Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Nur ein einziges Mal wurde die Einförmigkeit des Schullebens unter¬
brochen. Es kam nämlich gegen die Mitte des Juni ein Jndianerstcunm,
Männer, Weiber und Kinder, im Ganzen etwa vierzig Köpfe, in Macon an,
um eine Vorstellung im indianischen Ballspiel zu geben. Die Männer waren
kräftig, muskulös, ungemein geschmeidig und gewandt, die Frauen kümmerlich,
gedrückt, schmutzig, blaß und klein. Für die Vorstellung hatten sie eine weite
Ebene gewählt, die im Halbkreis von Wald umschlossen war. In bedeutender
Entfernung von einander waren je zwei lange Stangen im Boden befestigt,
die je IV- bis 2 Zoll von einander standen. Durch diese Lücke zwischen je
zwei Stangen mußte der Ball geschleudert werden. Die Indianer, Männer und
Knaben, trugen blos einen Schurz und theilten sich in zwei Parteien. Jeder
Mann hatte in der rechten Hand einen Stab. der in eine Art Löffel auslief,
mit welchem sie den Ball aufzunehmen suchten. Im Löffel wurde dann der
Ball mit einem Stäbe, den jeder in der linken Hand hatte, festgehalten. Hatte
Einer den Ball so gesaßt, so suchte er ihn durch die Lücke zwischen den Stan¬
gen zu schleudern; aber das war nicht so leicht. Wurde nämlich der Ball aus¬
geworfen, so gab es ein buntes Gewimmel. Jeder suchte ihn aufzugabeln
und wurde dabei vom Gegner gestört. Hatte Einer den Ball glücklich
aufgeschnappt, so mußte er schleunigst davonlaufen, um ihn abschleudern zu
können. Aber beim Abschleudern schlug ihm sehr häufig einer von der Gegen¬
partei, der ihm hart auf den Fersen war, auf den Löffel, und der Ball siel zu
Boden. Hatte aber Einer einen kleinen Vorsprung vor seinem Verfolger er¬
langt, so drehte er sich plötzlich um und schleuderte mit erstaunlicher Sicherheit
den Ball aus beträchtlicher Entfernung durch die schmale Lücke zwischen den
Stangen. Konnte er gar nicht zum Schleudern kommen, so schnellte er den
Ball tief hinein in den Wald. Und nun die Jndianerknaben! schnellfüßig
wie Rehe jagten sie durch Gestrüpp und Gebüsch, über Stock und Stein ins
Gehölz und warfen nach kurzer Zeit den Ball wieder unter die Spielenden. Die
Partei, welche den Ball, ich glaube, funfzehnmal zwischen den Stangen hin¬
durchgeschleudert hatte, Mr Sieger. Die drückende Hitze schien diese Leute,
die sich stundenlang entblößten Hauptes im Freien umherjagten, gar nicht zu
kümmern. Von den Zuschauern erhoben sie einen halben Dollar Eintrittsgeld.

Einige Tage nach dieser Vorstellung eröffnete uns Poindcxter, daß wir
abreisen könnten. Ich ließ mir den ärmlichen Ertrag meiner Stunden aus¬
zahlen, berichtigte in der Stadt meine Schulden, setzte mich auf den Dampf¬
wagen und hatte den trübseligen Ort bald aus den Augen verloren.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Nur ein einziges Mal wurde die Einförmigkeit des Schullebens unter¬
brochen. Es kam nämlich gegen die Mitte des Juni ein Jndianerstcunm,
Männer, Weiber und Kinder, im Ganzen etwa vierzig Köpfe, in Macon an,
um eine Vorstellung im indianischen Ballspiel zu geben. Die Männer waren
kräftig, muskulös, ungemein geschmeidig und gewandt, die Frauen kümmerlich,
gedrückt, schmutzig, blaß und klein. Für die Vorstellung hatten sie eine weite
Ebene gewählt, die im Halbkreis von Wald umschlossen war. In bedeutender
Entfernung von einander waren je zwei lange Stangen im Boden befestigt,
die je IV- bis 2 Zoll von einander standen. Durch diese Lücke zwischen je
zwei Stangen mußte der Ball geschleudert werden. Die Indianer, Männer und
Knaben, trugen blos einen Schurz und theilten sich in zwei Parteien. Jeder
Mann hatte in der rechten Hand einen Stab. der in eine Art Löffel auslief,
mit welchem sie den Ball aufzunehmen suchten. Im Löffel wurde dann der
Ball mit einem Stäbe, den jeder in der linken Hand hatte, festgehalten. Hatte
