Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu beobachten Gelegenheit hatte: diese Feste, die das Volk sich selbst gibt,
haben zugleich erziehenden Charakter, Sie gewöhnen wie an Selbstverwaltung
auch an Selbstbeherrschung, und das ist vielleicht das Beste an ihnen.


4.

-- Auch dieser Tag des großen Siegesfestes, der Haupt¬
tag, ist in erwünschtester Weise verlaufen. Wieder vom Morgen bis zum Abend
ein Himmel von ungetrübter Reinheit, wieder eine mitfeiernde Sonne.

Es galt, den Grundstein zu dem Denkmal zu legen, welches auf der Höhe
zwischen Stötteritz und dem Thonberg das Gedächtniß der Schlacht verewigen
soll. Gegen halb elf Uhr feste sich der Zug der an diesem Act der Feier
Theilnehmenden vom Roß- und Königsplatz aus in Bewegung, eine imposante
Procession, welche in den Zahlen der großen Turnerparade des August zwar
nicht gleichkam, an charakteristischen Zügen aber beträchtlich reicher war. Ueber
dreißig Musikchöle begleiteten den Zug. den weit über hundert Fahnen und
Banner schmückten, und den man mit zwölftausend Köpfen eher zu niedrig als
zu hoch veranschlagte.

Zuerst kamen unter Vorritt eines Trompetercorps die Mitglieder der leipziger
Ncitvereine, fast durchgehends auf edlen Pferden. Drauf, ihre Trommler voran, die
prachtvolle Fahne in der Mitte, Eichenzweige auf den Hüten, geflossen und taktfest,
die strammen Rotten der hiesigen Turnerschaft. Daran schlössen sich weißge¬
kleidete Schulmädchen, dann Zöglinge der Knabenclassen unserer Stadtschulen,
dann die Herren Primaner, Secundaner u.s. w.. der beiden städtischen Gymnasien.
Hierauf folgten -- das anmuthigste Glied der langen Kette -- die Ehren¬
begleiterinnen unsrer alten Kämpfer vom Jahre dreizehn, eine Schaar Jung¬
frauen in weißen Kleidern und Ueberwürfen, mit Eichenlaub geschmückt und
Eichenkränze im Arm, mehr Töchter hiesiger Patricierfamilicn darunter, als
die geringe Geneigtheit eines großen Theils dieser Bevölkerungsschicht gegen
die Feier anfangs glauben ließ.

Dann -- Hurrah und abermaliges Hurrah. Tücherwehen und Blumen-
regen aus allen Fenstern -- die Beteranen der Völkerschlacht selbst, die Ersten
und Vornehmsten der heute Gefeierten, die Hälfte, etwa in blumenbekränzten
Wagen, die von den Zuschauern in den Etagen und unten am Wege bald ganz
mit Blumen bedeckt werden, die Uebrigen in langer Reihe zu Fuß hinterdrein.
Im ersten Wagen befinden sich der General von Pfuel, 1815 Commandant
von Paris, Major Beneke und Friedrich von Raumer, der Geschichtschreiber.
Weiterhin folgen, wie es scheint vom Zufall gemischt, zum Theil in Frack und
weißer Cravatte, zum Theil in einfacher Bürger- und Bauerntracht, viele auch
im ärmlichen Rock des Tagelöhners, einige in Montur oder Uniform, einzelne
Abtheilungen mit Vereinsfahnen und von Führern mit dem Degen in der Hand
commandirt, jede neue Schaar mit neuem Hochruf und neuen Blumenspenden


zu beobachten Gelegenheit hatte: diese Feste, die das Volk sich selbst gibt,
haben zugleich erziehenden Charakter, Sie gewöhnen wie an Selbstverwaltung
auch an Selbstbeherrschung, und das ist vielleicht das Beste an ihnen.


4.

— Auch dieser Tag des großen Siegesfestes, der Haupt¬
tag, ist in erwünschtester Weise verlaufen. Wieder vom Morgen bis zum Abend
ein Himmel von ungetrübter Reinheit, wieder eine mitfeiernde Sonne.

Es galt, den Grundstein zu dem Denkmal zu legen, welches auf der Höhe
zwischen Stötteritz und dem Thonberg das Gedächtniß der Schlacht verewigen
soll. Gegen halb elf Uhr feste sich der Zug der an diesem Act der Feier
Theilnehmenden vom Roß- und Königsplatz aus in Bewegung, eine imposante
Procession, welche in den Zahlen der großen Turnerparade des August zwar
nicht gleichkam, an charakteristischen Zügen aber beträchtlich reicher war. Ueber
dreißig Musikchöle begleiteten den Zug. den weit über hundert Fahnen und
Banner schmückten, und den man mit zwölftausend Köpfen eher zu niedrig als
zu hoch veranschlagte.

