Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.in ganz Abyssinien herrscht. Männer wie Frauen der Falascha befolgen streng Barbarisch ist die Sitte, welche mit ihren überstrengen Begriffen von Rein¬ Wir bemerken noch, daß Stern in Genda, dem Mittelpunkt des Falascha- Oestreichs Pläne für Lösung der deutschen Frage. Die Reise des Herzogs von Coburg nach Wien und die Mittheilungen, welche Es ist wohl natürlich, daß die Presse der Reise eines liberalen Fürsten. Verein Endlich auch nichts Sicheres über die Pläne und Vorschlage, welche Oestreich in ganz Abyssinien herrscht. Männer wie Frauen der Falascha befolgen streng Barbarisch ist die Sitte, welche mit ihren überstrengen Begriffen von Rein¬ Wir bemerken noch, daß Stern in Genda, dem Mittelpunkt des Falascha- Oestreichs Pläne für Lösung der deutschen Frage. Die Reise des Herzogs von Coburg nach Wien und die Mittheilungen, welche Es ist wohl natürlich, daß die Presse der Reise eines liberalen Fürsten. Verein Endlich auch nichts Sicheres über die Pläne und Vorschlage, welche Oestreich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115477"/> <p xml:id="ID_244" prev="#ID_243"> in ganz Abyssinien herrscht. Männer wie Frauen der Falascha befolgen streng<lb/> die zehn Gebote, frühe Heirathen, Vielweiberei und Ehescheidungen sind ihnen<lb/> nicht gestattet. Männer dürfen nicht vor dem zwanzigsten, Mädchen nicht vor dem<lb/> fünfzehnten Jahre heirathen. Das weibliche Geschlecht geht unverschleiert umher.<lb/> Sehr andächtig und glaubensstreng, sind sie zugleich ungemein sauber und<lb/> reinlich. Sie treiben Ackerbau und Viehzucht sowie einige Handwerke; man fin¬<lb/> det z. B. unter ihnen Weber. Schmiede und Töpfer. Merkwürdig erscheint die<lb/> Thatsache, daß diese abyssinischen Juden nicht nur keine Neigung zum Handel<lb/> zeigen, sondern denselben geradezu verachten Stern schreibt: „Der Handel gilt<lb/> ihnen für unverträglich mit dem mosaischen Glauben, und man trifft unter die¬<lb/> ser Viertelmillion Menschen nicht einen einzigen Kaufmann."</p><lb/> <p xml:id="ID_245"> Barbarisch ist die Sitte, welche mit ihren überstrengen Begriffen von Rein¬<lb/> heit zusammenhängt. Neben jedem Dorfe befindet sich eine „unreine Hütte".<lb/> Dorthin schafft man die Kranken, deren Tod für unabwendbar gilt, Sie liegen<lb/> dann einsam und verlassen; denn kein Verwandter darf ihnen nahen, nur solche,<lb/> die selbst für unrein gelten, dürfen ihnen Gesellschaft und Beistand leisten.</p><lb/> <p xml:id="ID_246"> Wir bemerken noch, daß Stern in Genda, dem Mittelpunkt des Falascha-<lb/> landes. eine Missionsstation gegründet hat, und daß er sich natürlich — denn<lb/> alle Missionäre thun dies — große Hoffnung auf künftige Erfolge seiner Be¬<lb/> kehrungspredigten macht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Oestreichs Pläne für Lösung der deutschen Frage.</head><lb/> <p xml:id="ID_247"> Die Reise des Herzogs von Coburg nach Wien und die Mittheilungen, welche<lb/> über die Tendenz der Reift in die Ocffeotlichkeit gelangt sind, haben eine Menge von<lb/> Muthmaßungen und Angriffen hervorgerufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_248"> Es ist wohl natürlich, daß die Presse der Reise eines liberalen Fürsten. Verein<lb/> so erklärter Liebling des deutschen Volkes ist. Aufmerksamkeit zuwendet, aber wir<lb/> halten doch die Zeit nicht gekommen, darüber ein abweisendes Urtheil zu fällen.<lb/> Ueber die Haltung des Herzogs gegenüber den östreichischen Staatsmänner» ist der<lb/> Oeffentlichkeit nichts bekannt, nichts über die Ansichten, die er vertreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_249"> Endlich auch nichts Sicheres über die Pläne und Vorschlage, welche Oestreich<lb/> an Preußen und die übrigen deutschen Regierungen, wie man vernimmt, richten<lb/> will. Ob ein Directorium mit so und so viel Mitgliedern im Plane ist, oll ein<lb/> Parlament aus Volkswahlen, ob Oestreich mit allen Provinzen seines gegenwärtigen<lb/> Reichstags in die neue Föderativ» einzutreten gedenkt, ob die östreichischen Politiker<lb/> für ihre Pläne vorzugsweise auf die Mitwirkung der deutschen Regierungen oder des<lb/> deutschen Volkes rechnen, darüber hat die Presse gar nicht abzuurtheilen, denn sie<lb/> weiß darüber noch nichts Sicheres. Und gerade den Blättern, welchen man eine<lb/> Vorliebe für die östreichische Politik nicht schuld geben wird, würde es wenig an¬<lb/> stehen, über ein wahrscheinlich noch nicht fcstgeschlossenes. sicher noch nicht endgiltig<lb/> formulirtcs Programm abzusprechen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
in ganz Abyssinien herrscht. Männer wie Frauen der Falascha befolgen streng
die zehn Gebote, frühe Heirathen, Vielweiberei und Ehescheidungen sind ihnen
nicht gestattet. Männer dürfen nicht vor dem zwanzigsten, Mädchen nicht vor dem
fünfzehnten Jahre heirathen. Das weibliche Geschlecht geht unverschleiert umher.