Einer den Ball so gesaßt, so suchte er ihn durch die Lücke zwischen den Stan¬
gen zu schleudern; aber das war nicht so leicht. Wurde nämlich der Ball aus¬
geworfen, so gab es ein buntes Gewimmel. Jeder suchte ihn aufzugabeln
und wurde dabei vom Gegner gestört. Hatte Einer den Ball glücklich
aufgeschnappt, so mußte er schleunigst davonlaufen, um ihn abschleudern zu
können. Aber beim Abschleudern schlug ihm sehr häufig einer von der Gegen¬
partei, der ihm hart auf den Fersen war, auf den Löffel, und der Ball siel zu
Boden. Hatte aber Einer einen kleinen Vorsprung vor seinem Verfolger er¬
langt, so drehte er sich plötzlich um und schleuderte mit erstaunlicher Sicherheit
den Ball aus beträchtlicher Entfernung durch die schmale Lücke zwischen den
Stangen. Konnte er gar nicht zum Schleudern kommen, so schnellte er den
Ball tief hinein in den Wald. Und nun die Jndianerknaben! schnellfüßig
wie Rehe jagten sie durch Gestrüpp und Gebüsch, über Stock und Stein ins
Gehölz und warfen nach kurzer Zeit den Ball wieder unter die Spielenden. Die
Partei, welche den Ball, ich glaube, funfzehnmal zwischen den Stangen hin¬
durchgeschleudert hatte, Mr Sieger. Die drückende Hitze schien diese Leute,
die sich stundenlang entblößten Hauptes im Freien umherjagten, gar nicht zu
kümmern. Von den Zuschauern erhoben sie einen halben Dollar Eintrittsgeld.

Einige Tage nach dieser Vorstellung eröffnete uns Poindcxter, daß wir
abreisen könnten. Ich ließ mir den ärmlichen Ertrag meiner Stunden aus¬
zahlen, berichtigte in der Stadt meine Schulden, setzte mich auf den Dampf¬
wagen und hatte den trübseligen Ort bald aus den Augen verloren.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116136"/>
            <p xml:id="ID_787"> Nur ein einziges Mal wurde die Einförmigkeit des Schullebens unter¬<lb/>
brochen. Es kam nämlich gegen die Mitte des Juni ein Jndianerstcunm,<lb/>
Männer, Weiber und Kinder, im Ganzen etwa vierzig Köpfe, in Macon an,<lb/>
um eine Vorstellung im indianischen Ballspiel zu geben. Die Männer waren<lb/>
kräftig, muskulös, ungemein geschmeidig und gewandt, die Frauen kümmerlich,<lb/>
gedrückt, schmutzig, blaß und klein. Für die Vorstellung hatten sie eine weite<lb/>
Ebene gewählt, die im Halbkreis von Wald umschlossen war. In bedeutender<lb/>
Entfernung von einander waren je zwei lange Stangen im Boden befestigt,<lb/>
die je IV- bis 2 Zoll von einander standen. Durch diese Lücke zwischen je<lb/>
zwei Stangen mußte der Ball geschleudert werden. Die Indianer, Männer und<lb/>
Knaben, trugen blos einen Schurz und theilten sich in zwei Parteien. Jeder<lb/>
Mann hatte in der rechten Hand einen Stab. der in eine Art Löffel auslief,<lb/>
mit welchem sie den Ball aufzunehmen suchten. Im Löffel wurde dann der<lb/>
Ball mit einem Stäbe, den jeder in der linken Hand hatte, festgehalten. Hatte<lb/>
Einer den Ball so gesaßt, so suchte er ihn durch die Lücke zwischen den Stan¬<lb/>
gen zu schleudern; aber das war nicht so leicht. Wurde nämlich der Ball aus¬<lb/>
geworfen, so gab es ein buntes Gewimmel. Jeder suchte ihn aufzugabeln<lb/>
und wurde dabei vom Gegner gestört. Hatte Einer den Ball glücklich<lb/>
aufgeschnappt, so mußte er schleunigst davonlaufen, um ihn abschleudern zu<lb/>
können. Aber beim Abschleudern schlug ihm sehr häufig einer von der Gegen¬<lb/>
partei, der ihm hart auf den Fersen war, auf den Löffel, und der Ball siel zu<lb/>
Boden. Hatte aber Einer einen kleinen Vorsprung vor seinem Verfolger er¬<lb/>
langt, so drehte er sich plötzlich um und schleuderte mit erstaunlicher Sicherheit<lb/>
den Ball aus beträchtlicher Entfernung durch die schmale Lücke zwischen den<lb/>
Stangen. Konnte er gar nicht zum Schleudern kommen, so schnellte er den<lb/>
Ball tief hinein in den Wald. Und nun die Jndianerknaben! schnellfüßig<lb/>
