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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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die Kunst in Amt und Würden, der vorzugsweise die monumentale Ausschmückung
der öffentlichen Wände mit diesem oder jene", Stück Geschichte anvertraut ist, so
gut wie nicht vertreten war. Selbst die für das bayerische Nationalmuseum be¬
stimmten historischen Gemälde, deren eine ziemliche Anzahl vollendet ist, haben
diese Gelegenheit, sich sehen zu lassen, verschmäht: woran freilich ein höherer
Wille noch mehr Schuld gewesen zu sein scheint, als die Zurückhaltung der
Künstler.

Die älteren Götter haben sich also auf den offenen Kampf mit den jungen
Titanen nicht eingelassen, und so bleibt es vorerst ungcwih, auf wessen Seite
der Sieg sich neigen wird. Doch dies Mal wäre ohnedies die streitige Sache
noch nicht zum Austrag gekommen, und durch jenen Bruch ist wenigstens die
Lage der Dinge, der Gegensatz der Richtungen -offen ausgesprochen. Es war
der Ausstellung selber anzusehen, daß sie eine Art Manifest war, welches die
Jüngeren, die von der Knnsi anders denken und ein anderes Ideal im Auge
haben, als die Vertreter der eben ciuölaufenden Epoche, gegen die Bestrebun¬
gen der Letzteren erlassen haben. Zum ersten Male erscheinen sie öffentlich als
selbständige Talente, die sich auf ihre eigenen Füße gestellt haben, um sich nicht
länger im Schlepptau der officiellen und akademischen Kunst mitziehen zu
lassen; daher ist es wohl an der Zeit, den Gegensatz, in welchen innerhalb der
modernen Kunst zu der älteren die jüngere sich stellt, und die verschiedenen Richtun¬
gen, in welche diese selber sich spaltet, näher zu betrachten. Darin freilich, daß sich
die Ausstellung als "internationale" zum kosmopolitischen Kampfplatz der gesammten
modernen Kunst machen wollte, war der Plan zu weit gegriffen; und seine Ausfüh¬
rung konnte nicht anders als unvollständig bleiben. Was die fremden Nationen im
Vergleich zur deutschen gegenwärtig leisten, läßt sich aus den wenigen zusam¬
mengebrachten Werken, unter denen zudem mauche älteren Datums sind, nicht
ermessen; nur das etwa mag man daraus abnehmen, wie sich die Anschauungs¬
weise der Jüngeren zu der fremden, insbesondere der belgischen und französischen
verhält.

Im Grunde war übrigens diese Bemühung, die Ausländer heranzuziehen
nichts weiter als ein Schachzug gegen die deutsche. akademische Kunst, ein mas-
kirter Angriff, mit dem man dieser von vornherein den Krieg erklärte. Gleich
hier treffen wir einen Zug an, der den verschiedenen Parteien der neuesten
Kunst gemeinsam ist und sie insgesammt von der vorangegangenen unterscheidet.
War diese im Ganzen in so fern national zu nennen, als sie in der monu¬
mentalen Kunst wie im Genre und der Landschaft mit Vorliebe einheimische
Stoffe zum Vorwurf nahm und in ihrer Behandlungsweise geflissentlich den
Einfluß fremder Schulen von sich abzuhalten suchte, so find umgekehrt die
Neueren der Meinung, daß die gesammte Stvffwelt ihnen offen stehe, und der
Künstler, um sich die Mittel der Darstellung zu erwerben, nicht an der Scholle


die Kunst in Amt und Würden, der vorzugsweise die monumentale Ausschmückung
der öffentlichen Wände mit diesem oder jene», Stück Geschichte anvertraut ist, so
gut wie nicht vertreten war. Selbst die für das bayerische Nationalmuseum be¬
stimmten historischen Gemälde, deren eine ziemliche Anzahl vollendet ist, haben
diese Gelegenheit, sich sehen zu lassen, verschmäht: woran freilich ein höherer
Wille noch mehr Schuld gewesen zu sein scheint, als die Zurückhaltung der
Künstler.

Die älteren Götter haben sich also auf den offenen Kampf mit den jungen
Titanen nicht eingelassen, und so bleibt es vorerst ungcwih, auf wessen Seite
der Sieg sich neigen wird. Doch dies Mal wäre ohnedies die streitige Sache
noch nicht zum Austrag gekommen, und durch jenen Bruch ist wenigstens die
Lage der Dinge, der Gegensatz der Richtungen -offen ausgesprochen. Es war
der Ausstellung selber anzusehen, daß sie eine Art Manifest war, welches die
Jüngeren, die von der Knnsi anders denken und ein anderes Ideal im Auge
haben, als die Vertreter der eben ciuölaufenden Epoche, gegen die Bestrebun¬
gen der Letzteren erlassen haben. Zum ersten Male erscheinen sie öffentlich als
selbständige Talente, die sich auf ihre eigenen Füße gestellt haben, um sich nicht
länger im Schlepptau der officiellen und akademischen Kunst mitziehen zu
lassen; daher ist es wohl an der Zeit, den Gegensatz, in welchen innerhalb der
modernen Kunst zu der älteren die jüngere sich stellt, und die verschiedenen Richtun¬
gen, in welche diese selber sich spaltet, näher zu betrachten. Darin freilich, daß sich
die Ausstellung als „internationale" zum kosmopolitischen Kampfplatz der gesammten
modernen Kunst machen wollte, war der Plan zu weit gegriffen; und seine Ausfüh¬
rung konnte nicht anders als unvollständig bleiben. Was die fremden Nationen im
Vergleich zur deutschen gegenwärtig leisten, läßt sich aus den wenigen zusam¬
mengebrachten Werken, unter denen zudem mauche älteren Datums sind, nicht
ermessen; nur das etwa mag man daraus abnehmen, wie sich die Anschauungs¬
weise der Jüngeren zu der fremden, insbesondere der belgischen und französischen
verhält.

Im Grunde war übrigens diese Bemühung, die Ausländer heranzuziehen
nichts weiter als ein Schachzug gegen die deutsche. akademische Kunst, ein mas-
kirter Angriff, mit dem man dieser von vornherein den Krieg erklärte. Gleich
hier treffen wir einen Zug an, der den verschiedenen Parteien der neuesten
Kunst gemeinsam ist und sie insgesammt von der vorangegangenen unterscheidet.
War diese im Ganzen in so fern national zu nennen, als sie in der monu¬
mentalen Kunst wie im Genre und der Landschaft mit Vorliebe einheimische
Stoffe zum Vorwurf nahm und in ihrer Behandlungsweise geflissentlich den
Einfluß fremder Schulen von sich abzuhalten suchte, so find umgekehrt die
Neueren der Meinung, daß die gesammte Stvffwelt ihnen offen stehe, und der
Künstler, um sich die Mittel der Darstellung zu erwerben, nicht an der Scholle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/210>, abgerufen am 15.01.2025.