Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

für die Marken und Schlesien erfüllt. Stägemann, der Preußen kennt, ist zu
indifferent, um seine Stimme geltend zu machen." "Mir gelingt es vielleicht,
ohne von Provinzialvorurtheilen besessen zu sein, meiner Provinz die Billigkeit
und alle die Rücksicht zu verschaffen, die ihre unglückliche Lage verdient."

Hippel erhielt, nachdem ihm in der unmittelbaren Umgebung des Staats¬
kanzlers Gelegenheit geworden, das Räderwerk der Staatsverwaltung genau
kennen zu lernen, im Laufe des Jahres 1812 einen festbegrcnzten Wirkungs¬
kreis. Hardenberg übertrug ihm nach und nach alle ständischen und einen
großen Theil der Finanzangelegenheiten. Seiner Bearbeitung fielen ferner
sämmtliche Militärsachen, soweit sie vom Staatskanzler refsortirten. sowie die
gewerbepolizeilichen Gegenstände und die Landescultursachen anheim. Was er
in allen diesen Zweigen geleistet, wie er auf Kosten seiner Gesundheit und mit
Hintansetzung aller Rücksichten auf seine Familie und seine verwickelten Ver-
mögensverhältnisse alle seine Kraft dem öffentlichen Dienst gewidmet, bezeugen
noch jetzt die Acten des geheimen Staatsarchivs.

Dabei wurde ihm nicht immer die Freude, was er für recht hielt, durch¬
zusetzen. Namentlich brachte ihm sein Sinn für äußerste Sparsamkeit und sein
Bestreben, die reichen Hilfsmittel, die dem Staate aus dem bereits eingeleiteten
Verkauf von Domänen und geistlichen Gütern zu Gebot standen, einer bessern
Zeit aufzubewahren, oft in Conflicte mit seinen Mitarbeitern und dem Staats¬
kanzler selbst, und bald wurde ihm der Schmerz, mit Scharnweber, den er
von jenen am höchsten schätzte, wegen des sogenannten Gensdarmerie-Edicts
vom 30. Juli 1812 unversöhnlich zu zerfallen.

Der Schluß des Jahres 1812 brachte eine, neue Entwickelung der preußi¬
schen Politik im Großen, und Hippel, schon damals zu den vertrauteren Rath-
gebern Hardenbergs gehörend, hatte an derselben einen nicht unwesentlichen An¬
theil. Als Eingeweihter übersah er den Gang der Ereignisse in Nußland, über
die er durch geheime Agenten in Warschau, Piock und Thorn Berichte empfing,
von denen zunächst die über den Umschwung der Stimmung unter den Polen
und deren Sehnsucht, preußische Verwaltung und Gerechtigkeitspflege wieder¬
kehren zu sehen, dann die über die Vernichtung der großen Armee von hoher
Wichtigkeit waren. Sein intimes Verhältniß zu der militärischen Umgebung
des Königs, seine Kenntniß der militärischen Verhältnisse, vor Allem aber seine
patriotische Ungeduld, das Joch der Fremdherrschaft zerbrochen zu sehen, ver¬
anlaßten ihn, als in seiner Umgebung Vorschläge zu einem Angriff auf Napoleon
laut wurden, seinerseits mit einem Plan hervorzutreten, den er bald nach Neu¬
jahr 1813 dem Staatskanzler unbemerkt auf den Tisch legte. Hardenberg, der
den Versasser errathen, ließ Hippel am nächsten Tage zu sich rufen, umarmte
ihn mit Thränen in den Augen und sagte ihm: "Alles, was Sie da verlangen,
geschieht, und geschieht in diesem Geiste." Hippel dankte ihm laut. Jener


für die Marken und Schlesien erfüllt. Stägemann, der Preußen kennt, ist zu
indifferent, um seine Stimme geltend zu machen." „Mir gelingt es vielleicht,
ohne von Provinzialvorurtheilen besessen zu sein, meiner Provinz die Billigkeit
und alle die Rücksicht zu verschaffen, die ihre unglückliche Lage verdient."

Hippel erhielt, nachdem ihm in der unmittelbaren Umgebung des Staats¬
kanzlers Gelegenheit geworden, das Räderwerk der Staatsverwaltung genau
kennen zu lernen, im Laufe des Jahres 1812 einen festbegrcnzten Wirkungs¬
kreis. Hardenberg übertrug ihm nach und nach alle ständischen und einen
großen Theil der Finanzangelegenheiten. Seiner Bearbeitung fielen ferner
sämmtliche Militärsachen, soweit sie vom Staatskanzler refsortirten. sowie die
gewerbepolizeilichen Gegenstände und die Landescultursachen anheim. Was er
in allen diesen Zweigen geleistet, wie er auf Kosten seiner Gesundheit und mit
Hintansetzung aller Rücksichten auf seine Familie und seine verwickelten Ver-
mögensverhältnisse alle seine Kraft dem öffentlichen Dienst gewidmet, bezeugen
noch jetzt die Acten des geheimen Staatsarchivs.