Zuerst kamen unter Vorritt eines Trompetercorps die Mitglieder der leipziger
Ncitvereine, fast durchgehends auf edlen Pferden. Drauf, ihre Trommler voran, die
prachtvolle Fahne in der Mitte, Eichenzweige auf den Hüten, geflossen und taktfest,
die strammen Rotten der hiesigen Turnerschaft. Daran schlössen sich weißge¬
kleidete Schulmädchen, dann Zöglinge der Knabenclassen unserer Stadtschulen,
dann die Herren Primaner, Secundaner u.s. w.. der beiden städtischen Gymnasien.
Hierauf folgten — das anmuthigste Glied der langen Kette — die Ehren¬
begleiterinnen unsrer alten Kämpfer vom Jahre dreizehn, eine Schaar Jung¬
frauen in weißen Kleidern und Ueberwürfen, mit Eichenlaub geschmückt und
Eichenkränze im Arm, mehr Töchter hiesiger Patricierfamilicn darunter, als
die geringe Geneigtheit eines großen Theils dieser Bevölkerungsschicht gegen
die Feier anfangs glauben ließ.

Dann — Hurrah und abermaliges Hurrah. Tücherwehen und Blumen-
regen aus allen Fenstern — die Beteranen der Völkerschlacht selbst, die Ersten
und Vornehmsten der heute Gefeierten, die Hälfte, etwa in blumenbekränzten
Wagen, die von den Zuschauern in den Etagen und unten am Wege bald ganz
mit Blumen bedeckt werden, die Uebrigen in langer Reihe zu Fuß hinterdrein.
Im ersten Wagen befinden sich der General von Pfuel, 1815 Commandant
von Paris, Major Beneke und Friedrich von Raumer, der Geschichtschreiber.
Weiterhin folgen, wie es scheint vom Zufall gemischt, zum Theil in Frack und
weißer Cravatte, zum Theil in einfacher Bürger- und Bauerntracht, viele auch
im ärmlichen Rock des Tagelöhners, einige in Montur oder Uniform, einzelne
Abtheilungen mit Vereinsfahnen und von Führern mit dem Degen in der Hand
commandirt, jede neue Schaar mit neuem Hochruf und neuen Blumenspenden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116103"/>
            <p xml:id="ID_655" prev="#ID_654"> zu beobachten Gelegenheit hatte: diese Feste, die das Volk sich selbst gibt,<lb/>
haben zugleich erziehenden Charakter, Sie gewöhnen wie an Selbstverwaltung<lb/>
auch an Selbstbeherrschung, und das ist vielleicht das Beste an ihnen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 4.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_656"> &#x2014; Auch dieser Tag des großen Siegesfestes, der Haupt¬<lb/>
tag, ist in erwünschtester Weise verlaufen. Wieder vom Morgen bis zum Abend<lb/>
ein Himmel von ungetrübter Reinheit, wieder eine mitfeiernde Sonne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_657"> Es galt, den Grundstein zu dem Denkmal zu legen, welches auf der Höhe<lb/>
zwischen Stötteritz und dem Thonberg das Gedächtniß der Schlacht verewigen<lb/>
soll. Gegen halb elf Uhr feste sich der Zug der an diesem Act der Feier<lb/>
Theilnehmenden vom Roß- und Königsplatz aus in Bewegung, eine imposante<lb/>
Procession, welche in den Zahlen der großen Turnerparade des August zwar<lb/>
nicht gleichkam, an charakteristischen Zügen aber beträchtlich reicher war. Ueber<lb/>
dreißig Musikchöle begleiteten den Zug. den weit über hundert Fahnen und<lb/>
Banner schmückten, und den man mit zwölftausend Köpfen eher zu niedrig als<lb/>
zu hoch veranschlagte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_658"> Zuerst kamen unter Vorritt eines Trompetercorps die Mitglieder der leipziger<lb/>
Ncitvereine, fast durchgehends auf edlen Pferden. Drauf, ihre Trommler voran, die<lb/>
prachtvolle Fahne in der Mitte, Eichenzweige auf den Hüten, geflossen und taktfest,<lb/>
die strammen Rotten der hiesigen Turnerschaft. Daran schlössen sich weißge¬<lb/>
kleidete Schulmädchen, dann Zöglinge der Knabenclassen unserer Stadtschulen,<lb/>
dann die Herren Primaner, Secundaner u.s. w.. der beiden städtischen Gymnasien.<lb/>
Hierauf folgten &#x2014; das anmuthigste Glied der langen Kette &#x2014; die Ehren¬<lb/>
begleiterinnen unsrer alten Kämpfer vom Jahre dreizehn, eine Schaar Jung¬<lb/>
frauen in weißen Kleidern und Ueberwürfen, mit Eichenlaub geschmückt und<lb/>
Eichenkränze im Arm, mehr Töchter hiesiger Patricierfamilicn darunter, als<lb/>
die geringe Geneigtheit eines großen Theils dieser Bevölkerungsschicht gegen<lb/>
