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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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mung in Anschlag bringen. Wir Alle wissen, daß dadurch unsre Arbeit schwerer
wird, unsre Aussicht auf einen vollständigen Sieg in die Ferne gerückt werden mag.

Zu den Männern von engem Urtheil oder entgegengesetztem Parteistandpunkt
welche Preußen wegen dieser Hemmnisse seiner Entwickelung aus Deutschland aus¬
scheiden möchten, sprechen wir nicht. Das wäre vergeblich. Den ungeduldigen
Freunden aber, welche du' Pflicht fühlen, Preußen zu berücksichtigen und doch an dem
endlichen Siege dieses Staates zu zweifeln geneigt sind, rufen wir fünfzig Jahre
nach der Völkerschlacht ins Gedächtniß, was sie sich selbst sagen könnten. Dem
preußischen Staat verdanken wir, daß wir die leipziger Schlacht geschlagen
haben, daß wir fünfzig Jahre nach der leipziger Schlacht eine Nation gewor¬
den sind mit einem originellen Leben, mit großen nationalen Forderungen,
nicht durch französische Präfecten und Vasallenfürsten regiert, etwas Anderes als
ein Vorland Rußlands und Frankreichs. Und dem preußischen Wesen verdan¬
ken wir. daß die Zollgrenzen im Innern gefallen sind, daß unser Wohlstand
in starkem Aufblühen, der menschliche Verkehr von Stamm zu Stamm unge¬
hemmt ist, daß Männer aus vieler Herren Landen zusammenströmen, Feste
feiern, Beschlüsse fassen, für die nationalen Interessen agitiren und Verbrüde¬
rungen schließen können, daß die große Idee der Zusammengehörigkeit zunächst auf
dem Verkehrsgebiet, dann auf dem politischen in Deutschland sich so kräftig ent-
wickeln konnte. Wie ohne Preußen kein Heer die Schlacht von Leipzig geschlagen
hätte, so wäre ohne Preußen auch jetzt nach fünfzig Jahren kein Nationalvercin,
kein Städtefest, selbst keine Refvrmacte und kein Reformverein möglich gewesen. Die
beiden großen realen Grundlagen unseres Deutschthums, ein deutsches Gebiet vom
Auslande unabhängig, und einheitliches Verkehrsleben innerhalb dieses Gebietes,
sind so wesentlich preußischen Ursprungs, daß wir ehrlich sagen müssen, was wir
nach dieser Richtung bis jetzt erreicht haben, das haben wir durch Preußen erreicht.

Und man darf, die aufgeschlagenen Blätter einer funfzigjährigen Geschichte
in der Hand, hinzusetzen: was wir bis jetzt geworden sind, daß wir doch eine
Nation sind, daß die deutschen.Stämme durch die Bande realer Interessen zu
fest verbunden sind, um jetzt noch auf die Dauer auseinandergerissen zu werden,
das Alles sind wir geworden in einem unablässigen heimlichen oder offenen
Kampfe gegen die Regierung Oestreichs. Und die Politik Metternichs, Schwar¬
zenbergs und ihrer Nachfolger hat seit fünfzig Jahren allerdings zu bewirken
gewußt, daß wir nicht weiter gekommen sind, daß der Sieg in den Freiheits¬
kriegen nicht größere Resultate hatte, daß nach dem großen Aufschwung sich die
Periode der karlsbader Beschlüsse wie ein Alp auf das deutsche Volk legte,
daß nach der Bewegung von 1848 der deutsche Bund reactivirt wurde, er, der
jetzt plötzlich der östreichischen Partei für unerträglich gilt, daß in diesem Augen¬
blick das Fortbestehen des Zollvereins in Frage gestellt ist.

Aber noch mehr. Wer uns die letzten fünfzig Jahre preußischer Geschichte


mung in Anschlag bringen. Wir Alle wissen, daß dadurch unsre Arbeit schwerer
wird, unsre Aussicht auf einen vollständigen Sieg in die Ferne gerückt werden mag.

Zu den Männern von engem Urtheil oder entgegengesetztem Parteistandpunkt
welche Preußen wegen dieser Hemmnisse seiner Entwickelung aus Deutschland aus¬
scheiden möchten, sprechen wir nicht. Das wäre vergeblich. Den ungeduldigen
Freunden aber, welche du' Pflicht fühlen, Preußen zu berücksichtigen und doch an dem
endlichen Siege dieses Staates zu zweifeln geneigt sind, rufen wir fünfzig Jahre
nach der Völkerschlacht ins Gedächtniß, was sie sich selbst sagen könnten. Dem
preußischen Staat verdanken wir, daß wir die leipziger Schlacht geschlagen
haben, daß wir fünfzig Jahre nach der leipziger Schlacht eine Nation gewor¬
den sind mit einem originellen Leben, mit großen nationalen Forderungen,
nicht durch französische Präfecten und Vasallenfürsten regiert, etwas Anderes als
ein Vorland Rußlands und Frankreichs. Und dem preußischen Wesen verdan¬
ken wir. daß die Zollgrenzen im Innern gefallen sind, daß unser Wohlstand
in starkem Aufblühen, der menschliche Verkehr von Stamm zu Stamm unge¬
hemmt ist, daß Männer aus vieler Herren Landen zusammenströmen, Feste
feiern, Beschlüsse fassen, für die nationalen Interessen agitiren und Verbrüde¬
rungen schließen können, daß die große Idee der Zusammengehörigkeit zunächst auf
dem Verkehrsgebiet, dann auf dem politischen in Deutschland sich so kräftig ent-
wickeln konnte. Wie ohne Preußen kein Heer die Schlacht von Leipzig geschlagen
hätte, so wäre ohne Preußen auch jetzt nach fünfzig Jahren kein Nationalvercin,
kein Städtefest, selbst keine Refvrmacte und kein Reformverein möglich gewesen. Die
beiden großen realen Grundlagen unseres Deutschthums, ein deutsches Gebiet vom
Auslande unabhängig, und einheitliches Verkehrsleben innerhalb dieses Gebietes,
sind so wesentlich preußischen Ursprungs, daß wir ehrlich sagen müssen, was wir
nach dieser Richtung bis jetzt erreicht haben, das haben wir durch Preußen erreicht.