Dabei wurde ihm nicht immer die Freude, was er für recht hielt, durch¬
zusetzen. Namentlich brachte ihm sein Sinn für äußerste Sparsamkeit und sein
Bestreben, die reichen Hilfsmittel, die dem Staate aus dem bereits eingeleiteten
Verkauf von Domänen und geistlichen Gütern zu Gebot standen, einer bessern
Zeit aufzubewahren, oft in Conflicte mit seinen Mitarbeitern und dem Staats¬
kanzler selbst, und bald wurde ihm der Schmerz, mit Scharnweber, den er
von jenen am höchsten schätzte, wegen des sogenannten Gensdarmerie-Edicts
vom 30. Juli 1812 unversöhnlich zu zerfallen.

Der Schluß des Jahres 1812 brachte eine, neue Entwickelung der preußi¬
schen Politik im Großen, und Hippel, schon damals zu den vertrauteren Rath-
gebern Hardenbergs gehörend, hatte an derselben einen nicht unwesentlichen An¬
theil. Als Eingeweihter übersah er den Gang der Ereignisse in Nußland, über
die er durch geheime Agenten in Warschau, Piock und Thorn Berichte empfing,
von denen zunächst die über den Umschwung der Stimmung unter den Polen
und deren Sehnsucht, preußische Verwaltung und Gerechtigkeitspflege wieder¬
kehren zu sehen, dann die über die Vernichtung der großen Armee von hoher
Wichtigkeit waren. Sein intimes Verhältniß zu der militärischen Umgebung
des Königs, seine Kenntniß der militärischen Verhältnisse, vor Allem aber seine
patriotische Ungeduld, das Joch der Fremdherrschaft zerbrochen zu sehen, ver¬
anlaßten ihn, als in seiner Umgebung Vorschläge zu einem Angriff auf Napoleon
laut wurden, seinerseits mit einem Plan hervorzutreten, den er bald nach Neu¬
jahr 1813 dem Staatskanzler unbemerkt auf den Tisch legte. Hardenberg, der
den Versasser errathen, ließ Hippel am nächsten Tage zu sich rufen, umarmte
ihn mit Thränen in den Augen und sagte ihm: „Alles, was Sie da verlangen,
geschieht, und geschieht in diesem Geiste." Hippel dankte ihm laut. Jener


