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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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der Gegner zu erschweren, suchten die beiden Athleten die günstigste Stellung
hinsichtlich der Sonne zu gewinnen, legten dann, den Oberkörper zurückbeugend,
beide Arme gegen einander aus, und nun kam es darauf an, mit festem Auge,
vorsichtiger Deckung, Schulgerechtem Griffen und Finten, durch raschen Ruck oder
Stoß, durch Aufhebung in der Umschlingung. durch Beinstellen, Drosseln und
Pressen den Gegner zum Falle zu bringen und ihn zu zwingen, sich für besiegt
zu erklären. Verpönt dabei war, mit der Faust oder den Füßen zu schlagen
oder gar zu beißen; erlaubt aber, die Finger des Gegners zu quetschen und
zu brechen, so daß derselbe durch Schmerz besiegt vom Kampfe absehen mußte.
In letzterer Kunst erfahren war nach Pausanias der Sikyonier Sostratos. den
man den Beinamen "Fingcrspitzler" gab, und Lcontiskos, der das Niederwerfen
der Gegner gar nicht verstand. Die Ausbildung des Ringkampfs schon in der
heroischen Zeit bezeugen viele Schilderungen Homers, unter denen wir als die
charakteristische den Kampf zwischen Odysseus und Ajax hier hervorheben. "Als
sich Beide gegürtet, da traten sie vor in den Kampfkreis, faßten sich dann
einander, umschmiegt mit gewaltigen Armen, wie die vom Baumeister ver¬
schränkten Balken eines hohen Hauses. Beiden knirschte der Rücken, von stark
umspannenden Armen angestrengt und zuckend, und nieder strömte der Schweiß
rings. Aber häufige Striemen an Seiten und Schultern, roth von schwellendem
Blut, erhoben sich , und mit Begier rangen sie Beide nach Sieg um den schön
gegossenen Dreifuß. Weder vermochte Odysseus im Ruck auf den Boden zu
schmettern, noch auch Ajax war es im Stande. -- Doch der List nicht sparet,
Odysseus, schlug ihm von hinten die Beugung des Knies und löste die Glie¬
der: rücklings warf er ihn hin und es sank von oben Odysseus ihm auf
die Brust."

Nach den Ringern traten die Faustkämpfer auf, deren Leistungen seit der
dreiundzwanzigsten Olympiade bei dem olympischen Feste Eingang gefunden
hatten. Es war dies unstreitig die schwerste und gefährlichste Kampfart, bei
welcher Leben und Gesundheit aufs Spiel kam. Denn mit dem Schlage der
einfachen Faust begnügte man sich nicht lange. Zwar das Geflecht aus wei¬
chen Riemen, womit man die Mitte der Hand bis zu den Fingern anfangs
umgab, scheint weniger den Zweck gehabt zu haben, den Schlag zu verstärken,
als die Hand und besonders das Gelenk an der Pulsader zu schützen. Als
man aber noch Streifen gehärteten, scharfen Leders und endlich gar metallene
Nägel. Knoten und Buckel hinzufügte, mußte jeder gutgezielte Schlag Beulen
und Blutspuren hinter sich lassen. Natürlich ging auch diesem Kampfe eine
Loosung voran. Bisweilen entspann sich darauf das von Flötenmusik begleitete
Gefecht sogleich um die günstigste Stellung, oder, wenn man über dieselbe
übereingekommen war. so beschrieben wohl auch die Klopffechter einige Fecht¬
hiebe durch die Lust, um die Gelenkigkeit ihrer Arme zu erproben. Dann


der Gegner zu erschweren, suchten die beiden Athleten die günstigste Stellung
hinsichtlich der Sonne zu gewinnen, legten dann, den Oberkörper zurückbeugend,
beide Arme gegen einander aus, und nun kam es darauf an, mit festem Auge,
vorsichtiger Deckung, Schulgerechtem Griffen und Finten, durch raschen Ruck oder
Stoß, durch Aufhebung in der Umschlingung. durch Beinstellen, Drosseln und
Pressen den Gegner zum Falle zu bringen und ihn zu zwingen, sich für besiegt
zu erklären. Verpönt dabei war, mit der Faust oder den Füßen zu schlagen
oder gar zu beißen; erlaubt aber, die Finger des Gegners zu quetschen und
zu brechen, so daß derselbe durch Schmerz besiegt vom Kampfe absehen mußte.
In letzterer Kunst erfahren war nach Pausanias der Sikyonier Sostratos. den
man den Beinamen „Fingcrspitzler" gab, und Lcontiskos, der das Niederwerfen
der Gegner gar nicht verstand. Die Ausbildung des Ringkampfs schon in der
heroischen Zeit bezeugen viele Schilderungen Homers, unter denen wir als die
charakteristische den Kampf zwischen Odysseus und Ajax hier hervorheben. „Als
sich Beide gegürtet, da traten sie vor in den Kampfkreis, faßten sich dann
einander, umschmiegt mit gewaltigen Armen, wie die vom Baumeister ver¬
schränkten Balken eines hohen Hauses. Beiden knirschte der Rücken, von stark
umspannenden Armen angestrengt und zuckend, und nieder strömte der Schweiß
rings. Aber häufige Striemen an Seiten und Schultern, roth von schwellendem
Blut, erhoben sich , und mit Begier rangen sie Beide nach Sieg um den schön
gegossenen Dreifuß. Weder vermochte Odysseus im Ruck auf den Boden zu
schmettern, noch auch Ajax war es im Stande. — Doch der List nicht sparet,
Odysseus, schlug ihm von hinten die Beugung des Knies und löste die Glie¬
der: rücklings warf er ihn hin und es sank von oben Odysseus ihm auf
die Brust."

