Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.verstehen vermöchten, wenn wir nicht endlich den Schlüssel zu dem Räthsel ge¬ Durch die ganze Nation ist einst die Kunde gegangen von dem mannhaften Wir glauben nicht zu irren, wenn wir in den Worten des Herrn Ministers Ebensowenig wollen wir die gesinnungstüchtige Rede kritisch zergliedern, verstehen vermöchten, wenn wir nicht endlich den Schlüssel zu dem Räthsel ge¬ Durch die ganze Nation ist einst die Kunde gegangen von dem mannhaften Wir glauben nicht zu irren, wenn wir in den Worten des Herrn Ministers Ebensowenig wollen wir die gesinnungstüchtige Rede kritisch zergliedern, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116037"/> <p xml:id="ID_391" prev="#ID_390"> verstehen vermöchten, wenn wir nicht endlich den Schlüssel zu dem Räthsel ge¬<lb/> funden zu haben glaubten.</p><lb/> <p xml:id="ID_392"> Durch die ganze Nation ist einst die Kunde gegangen von dem mannhaften<lb/> Auftreten dreier in den Jahren der letzten politischen Bewegungen an der leipziger<lb/> Hochschule wirkenden Gelehrten und von der Art und Weise, auf die sie ihres<lb/> Amtes verlustig gingen. Sie und noch einige Wenige bilden die dritte Classe<lb/> von philologischen Charakteren, die der Herr Minister kennen gelernt hat. Daß<lb/> diese drei. Haupt. Jahr und Mommsen kurz darauf Anstellung in Preu¬<lb/> ßen fanden, ist bekannt genug, ebenso bekannt, welche ehrenvolle und glänzende<lb/> Stelle sie in der Alterthumswissenschaft einnehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_393"> Wir glauben nicht zu irren, wenn wir in den Worten des Herrn Ministers<lb/> einen deutlichen Hinweis auf diese drei Männer gefunden haben, welche in der '<lb/> That dem deutschen Volke nicht nur als Gelehrte ersten Ranges, sondern auch<lb/> als wahrhaft tüchtige Charaktere im vollsten Sinne des Worts werth sind. Kön¬<lb/> nen wir nun auch diese etwas spät kommende Anerkennung ihres Werthes von<lb/> Seiten der sächsischen Regierung nicht ohne eine gewisse Verwunderung ver¬<lb/> nehmen, so acceptuen wir dieselbe doch bestens, nicht weil dadurch diesen Dreien<lb/> eine sonderliche Ehre widerfahren wäre, sondern weil die sächsische Unterrichts¬<lb/> behörde damit den Anfang macht eine alte Schuld zu sühnen. Freilich würde<lb/> das genügender geschehen sein, wenn der Herr Minister es über sich gewon¬<lb/> nen hätte, die Namen der Männer zu nennen, die er im Sinne hatte. Doch<lb/> wir wollen nicht mit ihm rechten Und uns an dem Gebotenen genug sein<lb/> lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_394" next="#ID_395"> Ebensowenig wollen wir die gesinnungstüchtige Rede kritisch zergliedern,<lb/> in welcher der — wenn wir nicht irren — Vicepräsident. Herr Rector Dietsch aus<lb/> Plauen die Verdienste des Ministers beräucherte. Wir wollen gleich hier bemerken,<lb/> daß derselbe in der ersten allgemeinen Sitzung desselben Tages eine Rede über „Les¬<lb/> sing als Philologen" gehalten hatte, welche ihm der große Mann verzeihen möge.<lb/> Uns hat es weh gethan, daß an derselben Stätte, wo Lessing seine Jugend¬<lb/> bildung genoß, in demselben Saale, den die geschäftige Phantasie so gern mit<lb/> dem Bilde des jungen Helden unsrer Literatur belebt hätte, ein Mann ihn zu<lb/> schildern unternahm, der seine große Ausgabe durch hohle pathetische Phrasen,<lb/> durch Erzählung abgestandener Anekdoten und durch zusammengelesene Stücke<lb/> aus Biographien Lessings zu lösen wagte. Aufgefallen ist uns neben dem gänz¬<lb/> lichen Mangel an großer und edler Auffassung so wie an irgendwie bedeuten<lb/> den Gedanken die wahrhaft verzweifelte Naivetät, mit welcher der Redner deutsch,<lb/> sprach. Hier zum ersten Male haben wir jenes altberühmte Sächsisch gehört,<lb/> welches wir bis jetzt für eine boshafte Erfindung der nichtsächsischen Völker¬<lb/> schaften gehalten haben. Daß der Gelehrte in Herrn Dietsch seinen Weg nicht<lb/> ändern wird, glauben wir wohl; «der dem Schulmann Dietsch möchten wir</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
verstehen vermöchten, wenn wir nicht endlich den Schlüssel zu dem Räthsel ge¬
funden zu haben glaubten.