die Feier anfangs glauben ließ.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_659" next="#ID_660"> Dann &#x2014; Hurrah und abermaliges Hurrah. Tücherwehen und Blumen-<lb/>
regen aus allen Fenstern &#x2014; die Beteranen der Völkerschlacht selbst, die Ersten<lb/>
und Vornehmsten der heute Gefeierten, die Hälfte, etwa in blumenbekränzten<lb/>
Wagen, die von den Zuschauern in den Etagen und unten am Wege bald ganz<lb/>
mit Blumen bedeckt werden, die Uebrigen in langer Reihe zu Fuß hinterdrein.<lb/>
Im ersten Wagen befinden sich der General von Pfuel, 1815 Commandant<lb/>
von Paris, Major Beneke und Friedrich von Raumer, der Geschichtschreiber.<lb/>
Weiterhin folgen, wie es scheint vom Zufall gemischt, zum Theil in Frack und<lb/>
weißer Cravatte, zum Theil in einfacher Bürger- und Bauerntracht, viele auch<lb/>
im ärmlichen Rock des Tagelöhners, einige in Montur oder Uniform, einzelne<lb/>
Abtheilungen mit Vereinsfahnen und von Führern mit dem Degen in der Hand<lb/>
commandirt, jede neue Schaar mit neuem Hochruf und neuen Blumenspenden</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0175] zu beobachten Gelegenheit hatte: diese Feste, die das Volk sich selbst gibt, haben zugleich erziehenden Charakter, Sie gewöhnen wie an Selbstverwaltung auch an Selbstbeherrschung, und das ist vielleicht das Beste an ihnen. 4. — Auch dieser Tag des großen Siegesfestes, der Haupt¬ tag, ist in erwünschtester Weise verlaufen. Wieder vom Morgen bis zum Abend ein Himmel von ungetrübter Reinheit, wieder eine mitfeiernde Sonne. Es galt, den Grundstein zu dem Denkmal zu legen, welches auf der Höhe zwischen Stötteritz und dem Thonberg das Gedächtniß der Schlacht verewigen soll. Gegen halb elf Uhr feste sich der Zug der an diesem Act der Feier Theilnehmenden vom Roß- und Königsplatz aus in Bewegung, eine imposante Procession, welche in den Zahlen der großen Turnerparade des August zwar nicht gleichkam, an charakteristischen Zügen aber beträchtlich reicher war. Ueber dreißig Musikchöle begleiteten den Zug. den weit über hundert Fahnen und Banner schmückten, und den man mit zwölftausend Köpfen eher zu niedrig als zu hoch veranschlagte. Zuerst kamen unter Vorritt eines Trompetercorps die Mitglieder der leipziger Ncitvereine, fast durchgehends auf edlen Pferden. Drauf, ihre Trommler voran, die prachtvolle Fahne in der Mitte, Eichenzweige auf den Hüten, geflossen und taktfest, die strammen Rotten der hiesigen Turnerschaft. Daran schlössen sich weißge¬ kleidete Schulmädchen, dann Zöglinge der Knabenclassen unserer Stadtschulen, dann die Herren Primaner, Secundaner u.s. w.. der beiden städtischen Gymnasien. Hierauf folgten — das anmuthigste Glied der langen Kette — die Ehren¬ begleiterinnen unsrer alten Kämpfer vom Jahre dreizehn, eine Schaar Jung¬ frauen in weißen Kleidern und Ueberwürfen, mit Eichenlaub geschmückt und Eichenkränze im Arm, mehr Töchter hiesiger Patricierfamilicn darunter, als die geringe Geneigtheit eines großen Theils dieser Bevölkerungsschicht gegen die Feier anfangs glauben ließ. Dann — Hurrah und abermaliges Hurrah. Tücherwehen und Blumen- regen aus allen Fenstern — die Beteranen der Völkerschlacht selbst, die Ersten und Vornehmsten der heute Gefeierten, die Hälfte, etwa in blumenbekränzten Wagen, die von den Zuschauern in den Etagen und unten am Wege bald ganz mit Blumen bedeckt werden, die Uebrigen in langer Reihe zu Fuß hinterdrein. Im ersten Wagen befinden sich der General von Pfuel, 1815 Commandant von Paris, Major Beneke und Friedrich von Raumer, der Geschichtschreiber. Weiterhin folgen, wie es scheint vom Zufall gemischt, zum Theil in Frack und weißer Cravatte, zum Theil in einfacher Bürger- und Bauerntracht, viele auch im ärmlichen Rock des Tagelöhners, einige in Montur oder Uniform, einzelne Abtheilungen mit Vereinsfahnen und von Führern mit dem Degen in der Hand commandirt, jede neue Schaar mit neuem Hochruf und neuen Blumenspenden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/175
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/175>, abgerufen am 15.01.2025.