgestickten
Mantel gehüllt, die goldstvffene Mitra auf den weißen Haaren, in möglichst
unbequemer Stellung den Segen links und rechts ertheilt. Wen Beruf und
Neigung dazu treibt, fällt, soweit der Raum es gestattet, auf die Kniee. Die
Priester, die dazu von Amtswegen verpflichtet sind, spielen eine gar sonder¬
bare Figur, wenn sie aus die Erde sinken und zu gleicher Zeit ein Kneipgias
oder einen Operngucker vor das Auge halten, um in menschlicher Neugier die
Gestalt des heiligen Baders recht in Augenschein nehmen zu können. Pius der
Neunte ist noch immer ein schöner, stattlicher Herr, wenn ihm auch bei seurer
Corpulenz und seinen geschwollenen Füßen das Gehen beschwerlich salir. Noch
glühn die großen braunen Augen, denen sogar die Macht des bösen Blickes
zugeschrieben wird, in jugendlichem Feuer, und der Zug von Ironie, der stets
um die feinen Lippen schwebt, wenn er in diesem unnatürlichen Pompe einher-
zieht, steht seinem Gesicht gar gut. Die Ceremonie ist kurz-, die neucrcirlen
Cardinäle, (die vorher den Eid geleistet, wobei Cardinal Pertini verdächtige
Indifferenz gegen das weltliche Besitzthum des Papstes an den Tag gelegt hat und
nur mit Mühe von seinen Passaglianischen Ideen zurückgebracht worden ist) em¬
pfangen den rothen Hut knieend aus den Händen Sr. Heiligkeit; dann den Se¬
gen, worauf der Papst wieder auf die Schultern der Träger gehoben und
hinausgetragen wird. Die Menge aber eilt in wildem Gedränge in die an¬
liegende sixtinische Kapelle, um das Tedeum zu hören und die Begrüßung der
Promovirten von Seiten des Kollegiums zu sehn.

Die päpstliche Kapelle singt diesmal nicht, wie gewöhnlich, vom Orchester
aus, sondern tritt singend von der Laka. regig, ein, voran Herr Mustafa, ein
Geschenk des Sultans an den heiligen Vater, der einzige, der noch Nachweis-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/240>, abgerufen am 15.01.2025.