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115889"/>
          <p xml:id="ID_1496" prev="#ID_1495"> für die Marken und Schlesien erfüllt. Stägemann, der Preußen kennt, ist zu<lb/>
indifferent, um seine Stimme geltend zu machen." &#x201E;Mir gelingt es vielleicht,<lb/>
ohne von Provinzialvorurtheilen besessen zu sein, meiner Provinz die Billigkeit<lb/>
und alle die Rücksicht zu verschaffen, die ihre unglückliche Lage verdient."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1497"> Hippel erhielt, nachdem ihm in der unmittelbaren Umgebung des Staats¬<lb/>
kanzlers Gelegenheit geworden, das Räderwerk der Staatsverwaltung genau<lb/>
kennen zu lernen, im Laufe des Jahres 1812 einen festbegrcnzten Wirkungs¬<lb/>
kreis. Hardenberg übertrug ihm nach und nach alle ständischen und einen<lb/>
großen Theil der Finanzangelegenheiten. Seiner Bearbeitung fielen ferner<lb/>
sämmtliche Militärsachen, soweit sie vom Staatskanzler refsortirten. sowie die<lb/>
gewerbepolizeilichen Gegenstände und die Landescultursachen anheim. Was er<lb/>
in allen diesen Zweigen geleistet, wie er auf Kosten seiner Gesundheit und mit<lb/>
Hintansetzung aller Rücksichten auf seine Familie und seine verwickelten Ver-<lb/>
mögensverhältnisse alle seine Kraft dem öffentlichen Dienst gewidmet, bezeugen<lb/>
noch jetzt die Acten des geheimen Staatsarchivs.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1498"> Dabei wurde ihm nicht immer die Freude, was er für recht hielt, durch¬<lb/>
zusetzen. Namentlich brachte ihm sein Sinn für äußerste Sparsamkeit und sein<lb/>
Bestreben, die reichen Hilfsmittel, die dem Staate aus dem bereits eingeleiteten<lb/>
Verkauf von Domänen und geistlichen Gütern zu Gebot standen, einer bessern<lb/>
Zeit aufzubewahren, oft in Conflicte mit seinen Mitarbeitern und dem Staats¬<lb/>
kanzler selbst, und bald wurde ihm der Schmerz, mit Scharnweber, den er<lb/>
von jenen am höchsten schätzte, wegen des sogenannten Gensdarmerie-Edicts<lb/>
vom 30. Juli 1812 unversöhnlich zu zerfallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1499" next="#ID_1500"> Der Schluß des Jahres 1812 brachte eine, neue Entwickelung der preußi¬<lb/>
schen Politik im Großen, und Hippel, schon damals zu den vertrauteren Rath-<lb/>
gebern Hardenbergs gehörend, hatte an derselben einen nicht unwesentlichen An¬<lb/>
theil. Als Eingeweihter übersah er den Gang der Ereignisse in Nußland, über<lb/>
die er durch geheime Agenten in Warschau, Piock und Thorn Berichte empfing,<lb/>
von denen zunächst die über den Umschwung der Stimmung unter den Polen<lb/>
und deren Sehnsucht, preußische Verwaltung und Gerechtigkeitspflege wieder¬<lb/>
kehren zu sehen, dann die über die Vernichtung der großen Armee von hoher<lb/>
Wichtigkeit waren. Sein intimes Verhältniß zu der militärischen Umgebung<lb/>
des Königs, seine Kenntniß der militärischen Verhältnisse, vor Allem aber seine<lb/>
patriotische Ungeduld, das Joch der Fremdherrschaft zerbrochen zu sehen, ver¬<lb/>
anlaßten ihn, als in seiner Umgebung Vorschläge zu einem Angriff auf Napoleon<lb/>
laut wurden, seinerseits mit einem Plan hervorzutreten, den er bald nach Neu¬<lb/>
jahr 1813 dem Staatskanzler unbemerkt auf den Tisch legte. Hardenberg, der<lb/>
den Versasser errathen, ließ Hippel am nächsten Tage zu sich rufen, umarmte<lb/>
ihn mit Thränen in den Augen und sagte ihm: &#x201E;Alles, was Sie da verlangen,<lb/>
geschieht, und geschieht in diesem Geiste."  Hippel dankte ihm laut. Jener</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0497] für die Marken und Schlesien erfüllt. Stägemann, der Preußen kennt, ist zu indifferent, um seine Stimme geltend zu machen." „Mir gelingt es vielleicht, ohne von Provinzialvorurtheilen besessen zu sein, meiner Provinz die Billigkeit und alle die Rücksicht zu verschaffen, die ihre unglückliche Lage verdient." Hippel erhielt, nachdem ihm in der unmittelbaren Umgebung des Staats¬ kanzlers Gelegenheit geworden, das Räderwerk der Staatsverwaltung genau kennen zu lernen, im Laufe des Jahres 1812 einen festbegrcnzten Wirkungs¬ kreis. Hardenberg übertrug ihm nach und nach alle ständischen und einen großen Theil der Finanzangelegenheiten. Seiner Bearbeitung fielen ferner sämmtliche Militärsachen, soweit sie vom Staatskanzler refsortirten. sowie die gewerbepolizeilichen Gegenstände und die Landescultursachen anheim. Was er in allen diesen Zweigen geleistet, wie er auf Kosten seiner Gesundheit und mit Hintansetzung aller Rücksichten auf seine Familie und seine verwickelten Ver- mögensverhältnisse alle seine Kraft dem öffentlichen Dienst gewidmet, bezeugen noch jetzt die Acten des geheimen Staatsarchivs. Dabei wurde ihm nicht immer die Freude, was er für recht hielt, durch¬ zusetzen. Namentlich brachte ihm sein Sinn für äußerste Sparsamkeit und sein Bestreben, die reichen Hilfsmittel, die dem Staate aus dem bereits eingeleiteten Verkauf von Domänen und geistlichen Gütern zu Gebot standen, einer bessern Zeit aufzubewahren, oft in Conflicte mit seinen Mitarbeitern und dem Staats¬ kanzler selbst, und bald wurde ihm der Schmerz, mit Scharnweber, den er von jenen am höchsten schätzte, wegen des sogenannten Gensdarmerie-Edicts vom 30. Juli 1812 unversöhnlich zu zerfallen. Der Schluß des Jahres 1812 brachte eine, neue Entwickelung der preußi¬ schen Politik im Großen, und Hippel, schon damals zu den vertrauteren Rath- gebern Hardenbergs gehörend, hatte an derselben einen nicht unwesentlichen An¬ theil. Als Eingeweihter übersah er den Gang der Ereignisse in Nußland, über die er durch geheime Agenten in Warschau, Piock und Thorn Berichte empfing, von denen zunächst die über den Umschwung der Stimmung unter den Polen und deren Sehnsucht, preußische Verwaltung und Gerechtigkeitspflege wieder¬ kehren zu sehen, dann die über die Vernichtung der großen Armee von hoher Wichtigkeit waren. Sein intimes Verhältniß zu der militärischen Umgebung des Königs, seine Kenntniß der militärischen Verhältnisse, vor Allem aber seine patriotische Ungeduld, das Joch der Fremdherrschaft zerbrochen zu sehen, ver¬ anlaßten ihn, als in seiner Umgebung Vorschläge zu einem Angriff auf Napoleon laut wurden, seinerseits mit einem Plan hervorzutreten, den er bald nach Neu¬ jahr 1813 dem Staatskanzler unbemerkt auf den Tisch legte. Hardenberg, der den Versasser errathen, ließ Hippel am nächsten Tage zu sich rufen, umarmte ihn mit Thränen in den Augen und sagte ihm: „Alles, was Sie da verlangen, geschieht, und geschieht in diesem Geiste." Hippel dankte ihm laut. Jener

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/497
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/497>, abgerufen am 23.12.2024.