Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.bedingt für die Pläne Rußlands gewonnen werden, und Alexander kannte das Friedrich Wilhelm konnte so hochsinnigen Vertrauen nicht widerstehen. Er Daß Preußen aus diese Weise von seiner bisherigen Politik abwich, ist Grenzboten IV. 1863. 13
bedingt für die Pläne Rußlands gewonnen werden, und Alexander kannte das Friedrich Wilhelm konnte so hochsinnigen Vertrauen nicht widerstehen. Er Daß Preußen aus diese Weise von seiner bisherigen Politik abwich, ist Grenzboten IV. 1863. 13
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bedingt für die Pläne Rußlands gewonnen werden, und Alexander kannte das
Mittel, mit dem ihm beizukommen war. Er lud ihn am 6. November zu
einem Mahle im vertrautesten Kreise ein, führte eine bewegte Scene herbei,
appellirte an sein Gefühl, seine Freundestreue. auf den Werth, den er, der
Kaiser, derselben beilege, auf Alles, was er gethan, um sie zu einer ewigen
zu machen. und schloß dann im Schwung edelster Erregung: stets habe er sei-
nen Ruhm in der Wiederherstellung Polens gesucht, und jetzt, wo er auf dem
Punkte stehe, diesen lange genährten Wunsch erfüllt zu sehen — sollte er da
den Schmerz erleben, in den Reihen derer, die sich ihm widersetzten, auch den
geliebtesten seiner Freunde zu erblicken!
Friedrich Wilhelm konnte so hochsinnigen Vertrauen nicht widerstehen. Er
dachte nicht an Tilsit. Er antwortete mit gleichen Freundschaftsversicherungen
und versprach, die Absichten Alexanders in Polen zu unterstützen. Letzterer,
der gerührten Stimmung des Freundes nicht für die Dauer vertrauend, bewog
ihn. Hardenberg rufen zu lassen und setzte diesem mit Gewandtheit auseinander,
welche Zusagen ihm soeben geworden seien. Der Staatskanzler machte eine
bedenkliche Miene und wollte Einwendungen erheben, allein Alexander ließ ihn
damit nicht recht zu Worte kommen, sprach feierlich im Namen seines Freundes
Friedrich Wilhelm und fragte den Minister in bestimmtester Weise, ob er etwa
dem Befehl seines Königs nicht gehorchen wolle? — Hardenberg mußte sich unter¬
werfen. Er war tief gekränkt und dachte einen Augenblick daran, seine Ent¬
lassung zu fordern, blieb aber, da er, wie bestimmbare Menschen ohne ener¬
gischen Charakter Pflegen, sehr bald zu dem Schluß kam. daß dies besser sei,
indem dadurch größeres Unheil vermieden würde. Er bemühte sich fortan
hauptsächlich. Alexander zu bewegen, seine Ansprüche theilweise herabzustimmen,
und erlangte damit in der That einige freilich sehr bescheidene Erfolge.
Daß Preußen aus diese Weise von seiner bisherigen Politik abwich, ist
vielfach getadelt worden, und nicht mit Unrecht; denn man opferte viel, indem
man seiner Verbindung mit England entsagte. Doch wäre es ein Irrthum,
zu glauben, daß sich Alles ohne Schwierigkeit zum Besten gewendet haben
würde, wenn man diese Verbindung festgehalten hätte und auf der früher ver¬
folgten Bahn in der polnischen Frage geblieben wäre. Von den Gegnern Ruß«
lands hatte nur England den Ansprüchen Preußens auf Sachsen ohne Ein-
schränkung zugestimmt, und selbst England war bei seiner eigennützigen Poli-
tik und bei dem beschränkten, mehr sür das aristokratische und absolutistische
Oestreich als für Preußen gestimmten Sinn seines Vertreters in Wien, der
überdies sür Gras Münster, den schlimmsten Feind der preußischen An¬
sprüche, ein Ohr hatte, keineswegs ganz zuverlässig. Oestreich willigte mit
dem äußersten Widerstreben in die Einverleibung Sachsens und war stets ge¬
neigt, sein Wort zurückzunehmen. Frankreich widersprach geradezu. Kam es
Grenzboten IV. 1863. 13
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