Durch die ganze Nation ist einst die Kunde gegangen von dem mannhaften
Auftreten dreier in den Jahren der letzten politischen Bewegungen an der leipziger
Hochschule wirkenden Gelehrten und von der Art und Weise, auf die sie ihres
Amtes verlustig gingen. Sie und noch einige Wenige bilden die dritte Classe
von philologischen Charakteren, die der Herr Minister kennen gelernt hat. Daß
diese drei. Haupt. Jahr und Mommsen kurz darauf Anstellung in Preu¬
ßen fanden, ist bekannt genug, ebenso bekannt, welche ehrenvolle und glänzende
Stelle sie in der Alterthumswissenschaft einnehmen.
Wir glauben nicht zu irren, wenn wir in den Worten des Herrn Ministers
einen deutlichen Hinweis auf diese drei Männer gefunden haben, welche in der '
That dem deutschen Volke nicht nur als Gelehrte ersten Ranges, sondern auch
als wahrhaft tüchtige Charaktere im vollsten Sinne des Worts werth sind. Kön¬
nen wir nun auch diese etwas spät kommende Anerkennung ihres Werthes von
Seiten der sächsischen Regierung nicht ohne eine gewisse Verwunderung ver¬
nehmen, so acceptuen wir dieselbe doch bestens, nicht weil dadurch diesen Dreien
eine sonderliche Ehre widerfahren wäre, sondern weil die sächsische Unterrichts¬
behörde damit den Anfang macht eine alte Schuld zu sühnen. Freilich würde
das genügender geschehen sein, wenn der Herr Minister es über sich gewon¬
nen hätte, die Namen der Männer zu nennen, die er im Sinne hatte. Doch
wir wollen nicht mit ihm rechten Und uns an dem Gebotenen genug sein
lassen.
Ebensowenig wollen wir die gesinnungstüchtige Rede kritisch zergliedern,
in welcher der — wenn wir nicht irren — Vicepräsident. Herr Rector Dietsch aus
Plauen die Verdienste des Ministers beräucherte. Wir wollen gleich hier bemerken,
daß derselbe in der ersten allgemeinen Sitzung desselben Tages eine Rede über „Les¬
sing als Philologen" gehalten hatte, welche ihm der große Mann verzeihen möge.
Uns hat es weh gethan, daß an derselben Stätte, wo Lessing seine Jugend¬
bildung genoß, in demselben Saale, den die geschäftige Phantasie so gern mit
dem Bilde des jungen Helden unsrer Literatur belebt hätte, ein Mann ihn zu
schildern unternahm, der seine große Ausgabe durch hohle pathetische Phrasen,
durch Erzählung abgestandener Anekdoten und durch zusammengelesene Stücke
aus Biographien Lessings zu lösen wagte. Aufgefallen ist uns neben dem gänz¬
lichen Mangel an großer und edler Auffassung so wie an irgendwie bedeuten
den Gedanken die wahrhaft verzweifelte Naivetät, mit welcher der Redner deutsch,
sprach. Hier zum ersten Male haben wir jenes altberühmte Sächsisch gehört,
welches wir bis jetzt für eine boshafte Erfindung der nichtsächsischen Völker¬
schaften gehalten haben. Daß der Gelehrte in Herrn Dietsch seinen Weg nicht
ändern wird, glauben wir wohl; «der dem Schulmann Dietsch möchten wir
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