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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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ganzen Unternehmung zu einer ländlichen genossenschaftlichen Ansiedelung steht
in der Natur der Sache nichts im Wege.

Aber auch ganz abgesehen von solcher weiterer Ausdehnung genügt ohne
Zweifel die durch das hier vorliegende Beispiel erwiesene Möglichkeit einer nach¬
haltigen Verbesserung der Lage der ländlichen Tagelöhner vollkommen, um auch
bei uns in Deutschland die volle Aufmerksamkeit des nicht in beschränkter Selbst¬
sucht versunkenen großem landwirtschaftlichen Arbeitgebers zu erregen und
mindestens zu ernster Erwägung der Frage zu bewegen: ob und wie weit
eine Nachfolge auf diesem Wege in den Verhältnissen, in die er gestellt ist,
Erfolg verspricht. Ja, schon ein wirklich einsichtiger Eigennutz würde, wie wir
gesehen haben, auf denselben Weg führen. Noch beachtenswerther aber möchte
die Sache auch bei uns für solche Fälle sein, wo ländliche und landwirthschaft,
liebe Verhältnisse sich mit fabrikmäßiger Großindustrie verbinden.

Bei der Verschiedenheit der Landesart und der socialen und politischen
Verhältnisse in Deutschland und England versteht sich'von selbst, daß von
einer Nachahmung des fremden Vorbildes im Einzelnen nicht die Rede sein
kann, sondern nur von einer richtigen Auffassung der Idee und der Haupt¬
punkte, welche dann in der Ausführung den gegebenen Verhältnissen und Be¬
dingungen angepaßt werden mögen. Hier werden sich aber mindestens ebenso¬
viel Vortheile als Nachtheile auf deutscher Seite im Vergleich mit England fin¬
den. Dies zeigt sich z. B. in der größern Leichtigkeit der Erwerbung und
Verkeilung des Grundbesitzes, deren bedenkliche Seiten wieder eben durch die
genossenschaftliche Bindung aufgewogen würden.

Ein Einwand, der sich etwa auf die Voraussetzung ganz ausnahmsweiser
persönlicher Umstände und Factoren in Assington beriefe, kann durchaus kein
erhebliches Gewicht haben. Der Gründer jener Genossenschaften erscheint nicht
als eine ungewöhnlich hochbegabte Persönlichkeit, sondern nur als ein Mann
von durchschnittlich tüchtiger Einsicht und wohlwollender Gesinnung, der zu
einer gewissenhaften, ehrlichen und ernsten Auffassung seiner Pflichten als Ar¬
beitsherr gegen seine Lohnarbeiter gelangt ist, und der die gegebenen Mittel
als praktischer Mann erwogen und mit Besonnenheit und Festigkeit ausgeführt
hat. Ehrenmänner derselben Begabung und Gesinnung, desselben allgemeinen
Schlages und Gepräges gibt es auch unter deutschen Gutsherren; woran es
ihnen aber unterschiedsweise fehlt, ist eben jene ernste, gewissenhafte Auffassung
ihres Berufs, ihrer sittlichen und socialen Verpflichtung und Verantwortlichkeit
-- ja, ihres wahren Vortheils als Arbeitgeber.

Ein anderer Einwand könnte vom Standpunkt cooperativer Correctheit
gegen jene landwirtschaftlichen Genossenschaften in Assington geltend gemacht
werden. Man könnte sagen, daß das kooperative oder genossenschaftliche Prin¬
cip dort durch die ganze Stellung und Betheiligung des Gutsherrn getrübt


ganzen Unternehmung zu einer ländlichen genossenschaftlichen Ansiedelung steht
in der Natur der Sache nichts im Wege.

Aber auch ganz abgesehen von solcher weiterer Ausdehnung genügt ohne
Zweifel die durch das hier vorliegende Beispiel erwiesene Möglichkeit einer nach¬
haltigen Verbesserung der Lage der ländlichen Tagelöhner vollkommen, um auch
bei uns in Deutschland die volle Aufmerksamkeit des nicht in beschränkter Selbst¬
sucht versunkenen großem landwirtschaftlichen Arbeitgebers zu erregen und
mindestens zu ernster Erwägung der Frage zu bewegen: ob und wie weit
eine Nachfolge auf diesem Wege in den Verhältnissen, in die er gestellt ist,
Erfolg verspricht. Ja, schon ein wirklich einsichtiger Eigennutz würde, wie wir
gesehen haben, auf denselben Weg führen. Noch beachtenswerther aber möchte
die Sache auch bei uns für solche Fälle sein, wo ländliche und landwirthschaft,
liebe Verhältnisse sich mit fabrikmäßiger Großindustrie verbinden.

Bei der Verschiedenheit der Landesart und der socialen und politischen
Verhältnisse in Deutschland und England versteht sich'von selbst, daß von
einer Nachahmung des fremden Vorbildes im Einzelnen nicht die Rede sein
kann, sondern nur von einer richtigen Auffassung der Idee und der Haupt¬
punkte, welche dann in der Ausführung den gegebenen Verhältnissen und Be¬
dingungen angepaßt werden mögen. Hier werden sich aber mindestens ebenso¬
viel Vortheile als Nachtheile auf deutscher Seite im Vergleich mit England fin¬
den. Dies zeigt sich z. B. in der größern Leichtigkeit der Erwerbung und
Verkeilung des Grundbesitzes, deren bedenkliche Seiten wieder eben durch die
genossenschaftliche Bindung aufgewogen würden.

Ein Einwand, der sich etwa auf die Voraussetzung ganz ausnahmsweiser
persönlicher Umstände und Factoren in Assington beriefe, kann durchaus kein
erhebliches Gewicht haben. Der Gründer jener Genossenschaften erscheint nicht
als eine ungewöhnlich hochbegabte Persönlichkeit, sondern nur als ein Mann
von durchschnittlich tüchtiger Einsicht und wohlwollender Gesinnung, der zu
einer gewissenhaften, ehrlichen und ernsten Auffassung seiner Pflichten als Ar¬
beitsherr gegen seine Lohnarbeiter gelangt ist, und der die gegebenen Mittel
als praktischer Mann erwogen und mit Besonnenheit und Festigkeit ausgeführt
hat. Ehrenmänner derselben Begabung und Gesinnung, desselben allgemeinen
Schlages und Gepräges gibt es auch unter deutschen Gutsherren; woran es
ihnen aber unterschiedsweise fehlt, ist eben jene ernste, gewissenhafte Auffassung
ihres Berufs, ihrer sittlichen und socialen Verpflichtung und Verantwortlichkeit
— ja, ihres wahren Vortheils als Arbeitgeber.

Ein anderer Einwand könnte vom Standpunkt cooperativer Correctheit
gegen jene landwirtschaftlichen Genossenschaften in Assington geltend gemacht
werden. Man könnte sagen, daß das kooperative oder genossenschaftliche Prin¬
cip dort durch die ganze Stellung und Betheiligung des Gutsherrn getrübt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/458>, abgerufen am 23.12.2024.