Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.der. ein in sich abgeschlossenes Staatswesen. ein Staatswesen, das. während es Es kam, als man sich überzeugt hatte, daß der handhabe Absolutismus der. ein in sich abgeschlossenes Staatswesen. ein Staatswesen, das. während es Es kam, als man sich überzeugt hatte, daß der handhabe Absolutismus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116047"/> <p xml:id="ID_422" prev="#ID_421"> der. ein in sich abgeschlossenes Staatswesen. ein Staatswesen, das. während es<lb/> in ununterbrochenem Kampfe seine Freiheit gegen die Regierung zu vertheidigen<lb/> hatte, er sich die Kraft fand, seine Verfassung zu entwickeln, auszubilden und<lb/> umzubilden. Natürlich liegt in einem so festen und soliden Körper eine Attrac-<lb/> tionstraft, die. wenn sie von der Staatsregierung unterstützt wäre, im Laufe<lb/> der Zeit die lockern und vereinzelten Bestandtheile der Monarchie mit sich ve>-<lb/> knüpft haben würde, während der überlegenen in den Spitzen des Reiches con-<lb/> centrirten deutschen Cultur ein weites Feld der Wirksamkeit eröffnet und die<lb/> Aufgabe zugefallen wäre, deutsche und magyarische Nationalität in einer ge¬<lb/> meinsamen östreichischen zu vereinigen. Diese Ausgabe ist versäumt, und kein<lb/> vernünftiger Staatsmann kann daran denken, eine Lösung derselben, die nur<lb/> das Werk von Jahrhunderten sein könnte, improvisiren zu wollen. Ebenso¬<lb/> wenig darf er. wenn ein Neubau nöthig ist. das Material zum Bau improvi-<lb/> siren wollen, während die Bausteine zu einem östreichischen Gesammtstaat fer¬<lb/> tig vorliegen, deutsche Cultur und ungarisches Staatswesen. Die Regierung<lb/> zertrümmert dieses, die Ungarn ignoriren jene; das Resultat ist selbstverständlich:<lb/> es wird in die Luft hineingebaut, aber es fehlt das Fundament.</p><lb/> <p xml:id="ID_423" next="#ID_424"> Es kam, als man sich überzeugt hatte, daß der handhabe Absolutismus<lb/> der Aufgabe einen Einheitsstaat herzustellen, nicht gewachsen war. vor Allem<lb/> daraus an, Ungarn für eine Neugestaltung des Staates auf constttutionellcr<lb/> Grundlage zu gewinnen. Wen» eiwa die zu Rathe gezogenen ungarischen<lb/> Staatsmänner der Regierung des Kaisers mit der Hoffnung geschmeichelt ha^<lb/> den, die den Ungarn durch die Octvoererlasse gemachten Zugeständnisse würden<lb/> eine geeignete Grundlage für ein Kompromiß zwischen den gesammtstaatlichen<lb/> und ungarischen Interessen sein, so haben sie eine schwere Verantwortlichkeit<lb/> auf sich geladen; sie konnten und mußten ihre Landsleute genau genug kenne»,<lb/> um zu wissen, daß dieselben zu viel politische Erfahrung besitzen, um sich dur ^<lb/> eine Gabe von zweifelhaftem Werthe überrumpeln zu lassen, und ihren nach<lb/> beiden Seiten hin bindenden Staatsvertrag gegen eine octrvyirte Gesammt-<lb/> staatsverfassung hinzugeben. Die Regierung, anstatt Ungarn wie ein erobertes<lb/> Land, welches seine Verfassung verwirkt und daher jedes Zugeständniß als<lb/> eine Gnade anzusehen habe, zu behandeln, mußte vielmehr die Verhandlungen<lb/> mit Ungarn zum Ausgangspunkt ihrer großartigen Reformprvjecte machen;<lb/> sie mußte die uralte Verfassung Ungarns als den Krystallisationspunkt für das<lb/> Verfassungsleben des Gesammtstaates behandeln, wobei man freilich auf den<lb/> dramatischen Effect verzichten mußte, den ein urplötzlich wie aus dem Chaos<lb/> ans Licht getretenes constitutionellcs Gesammtöstreich hervorzubringen geeignet<lb/> war. Indessen die Politik der Ueberraschung, die wie der äsus ex maLlriuu,<lb/> die schwierigsten Knoten entwirren oder zerhauen soll und die seit Villafrcinca<lb/> das beliebteste Hausmittel der östreichischen Regierung geworden zu sein scheint.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
