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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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weil die Rührung den Redner übermannte, bildete den Schluß dieser Cere¬
monie.

Nachdem sich der Zug dann auf dem Augustusplatz aufgelöst, begab man
sich zu den an vier verschiedenen Orten: Centralhalle, Hotel de Pologne, Odeon
und Tivoli vereitgehaitenen Festmahlen und Tischreden. Im Tivoli, wo Stadt¬
schultheiß Sick von Stuttgart das Präsidium führte, eröffnete Professor Wuttke
die Reihe der Redner mit einem Speech, der mit dem Vorzug gelegenheits-
gcmäßer Kürze auch den unerwarteten und darum doppelt rühmenswerthen
verband, kein Oestrcicherthum zu predigen. Auch der Oberbürgermeister Winter
von Danzig sprach hier. Sehr gut, vielleicht das Beste dieses Abends war, was
Dr. Stephani über die weitere Entwickelung des Städtebundes sagte. Eine
interessante Erscheinung ferner war auf der Tribüne der greise Kirchenhistoriker
Hase von Jena. Dagegen machte, wie vielleicht selbst die Parteigänger
östreichischer Politik, wenn auch nur im Stillen, sich eingestanden, der
Bürgermeister von Brünn mit seiner Rede einen peinlichen Eindruck. Hoffent¬
lich ist seine Art zu empfinden und sich auszudrücken nicht der Typus der
Durchschnittsbildung in den höheren Bcvölterungsclassen Deutsch-Oestreichs.
Die Kluft zwischen diesen und uns wäre dann gar zu groß. Es war wirklich,
als ob Jemand aus einer andern Welt zu uns spräche.

Spätere Vorträge erstickten halb in dem Geräusch der mehr als lebendig
gewordenen Versammlung. Fritz Reuter mußte einen Toast, der jedenfalls
allerliebst gerathen wäre, unvollendet lassen, da der Präsident die laute Heiter¬
keit, das Tcllergeklappcr, das Gläsergeklirr und das Knallen der Champagner-
Pfropfen selbst mit der Glocke nicht mehr zu bewältigen vermochte. Die feierliche
Stimmung des Tages hatte sich eben in allgemeines Wohlgefallen aufgelöst
und -- ehrlich gestanden -- es war auch genug mit dem Toastiren für
diesmal.

Aehnlich verliefen, wie man hörte, die Festmahle im Hotel de Pologne,
wo Veit aus Berlin und v. Mühlfeld aus Wien sich vernehmen ließen, und
im Odeon, wo Metz und der neuerdings vielgenannte Rhetor Eckardt sprachen.

Ueberaus prachtvoll war die Illumination, welche das Fest beschloß.
Die ganze Stadt hatte sich daran in einer Weise betheiligt, welche von den be¬
kannten "ältesten Leuten", ich glaube, nicht mit Unrecht, als noch niedagewesen
bezeichnet wurde. Wahrhaft wunderbar schön strahlten namentlich der Augustus-
platz mit den großen Gebäuden der Post, der Universität und des Museums,
der Markt mit dem Rathhaus und die Gassen de" innern Stadt mit ihren vie¬
len Erkern. Wie ein Feengarten erglänzten die Promenaden mit dem Lampen¬
schmuck ihrer Rasenflächen und Bosquets und mit den rings um die Stadt ver¬
theilten Namen der Haupthelden des Befreiungskrieges.

Ich bin zu Ende. Wieder hat der Chronist unsrer guten Stadt ein Fest


weil die Rührung den Redner übermannte, bildete den Schluß dieser Cere¬
monie.

Nachdem sich der Zug dann auf dem Augustusplatz aufgelöst, begab man
sich zu den an vier verschiedenen Orten: Centralhalle, Hotel de Pologne, Odeon
und Tivoli vereitgehaitenen Festmahlen und Tischreden. Im Tivoli, wo Stadt¬
schultheiß Sick von Stuttgart das Präsidium führte, eröffnete Professor Wuttke
die Reihe der Redner mit einem Speech, der mit dem Vorzug gelegenheits-
gcmäßer Kürze auch den unerwarteten und darum doppelt rühmenswerthen
verband, kein Oestrcicherthum zu predigen. Auch der Oberbürgermeister Winter
von Danzig sprach hier. Sehr gut, vielleicht das Beste dieses Abends war, was
Dr. Stephani über die weitere Entwickelung des Städtebundes sagte. Eine
interessante Erscheinung ferner war auf der Tribüne der greise Kirchenhistoriker
Hase von Jena. Dagegen machte, wie vielleicht selbst die Parteigänger
östreichischer Politik, wenn auch nur im Stillen, sich eingestanden, der
Bürgermeister von Brünn mit seiner Rede einen peinlichen Eindruck. Hoffent¬
lich ist seine Art zu empfinden und sich auszudrücken nicht der Typus der
Durchschnittsbildung in den höheren Bcvölterungsclassen Deutsch-Oestreichs.
Die Kluft zwischen diesen und uns wäre dann gar zu groß. Es war wirklich,
als ob Jemand aus einer andern Welt zu uns spräche.

Spätere Vorträge erstickten halb in dem Geräusch der mehr als lebendig
gewordenen Versammlung. Fritz Reuter mußte einen Toast, der jedenfalls
allerliebst gerathen wäre, unvollendet lassen, da der Präsident die laute Heiter¬
keit, das Tcllergeklappcr, das Gläsergeklirr und das Knallen der Champagner-
Pfropfen selbst mit der Glocke nicht mehr zu bewältigen vermochte. Die feierliche
Stimmung des Tages hatte sich eben in allgemeines Wohlgefallen aufgelöst
und — ehrlich gestanden — es war auch genug mit dem Toastiren für
diesmal.

Aehnlich verliefen, wie man hörte, die Festmahle im Hotel de Pologne,
wo Veit aus Berlin und v. Mühlfeld aus Wien sich vernehmen ließen, und
im Odeon, wo Metz und der neuerdings vielgenannte Rhetor Eckardt sprachen.

Ueberaus prachtvoll war die Illumination, welche das Fest beschloß.
Die ganze Stadt hatte sich daran in einer Weise betheiligt, welche von den be¬
kannten „ältesten Leuten", ich glaube, nicht mit Unrecht, als noch niedagewesen
bezeichnet wurde. Wahrhaft wunderbar schön strahlten namentlich der Augustus-
platz mit den großen Gebäuden der Post, der Universität und des Museums,
der Markt mit dem Rathhaus und die Gassen de» innern Stadt mit ihren vie¬
len Erkern. Wie ein Feengarten erglänzten die Promenaden mit dem Lampen¬
schmuck ihrer Rasenflächen und Bosquets und mit den rings um die Stadt ver¬
theilten Namen der Haupthelden des Befreiungskrieges.

Ich bin zu Ende. Wieder hat der Chronist unsrer guten Stadt ein Fest


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/180>, abgerufen am 15.01.2025.