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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Oelkrug erwartet hätte, erreichten sie nach der später von der Schießstandsvor-
stehung getroffenen Vertheilung doch nicht den Werth jener für die Scheibe
" Oestreich". Die Einladung der Fremden konnte aber auch ernsthaftere Folgen
haben, als derlei harmlose OpfenvilliaM. scharfsichtige Politiker zogen alle denk¬
baren Fälle in Betracht und fürchteten, daß unter den deutschen Schaaren auch
gewandte Redner auf die innsbrucker Schießstätte kommen könnten, die den Glau¬
benströdel beim wahren Namen zu nennen und die Tiroler aufzuklären wagten.
Da Dr. Wildauer seit den letzten Landtagswahlen kaum mehr die Rolle eines
Wortführers übernehmen durfte, blieben nur Haßlwanter und Greuter als Vor¬
kämpfer der Ultras übrig, und wenn die beideir Ajaxe sich zur Fehde stellten,
war der Scandal fettig. Es kam also auch hier wieder Alles darauf an, mit
kluger Vorsicht zu wirken, und so gerne man die lieben Deutschen ans stamm¬
verwandte Herz geschlossen hätte, zu viel davon war jedenfalls ungesund. Nur
durfte die Kriegslist nicht saut werden, und siehe da, der Unterschützenmeister
David Schönherr, der die Versendung der Ladschreiben übernommen hatte, zeigte
sich bereit, sich brauchen zu lassen. Es war dies derselbe treuherzige Geselle,
der im Sommer 1862 vor dem frankfurter Feste betheuert hatte, "er würde
jeden niederschießen, der auf den Herzog von Coburg einen Toast aufbrächte",
nachher aber diese Aeußerung in der officiellen Festzeitung abläugnete. Nun
ließ er eine verhältnißmäßig geringe Zahl Ladschreiben abdrucken, sandte deren
nicht einmal allen Schießstandsvorstehungen der deutsch-östreichischen Erbländer,
ja selbst diesen so spät, daß z. B. die nach Wien bestimmten erst am 20. Sep¬
tember dort eintrafen, nach Bayern und Sachsen kaum über ein Dutzend, nach
Preußen und Würtemberg gar keine. Diese Vernachlässigung wurde zwar durch
die aus den letzteren beiden Staaten angelangten Reclamationen ruchbar, und
es flogen nun Placate nach allen Richtungen, doch die meisten auswärtigen
Schützen waren im letzten Momente verhindert die Einladung anzunehmen.
Der Zweck, sie vom Feste ferne zu halten, war glücklich erreicht, und es trafen
aus dem außeröstreichischcn Deutschland kaum zweihundert ein.

So kam der 24. September heran, an dem die Feier beginnen sollte.
Die Berge hüllten sich in eine Schneedecke, ein unfreundlicher Wind blies durch
die Schützenhalle. Dennoch knallten um 11 Uhr Mittags die Bergkanonen, der
Statthalter rollte in seiner Carosse nach dem Schießplatz, mit der Volkshymne
begrüßt; im Beisein der Generalität, der Vorstände der Civilbehörden, der
Schützen- und Gemeindcvorstehung that er den ersten Schuß auf die Scheibe.
Nachmittags eröffnete der Feldmarschalllieutenant Graf Castiglione das vom
k- k. tiroler Jägerregiment veranstaltete Freischießen auf dem Berge Isel, Abends
kamen die Schützen aus Bregenz und Dornbirn. Tags nachher achtzehn von
Trient und ein Häuflein aus Ampezzo, beide mit einer deutschen Fahne, welche
die Vertreter der wälschen Patrioten an der Etsch gewiß nur ihrem Führer,


Oelkrug erwartet hätte, erreichten sie nach der später von der Schießstandsvor-
stehung getroffenen Vertheilung doch nicht den Werth jener für die Scheibe
„ Oestreich". Die Einladung der Fremden konnte aber auch ernsthaftere Folgen
haben, als derlei harmlose OpfenvilliaM. scharfsichtige Politiker zogen alle denk¬
baren Fälle in Betracht und fürchteten, daß unter den deutschen Schaaren auch
gewandte Redner auf die innsbrucker Schießstätte kommen könnten, die den Glau¬
benströdel beim wahren Namen zu nennen und die Tiroler aufzuklären wagten.
Da Dr. Wildauer seit den letzten Landtagswahlen kaum mehr die Rolle eines
Wortführers übernehmen durfte, blieben nur Haßlwanter und Greuter als Vor¬
kämpfer der Ultras übrig, und wenn die beideir Ajaxe sich zur Fehde stellten,
war der Scandal fettig. Es kam also auch hier wieder Alles darauf an, mit
kluger Vorsicht zu wirken, und so gerne man die lieben Deutschen ans stamm¬
verwandte Herz geschlossen hätte, zu viel davon war jedenfalls ungesund. Nur
durfte die Kriegslist nicht saut werden, und siehe da, der Unterschützenmeister
David Schönherr, der die Versendung der Ladschreiben übernommen hatte, zeigte
sich bereit, sich brauchen zu lassen. Es war dies derselbe treuherzige Geselle,
der im Sommer 1862 vor dem frankfurter Feste betheuert hatte, „er würde
jeden niederschießen, der auf den Herzog von Coburg einen Toast aufbrächte",
nachher aber diese Aeußerung in der officiellen Festzeitung abläugnete. Nun
ließ er eine verhältnißmäßig geringe Zahl Ladschreiben abdrucken, sandte deren
nicht einmal allen Schießstandsvorstehungen der deutsch-östreichischen Erbländer,
ja selbst diesen so spät, daß z. B. die nach Wien bestimmten erst am 20. Sep¬
tember dort eintrafen, nach Bayern und Sachsen kaum über ein Dutzend, nach
Preußen und Würtemberg gar keine. Diese Vernachlässigung wurde zwar durch
die aus den letzteren beiden Staaten angelangten Reclamationen ruchbar, und
es flogen nun Placate nach allen Richtungen, doch die meisten auswärtigen
Schützen waren im letzten Momente verhindert die Einladung anzunehmen.
Der Zweck, sie vom Feste ferne zu halten, war glücklich erreicht, und es trafen
aus dem außeröstreichischcn Deutschland kaum zweihundert ein.

So kam der 24. September heran, an dem die Feier beginnen sollte.
Die Berge hüllten sich in eine Schneedecke, ein unfreundlicher Wind blies durch
die Schützenhalle. Dennoch knallten um 11 Uhr Mittags die Bergkanonen, der
Statthalter rollte in seiner Carosse nach dem Schießplatz, mit der Volkshymne
begrüßt; im Beisein der Generalität, der Vorstände der Civilbehörden, der
Schützen- und Gemeindcvorstehung that er den ersten Schuß auf die Scheibe.
Nachmittags eröffnete der Feldmarschalllieutenant Graf Castiglione das vom
k- k. tiroler Jägerregiment veranstaltete Freischießen auf dem Berge Isel, Abends
kamen die Schützen aus Bregenz und Dornbirn. Tags nachher achtzehn von
Trient und ein Häuflein aus Ampezzo, beide mit einer deutschen Fahne, welche
die Vertreter der wälschen Patrioten an der Etsch gewiß nur ihrem Führer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/187>, abgerufen am 15.01.2025.