wie Rehe jagten sie durch Gestrüpp und Gebüsch, über Stock und Stein ins<lb/>
Gehölz und warfen nach kurzer Zeit den Ball wieder unter die Spielenden. Die<lb/>
Partei, welche den Ball, ich glaube, funfzehnmal zwischen den Stangen hin¬<lb/>
durchgeschleudert hatte, Mr Sieger. Die drückende Hitze schien diese Leute,<lb/>
die sich stundenlang entblößten Hauptes im Freien umherjagten, gar nicht zu<lb/>
kümmern.  Von den Zuschauern erhoben sie einen halben Dollar Eintrittsgeld.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_788"> Einige Tage nach dieser Vorstellung eröffnete uns Poindcxter, daß wir<lb/>
abreisen könnten. Ich ließ mir den ärmlichen Ertrag meiner Stunden aus¬<lb/>
zahlen, berichtigte in der Stadt meine Schulden, setzte mich auf den Dampf¬<lb/>
wagen und hatte den trübseligen Ort bald aus den Augen verloren.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.<lb/>
Verlag von F. L. Herbig. &#x2014; Druck von C. E. Elbert in Leipzig.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0208] Nur ein einziges Mal wurde die Einförmigkeit des Schullebens unter¬ brochen. Es kam nämlich gegen die Mitte des Juni ein Jndianerstcunm, Männer, Weiber und Kinder, im Ganzen etwa vierzig Köpfe, in Macon an, um eine Vorstellung im indianischen Ballspiel zu geben. Die Männer waren kräftig, muskulös, ungemein geschmeidig und gewandt, die Frauen kümmerlich, gedrückt, schmutzig, blaß und klein. Für die Vorstellung hatten sie eine weite Ebene gewählt, die im Halbkreis von Wald umschlossen war. In bedeutender Entfernung von einander waren je zwei lange Stangen im Boden befestigt, die je IV- bis 2 Zoll von einander standen. Durch diese Lücke zwischen je zwei Stangen mußte der Ball geschleudert werden. Die Indianer, Männer und Knaben, trugen blos einen Schurz und theilten sich in zwei Parteien. Jeder Mann hatte in der rechten Hand einen Stab. der in eine Art Löffel auslief, mit welchem sie den Ball aufzunehmen suchten. Im Löffel wurde dann der Ball mit einem Stäbe, den jeder in der linken Hand hatte, festgehalten. Hatte Einer den Ball so gesaßt, so suchte er ihn durch die Lücke zwischen den Stan¬ gen zu schleudern; aber das war nicht so leicht. Wurde nämlich der Ball aus¬ geworfen, so gab es ein buntes Gewimmel. Jeder suchte ihn aufzugabeln und wurde dabei vom Gegner gestört. Hatte Einer den Ball glücklich aufgeschnappt, so mußte er schleunigst davonlaufen, um ihn abschleudern zu können. Aber beim Abschleudern schlug ihm sehr häufig einer von der Gegen¬ partei, der ihm hart auf den Fersen war, auf den Löffel, und der Ball siel zu Boden. Hatte aber Einer einen kleinen Vorsprung vor seinem Verfolger er¬ langt, so drehte er sich plötzlich um und schleuderte mit erstaunlicher Sicherheit den Ball aus beträchtlicher Entfernung durch die schmale Lücke zwischen den Stangen. Konnte er gar nicht zum Schleudern kommen, so schnellte er den Ball tief hinein in den Wald. Und nun die Jndianerknaben! schnellfüßig wie Rehe jagten sie durch Gestrüpp und Gebüsch, über Stock und Stein ins Gehölz und warfen nach kurzer Zeit den Ball wieder unter die Spielenden. Die Partei, welche den Ball, ich glaube, funfzehnmal zwischen den Stangen hin¬ durchgeschleudert hatte, Mr Sieger. Die drückende Hitze schien diese Leute, die sich stundenlang entblößten Hauptes im Freien umherjagten, gar nicht zu kümmern. Von den Zuschauern erhoben sie einen halben Dollar Eintrittsgeld. Einige Tage nach dieser Vorstellung eröffnete uns Poindcxter, daß wir abreisen könnten. Ich ließ mir den ärmlichen Ertrag meiner Stunden aus¬ zahlen, berichtigte in der Stadt meine Schulden, setzte mich auf den Dampf¬ wagen und hatte den trübseligen Ort bald aus den Augen verloren. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/208
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/208>, abgerufen am 15.01.2025.