Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Gebirgsorten an die Aermeren Geld zur Bestreitung der Reisekosten vertheilt. Anders sah man die Sache in Wien an. Die Sondergelüste der reactio- Der Kaiser gab bereits am 9. September dem Staatsminister den Auf¬ Die Agitation hatte indessen nicht geruht, und weil der Festgaben für die Gebirgsorten an die Aermeren Geld zur Bestreitung der Reisekosten vertheilt. Anders sah man die Sache in Wien an. Die Sondergelüste der reactio- Der Kaiser gab bereits am 9. September dem Staatsminister den Auf¬ Die Agitation hatte indessen nicht geruht, und weil der Festgaben für die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116114"/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> Gebirgsorten an die Aermeren Geld zur Bestreitung der Reisekosten vertheilt.<lb/> Die Schützen Tirols sollten nämlich. wenn die beabsichtigte Petition um Er¬<lb/> haltung der Glaubenseinheit nicht günstig aufgenommen würde, dem allgemei¬<lb/> nen Unwillen des wehrhaften Volkes Ausdruck geben und das Fest in Masse<lb/> verlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_698"> Anders sah man die Sache in Wien an. Die Sondergelüste der reactio-<lb/> nciren Parteien kamen nie ungelegener als eben in diesem Zeitpunkte, dem die<lb/> Berufung des deutschen Fürstentages durch den Kaiser kurz vorangegangen.<lb/> Wenn es der östreichischen Negierung überhaupt Ernst war, auch in Tirol<lb/> das Prvtestantengesetz durchzuführen, so mußte sie es jetzt zeigen, und so mußte<lb/> sie jede Gemeinschaft mit den Fanatikern der Glaubenseinheit zurückweisen.<lb/> Man wußte in Wien, was die Klerikalen für das Fest im Schilde führten,<lb/> Alles kam darauf an, die vorbereiteten Schaustellungen zu verhindern, und um<lb/> ihnen allen.Anlaß dazu zu nehmen, mußte jede Deputation schon von vorn¬<lb/> herein abgelehnt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_699"> Der Kaiser gab bereits am 9. September dem Staatsminister den Auf¬<lb/> trag,-den Magistrat der Landeshauptstadt seiner Kenntnißnahme von der an ihn<lb/> gerichteten Bitte mit dem Beifügen zu-versichern, daß es ihm, wenn es die<lb/> Regierungsgeschäfte gestatteten, eine wahre Befriedigung gewesen wäre, das be¬<lb/> deutungsvolle Fest in Mitte des treuen Tirolervolks zu begehen, er sich aber<lb/> jedenfalls hierbei durch einen Erzherzog vertreten lassen werde. Dieser Mit¬<lb/> theilung folgte am 14. September eine Zuschrift des Erzherzogs Karl Ludwig aus<lb/> Artstetten, mit welcher er dem innsbrucker Schießstande vier silberne Pokale<lb/> als Festgaben übersandte und die Erwartung aussprach, daß die.„von patrio¬<lb/> tischem Geiste beseelte rege Theilnahme für das vollkommene Gelingen bürge."<lb/> Nach einer am 22. veröffentlichten Anzeige des Statthalters Fürsten Lobkowitz<lb/> hatte auch dieser Erzherzog des Kaisers Stelle beim Feste zu vertreten. Trotz<lb/> aller Hoffnungen, welche die Klerikalen auf ihn bauten, ließen die „Tiroler<lb/> Stimmen" mit ihrem Jubel darüber doch ein paar Tage auf sich warten, viel¬<lb/> leicht erinnerten sie sich, daß eben der Bauernlandtag im Sternwirthshause zu<lb/> Innsbruck den unmittelbaren Anlaß zu seiner Verzichtsleistung auf den Statt¬<lb/> halterposten von Tirol gegeben, oder es beschlich sie sonst irgend eine dunkle<lb/> Ahnung.</p><lb/> <p xml:id="ID_700" next="#ID_701"> Die Agitation hatte indessen nicht geruht, und weil der Festgaben für die<lb/> Scheibe „Tirol" bis Ende August nicht mehr als eilf waren, schien es dringend<lb/> nöthig, den specifischen Patriotismus aufzuregen. Ein Geistlicher. Namens<lb/> Petter, erließ somit, wir wissen nicht, ob aus eigenem Antrieb oder infolge<lb/> höherer Inspiration, eine Aufforderung zu Beiträgen für jenes Landesschooß-<lb/> kind an alle deutschen Decanate; allein obschon nun von geweihten Händen<lb/> namhaftere Einsendungen anlangten, als man von der armen Wittwe mit dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Gebirgsorten an die Aermeren Geld zur Bestreitung der Reisekosten vertheilt.