Sehr andächtig und glaubensstreng, sind sie zugleich ungemein sauber und
reinlich. Sie treiben Ackerbau und Viehzucht sowie einige Handwerke; man fin¬
det z. B. unter ihnen Weber. Schmiede und Töpfer. Merkwürdig erscheint die
Thatsache, daß diese abyssinischen Juden nicht nur keine Neigung zum Handel
zeigen, sondern denselben geradezu verachten Stern schreibt: „Der Handel gilt
ihnen für unverträglich mit dem mosaischen Glauben, und man trifft unter die¬
ser Viertelmillion Menschen nicht einen einzigen Kaufmann."
Barbarisch ist die Sitte, welche mit ihren überstrengen Begriffen von Rein¬
heit zusammenhängt. Neben jedem Dorfe befindet sich eine „unreine Hütte".
Dorthin schafft man die Kranken, deren Tod für unabwendbar gilt, Sie liegen
dann einsam und verlassen; denn kein Verwandter darf ihnen nahen, nur solche,
die selbst für unrein gelten, dürfen ihnen Gesellschaft und Beistand leisten.
Wir bemerken noch, daß Stern in Genda, dem Mittelpunkt des Falascha-
landes. eine Missionsstation gegründet hat, und daß er sich natürlich — denn
alle Missionäre thun dies — große Hoffnung auf künftige Erfolge seiner Be¬
kehrungspredigten macht.
Oestreichs Pläne für Lösung der deutschen Frage.
Die Reise des Herzogs von Coburg nach Wien und die Mittheilungen, welche
über die Tendenz der Reift in die Ocffeotlichkeit gelangt sind, haben eine Menge von
Muthmaßungen und Angriffen hervorgerufen.
Es ist wohl natürlich, daß die Presse der Reise eines liberalen Fürsten. Verein
so erklärter Liebling des deutschen Volkes ist. Aufmerksamkeit zuwendet, aber wir
halten doch die Zeit nicht gekommen, darüber ein abweisendes Urtheil zu fällen.
Ueber die Haltung des Herzogs gegenüber den östreichischen Staatsmänner» ist der
Oeffentlichkeit nichts bekannt, nichts über die Ansichten, die er vertreten.
Endlich auch nichts Sicheres über die Pläne und Vorschlage, welche Oestreich
an Preußen und die übrigen deutschen Regierungen, wie man vernimmt, richten
will. Ob ein Directorium mit so und so viel Mitgliedern im Plane ist, oll ein
Parlament aus Volkswahlen, ob Oestreich mit allen Provinzen seines gegenwärtigen
Reichstags in die neue Föderativ» einzutreten gedenkt, ob die östreichischen Politiker
für ihre Pläne vorzugsweise auf die Mitwirkung der deutschen Regierungen oder des
deutschen Volkes rechnen, darüber hat die Presse gar nicht abzuurtheilen, denn sie
weiß darüber noch nichts Sicheres. Und gerade den Blättern, welchen man eine
Vorliebe für die östreichische Politik nicht schuld geben wird, würde es wenig an¬
stehen, über ein wahrscheinlich noch nicht fcstgeschlossenes. sicher noch nicht endgiltig
formulirtcs Programm abzusprechen.
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