der. ein in sich abgeschlossenes Staatswesen. ein Staatswesen, das. während es
in ununterbrochenem Kampfe seine Freiheit gegen die Regierung zu vertheidigen
hatte, er sich die Kraft fand, seine Verfassung zu entwickeln, auszubilden und
umzubilden. Natürlich liegt in einem so festen und soliden Körper eine Attrac-
tionstraft, die. wenn sie von der Staatsregierung unterstützt wäre, im Laufe
der Zeit die lockern und vereinzelten Bestandtheile der Monarchie mit sich ve>-
knüpft haben würde, während der überlegenen in den Spitzen des Reiches con-
centrirten deutschen Cultur ein weites Feld der Wirksamkeit eröffnet und die
Aufgabe zugefallen wäre, deutsche und magyarische Nationalität in einer ge¬
meinsamen östreichischen zu vereinigen. Diese Ausgabe ist versäumt, und kein
vernünftiger Staatsmann kann daran denken, eine Lösung derselben, die nur
das Werk von Jahrhunderten sein könnte, improvisiren zu wollen. Ebenso¬
wenig darf er. wenn ein Neubau nöthig ist. das Material zum Bau improvi-
siren wollen, während die Bausteine zu einem östreichischen Gesammtstaat fer¬
tig vorliegen, deutsche Cultur und ungarisches Staatswesen. Die Regierung
zertrümmert dieses, die Ungarn ignoriren jene; das Resultat ist selbstverständlich:
es wird in die Luft hineingebaut, aber es fehlt das Fundament.
Es kam, als man sich überzeugt hatte, daß der handhabe Absolutismus
der Aufgabe einen Einheitsstaat herzustellen, nicht gewachsen war. vor Allem
daraus an, Ungarn für eine Neugestaltung des Staates auf constttutionellcr
Grundlage zu gewinnen. Wen» eiwa die zu Rathe gezogenen ungarischen
Staatsmänner der Regierung des Kaisers mit der Hoffnung geschmeichelt ha^
den, die den Ungarn durch die Octvoererlasse gemachten Zugeständnisse würden
eine geeignete Grundlage für ein Kompromiß zwischen den gesammtstaatlichen
und ungarischen Interessen sein, so haben sie eine schwere Verantwortlichkeit
auf sich geladen; sie konnten und mußten ihre Landsleute genau genug kenne»,
um zu wissen, daß dieselben zu viel politische Erfahrung besitzen, um sich dur ^
eine Gabe von zweifelhaftem Werthe überrumpeln zu lassen, und ihren nach
beiden Seiten hin bindenden Staatsvertrag gegen eine octrvyirte Gesammt-
staatsverfassung hinzugeben. Die Regierung, anstatt Ungarn wie ein erobertes
Land, welches seine Verfassung verwirkt und daher jedes Zugeständniß als
eine Gnade anzusehen habe, zu behandeln, mußte vielmehr die Verhandlungen
mit Ungarn zum Ausgangspunkt ihrer großartigen Reformprvjecte machen;
sie mußte die uralte Verfassung Ungarns als den Krystallisationspunkt für das
Verfassungsleben des Gesammtstaates behandeln, wobei man freilich auf den
dramatischen Effect verzichten mußte, den ein urplötzlich wie aus dem Chaos
ans Licht getretenes constitutionellcs Gesammtöstreich hervorzubringen geeignet
war. Indessen die Politik der Ueberraschung, die wie der äsus ex maLlriuu,
die schwierigsten Knoten entwirren oder zerhauen soll und die seit Villafrcinca
das beliebteste Hausmittel der östreichischen Regierung geworden zu sein scheint.
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