Und man darf, die aufgeschlagenen Blätter einer funfzigjährigen Geschichte
in der Hand, hinzusetzen: was wir bis jetzt geworden sind, daß wir doch eine
Nation sind, daß die deutschen.Stämme durch die Bande realer Interessen zu
fest verbunden sind, um jetzt noch auf die Dauer auseinandergerissen zu werden,
das Alles sind wir geworden in einem unablässigen heimlichen oder offenen
Kampfe gegen die Regierung Oestreichs. Und die Politik Metternichs, Schwar¬
zenbergs und ihrer Nachfolger hat seit fünfzig Jahren allerdings zu bewirken
gewußt, daß wir nicht weiter gekommen sind, daß der Sieg in den Freiheits¬
kriegen nicht größere Resultate hatte, daß nach dem großen Aufschwung sich die
Periode der karlsbader Beschlüsse wie ein Alp auf das deutsche Volk legte,
daß nach der Bewegung von 1848 der deutsche Bund reactivirt wurde, er, der
jetzt plötzlich der östreichischen Partei für unerträglich gilt, daß in diesem Augen¬
blick das Fortbestehen des Zollvereins in Frage gestellt ist.

Aber noch mehr. Wer uns die letzten fünfzig Jahre preußischer Geschichte


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[0194] mung in Anschlag bringen. Wir Alle wissen, daß dadurch unsre Arbeit schwerer wird, unsre Aussicht auf einen vollständigen Sieg in die Ferne gerückt werden mag. Zu den Männern von engem Urtheil oder entgegengesetztem Parteistandpunkt welche Preußen wegen dieser Hemmnisse seiner Entwickelung aus Deutschland aus¬ scheiden möchten, sprechen wir nicht. Das wäre vergeblich. Den ungeduldigen Freunden aber, welche du' Pflicht fühlen, Preußen zu berücksichtigen und doch an dem endlichen Siege dieses Staates zu zweifeln geneigt sind, rufen wir fünfzig Jahre nach der Völkerschlacht ins Gedächtniß, was sie sich selbst sagen könnten. Dem preußischen Staat verdanken wir, daß wir die leipziger Schlacht geschlagen haben, daß wir fünfzig Jahre nach der leipziger Schlacht eine Nation gewor¬ den sind mit einem originellen Leben, mit großen nationalen Forderungen, nicht durch französische Präfecten und Vasallenfürsten regiert, etwas Anderes als ein Vorland Rußlands und Frankreichs. Und dem preußischen Wesen verdan¬ ken wir. daß die Zollgrenzen im Innern gefallen sind, daß unser Wohlstand in starkem Aufblühen, der menschliche Verkehr von Stamm zu Stamm unge¬ hemmt ist, daß Männer aus vieler Herren Landen zusammenströmen, Feste feiern, Beschlüsse fassen, für die nationalen Interessen agitiren und Verbrüde¬ rungen schließen können, daß die große Idee der Zusammengehörigkeit zunächst auf dem Verkehrsgebiet, dann auf dem politischen in Deutschland sich so kräftig ent- wickeln konnte. Wie ohne Preußen kein Heer die Schlacht von Leipzig geschlagen hätte, so wäre ohne Preußen auch jetzt nach fünfzig Jahren kein Nationalvercin, kein Städtefest, selbst keine Refvrmacte und kein Reformverein möglich gewesen. Die beiden großen realen Grundlagen unseres Deutschthums, ein deutsches Gebiet vom Auslande unabhängig, und einheitliches Verkehrsleben innerhalb dieses Gebietes, sind so wesentlich preußischen Ursprungs, daß wir ehrlich sagen müssen, was wir nach dieser Richtung bis jetzt erreicht haben, das haben wir durch Preußen erreicht. Und man darf, die aufgeschlagenen Blätter einer funfzigjährigen Geschichte in der Hand, hinzusetzen: was wir bis jetzt geworden sind, daß wir doch eine Nation sind, daß die deutschen.Stämme durch die Bande realer Interessen zu fest verbunden sind, um jetzt noch auf die Dauer auseinandergerissen zu werden, das Alles sind wir geworden in einem unablässigen heimlichen oder offenen Kampfe gegen die Regierung Oestreichs. Und die Politik Metternichs, Schwar¬ zenbergs und ihrer Nachfolger hat seit fünfzig Jahren allerdings zu bewirken gewußt, daß wir nicht weiter gekommen sind, daß der Sieg in den Freiheits¬ kriegen nicht größere Resultate hatte, daß nach dem großen Aufschwung sich die Periode der karlsbader Beschlüsse wie ein Alp auf das deutsche Volk legte, daß nach der Bewegung von 1848 der deutsche Bund reactivirt wurde, er, der jetzt plötzlich der östreichischen Partei für unerträglich gilt, daß in diesem Augen¬ blick das Fortbestehen des Zollvereins in Frage gestellt ist. Aber noch mehr. Wer uns die letzten fünfzig Jahre preußischer Geschichte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/194>, abgerufen am 15.01.2025.