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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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zehn Jahren nicht schon aus einer sehr energischen Männerjagd begriffen und
mit dreißig nicht schon Matronen wären. Die sich nicht früh verheirathen und
ohne Vermögen sind, sehen sich gewöhnlich schon vor dem zwanzigsten Jahre
nach einem Lebensberuf um, und dies gilt am meisten von denen Neuenglands,
dessen Frauen gebildeter und selbständiger als die übrigen sind, und wo die
weibliche Bevölkerung die männliche an Zahl beträchtlich überwiegt. Die von
den Frauen der Uankees gewählten Berufsarten sind nur im Nothfall weibliche
Handarbeiten, selten sieht man sie als Köchinnen dienen, und das Arbeiten in
Fabriken, welches v. Raumer 1844 bei ihnen noch in vollem Schwunge fand,
hat nahezu aufgehört. Dagegen ist unter ihnen der Lehrstand sehr beliebt, und
Neuengland liefert fast den ganzen Bedarf der Union an Lehrerinnen für den
Elementarunterricht und selbst für den secundären. Die meisten Volksschulen
haben blos einen Lehrer (xi'iuoixs.1), aber drei bis zehn Gehilfinnen OssistÄnt
tkg.mers), und ältere Frauen halten Privatschulen, oft von großer Ausdehnung,
ohne allen männlichen Beistand. Ein anderer von Frauen sehr gesuchter Be¬
ruf ist der Kleinhandel und der Posten einer Verkäuferin in Kunstwaaren- und
Luxusgeschäften. Ferner gibt es in Boston eine unter der Frau Doctorin Zakr-
zewska, einer Berlinerin, stehende Akademie, aus welcher schon mehre hundert
weibliche Aerzte hervorgegangen sind. Es gibt ferner hier viele Schriftstelle¬
rinnen, ein paar Redactionen und Druckereien, welche-ausschließlich von Frauen
besorgt werden, dann Postmeisterinnen, Telegraphisten gsneris femiirini, Hun¬
derte bezahlter Kirchensängerinnen, Vorleserinnen, welche auch über Politik Vor¬
träge halten, ja selbst weibliche Geistliche kommen in Ausnahme. Sehr zahlreich
betheiligt sich die Frauenwelt an den Verhandlungen der Freidenker, der Abo-
litionisten und aller Fortschrittsvereine überhaupt.

Besonders eifrig spricht endlich die Damenwelt in den Zusammenkünften
und Preßorganen der "Weiberrechtler" Ooraairs riZIrts xart^) mit, die fast
lediglich aus Uankees bestehen, und deren Grundidee ist, daß die Frau vor
dem Gesetze, der öffentlichen Meinung und der gesellschaftlichen Sitte völlig
gleichberechtigt mit dem Manne sein sollte, da sie von diesem in nichts als
w geschlechtlicher Beziehung verschieden sei. Der rechte Flügel dieser Partei
verlangt, daß man der Frau dieselbe Erziehung wie dem Manne gebe, daß
man ihr jede Berufsart, welche ihr Geschlecht nicht verbietet, öffne, sie zu der
Wahlurne und zu jedem Amte zulasse. Sie sollen ferner keines Vormunds
bedürfen, ihr Zeugniß soll dieselbe Giltigkeit haben wie das des Mannes, und
Ehefrauen sollen.das Recht auf ihren eignen Arbeitsverdienst und die Ver¬
fügung über ihr zugebrachtes Vermögen haben -- Ansprüche, wofür man an¬
führt, daß die Frau in Neuengland durchschnittlich gebildeter ist als der Mann,
da sie länger in die Schule geht, und daß sie den parlamentarischen Brauch
ebensogut versteht und ebensoviel UMng und Geschick im Redenhalten ve-


zehn Jahren nicht schon aus einer sehr energischen Männerjagd begriffen und
mit dreißig nicht schon Matronen wären. Die sich nicht früh verheirathen und
ohne Vermögen sind, sehen sich gewöhnlich schon vor dem zwanzigsten Jahre
nach einem Lebensberuf um, und dies gilt am meisten von denen Neuenglands,
dessen Frauen gebildeter und selbständiger als die übrigen sind, und wo die
weibliche Bevölkerung die männliche an Zahl beträchtlich überwiegt. Die von
den Frauen der Uankees gewählten Berufsarten sind nur im Nothfall weibliche
Handarbeiten, selten sieht man sie als Köchinnen dienen, und das Arbeiten in
Fabriken, welches v. Raumer 1844 bei ihnen noch in vollem Schwunge fand,
hat nahezu aufgehört. Dagegen ist unter ihnen der Lehrstand sehr beliebt, und
Neuengland liefert fast den ganzen Bedarf der Union an Lehrerinnen für den
Elementarunterricht und selbst für den secundären. Die meisten Volksschulen
haben blos einen Lehrer (xi'iuoixs.1), aber drei bis zehn Gehilfinnen OssistÄnt
tkg.mers), und ältere Frauen halten Privatschulen, oft von großer Ausdehnung,
ohne allen männlichen Beistand. Ein anderer von Frauen sehr gesuchter Be¬
ruf ist der Kleinhandel und der Posten einer Verkäuferin in Kunstwaaren- und
Luxusgeschäften. Ferner gibt es in Boston eine unter der Frau Doctorin Zakr-
zewska, einer Berlinerin, stehende Akademie, aus welcher schon mehre hundert
weibliche Aerzte hervorgegangen sind. Es gibt ferner hier viele Schriftstelle¬
rinnen, ein paar Redactionen und Druckereien, welche-ausschließlich von Frauen
besorgt werden, dann Postmeisterinnen, Telegraphisten gsneris femiirini, Hun¬
derte bezahlter Kirchensängerinnen, Vorleserinnen, welche auch über Politik Vor¬
träge halten, ja selbst weibliche Geistliche kommen in Ausnahme. Sehr zahlreich
betheiligt sich die Frauenwelt an den Verhandlungen der Freidenker, der Abo-
litionisten und aller Fortschrittsvereine überhaupt.

Besonders eifrig spricht endlich die Damenwelt in den Zusammenkünften
und Preßorganen der „Weiberrechtler" Ooraairs riZIrts xart^) mit, die fast
lediglich aus Uankees bestehen, und deren Grundidee ist, daß die Frau vor
dem Gesetze, der öffentlichen Meinung und der gesellschaftlichen Sitte völlig
gleichberechtigt mit dem Manne sein sollte, da sie von diesem in nichts als
w geschlechtlicher Beziehung verschieden sei. Der rechte Flügel dieser Partei
verlangt, daß man der Frau dieselbe Erziehung wie dem Manne gebe, daß
man ihr jede Berufsart, welche ihr Geschlecht nicht verbietet, öffne, sie zu der
Wahlurne und zu jedem Amte zulasse. Sie sollen ferner keines Vormunds
bedürfen, ihr Zeugniß soll dieselbe Giltigkeit haben wie das des Mannes, und
Ehefrauen sollen.das Recht auf ihren eignen Arbeitsverdienst und die Ver¬
fügung über ihr zugebrachtes Vermögen haben — Ansprüche, wofür man an¬
führt, daß die Frau in Neuengland durchschnittlich gebildeter ist als der Mann,
da sie länger in die Schule geht, und daß sie den parlamentarischen Brauch
ebensogut versteht und ebensoviel UMng und Geschick im Redenhalten ve-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/231>, abgerufen am 15.01.2025.