Die Schützen Tirols sollten nämlich. wenn die beabsichtigte Petition um Er¬
haltung der Glaubenseinheit nicht günstig aufgenommen würde, dem allgemei¬
nen Unwillen des wehrhaften Volkes Ausdruck geben und das Fest in Masse
verlassen.
Anders sah man die Sache in Wien an. Die Sondergelüste der reactio-
nciren Parteien kamen nie ungelegener als eben in diesem Zeitpunkte, dem die
Berufung des deutschen Fürstentages durch den Kaiser kurz vorangegangen.
Wenn es der östreichischen Negierung überhaupt Ernst war, auch in Tirol
das Prvtestantengesetz durchzuführen, so mußte sie es jetzt zeigen, und so mußte
sie jede Gemeinschaft mit den Fanatikern der Glaubenseinheit zurückweisen.
Man wußte in Wien, was die Klerikalen für das Fest im Schilde führten,
Alles kam darauf an, die vorbereiteten Schaustellungen zu verhindern, und um
ihnen allen.Anlaß dazu zu nehmen, mußte jede Deputation schon von vorn¬
herein abgelehnt werden.
Der Kaiser gab bereits am 9. September dem Staatsminister den Auf¬
trag,-den Magistrat der Landeshauptstadt seiner Kenntnißnahme von der an ihn
gerichteten Bitte mit dem Beifügen zu-versichern, daß es ihm, wenn es die
Regierungsgeschäfte gestatteten, eine wahre Befriedigung gewesen wäre, das be¬
deutungsvolle Fest in Mitte des treuen Tirolervolks zu begehen, er sich aber
jedenfalls hierbei durch einen Erzherzog vertreten lassen werde. Dieser Mit¬
theilung folgte am 14. September eine Zuschrift des Erzherzogs Karl Ludwig aus
Artstetten, mit welcher er dem innsbrucker Schießstande vier silberne Pokale
als Festgaben übersandte und die Erwartung aussprach, daß die.„von patrio¬
tischem Geiste beseelte rege Theilnahme für das vollkommene Gelingen bürge."
Nach einer am 22. veröffentlichten Anzeige des Statthalters Fürsten Lobkowitz
hatte auch dieser Erzherzog des Kaisers Stelle beim Feste zu vertreten. Trotz
aller Hoffnungen, welche die Klerikalen auf ihn bauten, ließen die „Tiroler
Stimmen" mit ihrem Jubel darüber doch ein paar Tage auf sich warten, viel¬
leicht erinnerten sie sich, daß eben der Bauernlandtag im Sternwirthshause zu
Innsbruck den unmittelbaren Anlaß zu seiner Verzichtsleistung auf den Statt¬
halterposten von Tirol gegeben, oder es beschlich sie sonst irgend eine dunkle
Ahnung.
Die Agitation hatte indessen nicht geruht, und weil der Festgaben für die
Scheibe „Tirol" bis Ende August nicht mehr als eilf waren, schien es dringend
nöthig, den specifischen Patriotismus aufzuregen. Ein Geistlicher. Namens
Petter, erließ somit, wir wissen nicht, ob aus eigenem Antrieb oder infolge
höherer Inspiration, eine Aufforderung zu Beiträgen für jenes Landesschooß-
kind an alle deutschen Decanate; allein obschon nun von geweihten Händen
namhaftere Einsendungen anlangten, als man von der armen Wittwe mit dem
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