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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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wenn das Ganze gedeihen^soll, die Feier deo Befreiung wieder einen Fortschritt
bezeichne. Es war eine glückliche Fügung, daß gerade im jetzigen Moment
allerwärts, auch im Süden die Erinnerung an dasjenige wieder wach gerufen
wurde, was das preußische Volk für die gemeinsame Sache gethan hat. Die
Zeitungen, welche die damalige Geschichte ihren Lesern wieder erzählten, die
Redner, welche an die Thatsachen der Bcfreiungsjahrc erinnerten, haben es auch
bei uns wieder einmal laut anerkennen müssen, daß die beste Arbeit damals
vom preußischen Volk gethan worden ist. Und aus dem Munde solcher, die
keiner preußischen Gesinnung verdächtig sind, haben wir eben dies als einen
wesentlichen Segen dieser Feier preisen hören. So hatte sie, auch wo sie in der
Vereinzelung der Gemeinden begangen wurde, in sich selbst ein unwillkürlich
zur Versöhnung und Einigkeit treibendes Moment. Das Gedächtniß der Ver¬
gangenheit wurde zum Mahnruf für die Zukunft. Insbesondere darf auch dies
als ein erfreuliches Zeichen hervorgehoben werden, daß nicht, wie man nach
dem Kriegslärm vor vier Jahren vermuthen konnte, der Schwerpunkt der Feier
in eine ohnmächtige Phraseologie gegen den "übermüthigen Korsen" und "die
von der Seine her drohenden Gefahren" gelegt wurde. Zuweilen, auf dem
Lande zumal, schlichen sich auch solche Reminiscenzen in die Festreden ein, aber
es war die Ausnahme. Allgemein wurde dem Bewußtsein Ausdruck gegeben,
daß das Fest ebensosehr eine der inneren Zukunft des eigenen Volks, als eine
der Vergangenheit zugewendete Seite habe, daß es gelte, die Wiedergeburt deut¬
scher Nation zu vollenden, zu der in den denkwürdigen Octvbertagen der Grund
gelegt worden, und daß, wofern überhaupt ein Gefühl des Zornes in der Feier
Platz greifen konnte, dasselbe weniger dem vor SO Jahren besiegten Feind, als
Venen galt, welche das deutsche Volt um die Früchte des Siegs betrogen hatten.

Ihr äußeres Symbol fand die allgemeine Stimmung in dem schwarz-roth-
goldnen Farbenschmuck, mit dein die Städte insbesondere wie überdeckt waren.
Es wäre interessant, die Geschichte dieser Farben zu schreiben, für Schwaben
wäre sie doppelt interessant. Da in den Zeiten des Reichs Schwaben die
Reichssturmfahne hatte, so war allmälig Schwarz-roth-gold zur Farbe der wür-
embergischen H erzöge geworden. Noch zu König Friedrichs Zeiten flatterte die
dreifarbige Fahne vom Stuttgarter oder vom ludwigsburgcr Schlosse, wenn der
Monarch daselbst verweilte. Erst König Wilhelm reducirte die Farben seines
Hauses auf Schwarz und Roth. Leider erinnerte gerade das Octoberfest be¬
sonders empfindlich an diese Umwandlung. Es war von hoher Seite ange¬
ordnet worden, die königlichen Gebäude mit Schwarz-Noth zu decoriren, und
die Minister beeilten sich, ergänzend zu beschließen, daß auch sämmtliche Staats-
gebäude am 18. October die Farben der Landcssvuveränetät tragen sollten. Es
war dies um so ausfallender, als bei uns seit geraumer Zeit die deutschen
Farben keineswegs mehr so verpönt waren als in andern deutschen Ländern


wenn das Ganze gedeihen^soll, die Feier deo Befreiung wieder einen Fortschritt
bezeichne. Es war eine glückliche Fügung, daß gerade im jetzigen Moment
allerwärts, auch im Süden die Erinnerung an dasjenige wieder wach gerufen
wurde, was das preußische Volk für die gemeinsame Sache gethan hat. Die
Zeitungen, welche die damalige Geschichte ihren Lesern wieder erzählten, die
Redner, welche an die Thatsachen der Bcfreiungsjahrc erinnerten, haben es auch
bei uns wieder einmal laut anerkennen müssen, daß die beste Arbeit damals
vom preußischen Volk gethan worden ist. Und aus dem Munde solcher, die
keiner preußischen Gesinnung verdächtig sind, haben wir eben dies als einen
wesentlichen Segen dieser Feier preisen hören. So hatte sie, auch wo sie in der
Vereinzelung der Gemeinden begangen wurde, in sich selbst ein unwillkürlich
zur Versöhnung und Einigkeit treibendes Moment. Das Gedächtniß der Ver¬
gangenheit wurde zum Mahnruf für die Zukunft. Insbesondere darf auch dies
als ein erfreuliches Zeichen hervorgehoben werden, daß nicht, wie man nach
dem Kriegslärm vor vier Jahren vermuthen konnte, der Schwerpunkt der Feier
in eine ohnmächtige Phraseologie gegen den „übermüthigen Korsen" und „die
von der Seine her drohenden Gefahren" gelegt wurde. Zuweilen, auf dem
Lande zumal, schlichen sich auch solche Reminiscenzen in die Festreden ein, aber
es war die Ausnahme. Allgemein wurde dem Bewußtsein Ausdruck gegeben,
daß das Fest ebensosehr eine der inneren Zukunft des eigenen Volks, als eine
der Vergangenheit zugewendete Seite habe, daß es gelte, die Wiedergeburt deut¬
scher Nation zu vollenden, zu der in den denkwürdigen Octvbertagen der Grund
gelegt worden, und daß, wofern überhaupt ein Gefühl des Zornes in der Feier
Platz greifen konnte, dasselbe weniger dem vor SO Jahren besiegten Feind, als
Venen galt, welche das deutsche Volt um die Früchte des Siegs betrogen hatten.

Ihr äußeres Symbol fand die allgemeine Stimmung in dem schwarz-roth-
goldnen Farbenschmuck, mit dein die Städte insbesondere wie überdeckt waren.
Es wäre interessant, die Geschichte dieser Farben zu schreiben, für Schwaben
wäre sie doppelt interessant. Da in den Zeiten des Reichs Schwaben die
Reichssturmfahne hatte, so war allmälig Schwarz-roth-gold zur Farbe der wür-
embergischen H erzöge geworden. Noch zu König Friedrichs Zeiten flatterte die
dreifarbige Fahne vom Stuttgarter oder vom ludwigsburgcr Schlosse, wenn der
Monarch daselbst verweilte. Erst König Wilhelm reducirte die Farben seines
Hauses auf Schwarz und Roth. Leider erinnerte gerade das Octoberfest be¬
sonders empfindlich an diese Umwandlung. Es war von hoher Seite ange¬
ordnet worden, die königlichen Gebäude mit Schwarz-Noth zu decoriren, und
die Minister beeilten sich, ergänzend zu beschließen, daß auch sämmtliche Staats-
gebäude am 18. October die Farben der Landcssvuveränetät tragen sollten. Es
war dies um so ausfallender, als bei uns seit geraumer Zeit die deutschen
Farben keineswegs mehr so verpönt waren als in andern deutschen Ländern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/224>, abgerufen am 15.01.2025.