Nach den Ringern traten die Faustkämpfer auf, deren Leistungen seit der
dreiundzwanzigsten Olympiade bei dem olympischen Feste Eingang gefunden
hatten. Es war dies unstreitig die schwerste und gefährlichste Kampfart, bei
welcher Leben und Gesundheit aufs Spiel kam. Denn mit dem Schlage der
einfachen Faust begnügte man sich nicht lange. Zwar das Geflecht aus wei¬
chen Riemen, womit man die Mitte der Hand bis zu den Fingern anfangs
umgab, scheint weniger den Zweck gehabt zu haben, den Schlag zu verstärken,
als die Hand und besonders das Gelenk an der Pulsader zu schützen. Als
man aber noch Streifen gehärteten, scharfen Leders und endlich gar metallene
Nägel. Knoten und Buckel hinzufügte, mußte jeder gutgezielte Schlag Beulen
und Blutspuren hinter sich lassen. Natürlich ging auch diesem Kampfe eine
Loosung voran. Bisweilen entspann sich darauf das von Flötenmusik begleitete
Gefecht sogleich um die günstigste Stellung, oder, wenn man über dieselbe
übereingekommen war. so beschrieben wohl auch die Klopffechter einige Fecht¬
hiebe durch die Lust, um die Gelenkigkeit ihrer Arme zu erproben. Dann


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[0098] der Gegner zu erschweren, suchten die beiden Athleten die günstigste Stellung hinsichtlich der Sonne zu gewinnen, legten dann, den Oberkörper zurückbeugend, beide Arme gegen einander aus, und nun kam es darauf an, mit festem Auge, vorsichtiger Deckung, Schulgerechtem Griffen und Finten, durch raschen Ruck oder Stoß, durch Aufhebung in der Umschlingung. durch Beinstellen, Drosseln und Pressen den Gegner zum Falle zu bringen und ihn zu zwingen, sich für besiegt zu erklären. Verpönt dabei war, mit der Faust oder den Füßen zu schlagen oder gar zu beißen; erlaubt aber, die Finger des Gegners zu quetschen und zu brechen, so daß derselbe durch Schmerz besiegt vom Kampfe absehen mußte. In letzterer Kunst erfahren war nach Pausanias der Sikyonier Sostratos. den man den Beinamen „Fingcrspitzler" gab, und Lcontiskos, der das Niederwerfen der Gegner gar nicht verstand. Die Ausbildung des Ringkampfs schon in der heroischen Zeit bezeugen viele Schilderungen Homers, unter denen wir als die charakteristische den Kampf zwischen Odysseus und Ajax hier hervorheben. „Als sich Beide gegürtet, da traten sie vor in den Kampfkreis, faßten sich dann einander, umschmiegt mit gewaltigen Armen, wie die vom Baumeister ver¬ schränkten Balken eines hohen Hauses. Beiden knirschte der Rücken, von stark umspannenden Armen angestrengt und zuckend, und nieder strömte der Schweiß rings. Aber häufige Striemen an Seiten und Schultern, roth von schwellendem Blut, erhoben sich , und mit Begier rangen sie Beide nach Sieg um den schön gegossenen Dreifuß. Weder vermochte Odysseus im Ruck auf den Boden zu schmettern, noch auch Ajax war es im Stande. — Doch der List nicht sparet, Odysseus, schlug ihm von hinten die Beugung des Knies und löste die Glie¬ der: rücklings warf er ihn hin und es sank von oben Odysseus ihm auf die Brust." Nach den Ringern traten die Faustkämpfer auf, deren Leistungen seit der dreiundzwanzigsten Olympiade bei dem olympischen Feste Eingang gefunden hatten. Es war dies unstreitig die schwerste und gefährlichste Kampfart, bei welcher Leben und Gesundheit aufs Spiel kam. Denn mit dem Schlage der einfachen Faust begnügte man sich nicht lange. Zwar das Geflecht aus wei¬ chen Riemen, womit man die Mitte der Hand bis zu den Fingern anfangs umgab, scheint weniger den Zweck gehabt zu haben, den Schlag zu verstärken, als die Hand und besonders das Gelenk an der Pulsader zu schützen. Als man aber noch Streifen gehärteten, scharfen Leders und endlich gar metallene Nägel. Knoten und Buckel hinzufügte, mußte jeder gutgezielte Schlag Beulen und Blutspuren hinter sich lassen. Natürlich ging auch diesem Kampfe eine Loosung voran. Bisweilen entspann sich darauf das von Flötenmusik begleitete Gefecht sogleich um die günstigste Stellung, oder, wenn man über dieselbe übereingekommen war. so beschrieben wohl auch die Klopffechter einige Fecht¬ hiebe durch die Lust, um die Gelenkigkeit ihrer Arme zu erproben. Dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/98>, abgerufen am 28.07.2024.