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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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soweit ihre Arbeit auf der genossenschaftlichen Pachtung (gegen gewöhnlichen.
Lohn) nicht erforderlich ist, anderweitig nach Belieben ihrem Tagewerk nach.
Da aber dieser Betrieb im Ganzen kaum den vierten Theil der Arbeit kostet,
der bei Parzellen- und Spatencultur erfordert würde -- auf 100 Acres werden
fünf Mann gerechnet, -- so bleibt für die große Mehrzahl der Genossen reich¬
liche Zeit zu solchem anderweitigen Erwerb, wahrend zugleich die Pachtung zu
ihrem Nutzen arbeitet. Außerdem haben sie den Vortheil der bessern Be¬
schaffenheit und des niedrigern Preises der im Pachthof zum Verkauf stehenden
Lebensbedürfnisse, der Milch der dort gehaltenen Kühe, des Fleisches der dort
gemästeten Schweine u. f. w. und endlich wird ihnen ihre Feuerung umsonst
vor die Thür gefahren. Läßt auch der Wortlaut sowohl der Statuten als des
Contractes noch manchen Punkt dunkel, so haben wir doch Grund anzunehmen,
daß die Praxis das Alles in wesentlich zweckmäßiger Weise löst. So geht na¬
mentlich aus den vorliegenden Berichten unbefangener und sachkundiger Augen¬
zeugen hervor, daß die Lösung der schwierigen Aufgabe des Vorstehers durch
unnöthiges Mißtrauen und Einmischen der beiden andern Ausschußmitglieder
oder der Quartalversammlungen nicht erschwert wird. Endlich ist es auch ge¬
lungen, durchaus der Stelle gewachsene Leute zu finden, deren materielle An¬
sprüche mit ihren Leistungen in keinem Verhältniß stehen, weil sie Sinn für
die Sache sowie eine unabhängige und eine gewisse Würde verleihende Stellung
haben, wie sie dieselbe bei viel höherem Lohn als Aufseher oder dergleichen aus
einer fremden Farm nicht finden konnten.

Den völlig genügenden Beweis für die Zweckmäßigkeit der angewendeten
Mittel finden wir in dem erwünschtesten Erfolg, der bei beiden Genossenschaften
aufs Glaubwürdigste von verschiedenen Seiten bezeugt wird. Wie die erste Ge¬
nossenschaft, so bat auch die zweite schon nach zehn Jahren das vorgeschossene
Betriebscapital heimgezahlt, während der durchschnittliche Antheil der Mitglieder
auf SO Pfd. Se. zu berechnen ist, welche im Betrieb sich zu etwa 10"/", ver¬
werthen. Wie sich dieser zunehmend verbessert, geht schon aus der einen That¬
sache hervor, daß der Gutsherr den beiden Genossenschaften vor drei Jahren
die Kosten einer Dreschmaschine erster Classe zu S°/o vorstrecken konnte, worauf
sie jetzt nur noch einen geringen Nest schuldig sind, während die Vortheile der
Erwerbung mehr und mehr sich bewähren. Die Hauptbedeutung dieses Unter¬
nehmens zeigt sich aber in der gänzlichen Umwandlung der ganzen Lebens¬
haltung dieser Leute und in dem Einfluß, der von ihnen aus sich auf die
ganze Nachbarschaft verbreitet. Während früher die meisten derselben ab und
zu dem Armenwesen zur Last sielen, werden sie jetzt größtenteils schon zur
Armensteuer herangezogen, und während sonst die Klagen wegen Felddiebstahl
und Waldfrevel kein Ende nahmen, ist davon jetzt nicht mehr die Rede. Auch
die Trunkenheit ist wie selbstverständlich verschwunden. Die ganze äußere Er-


soweit ihre Arbeit auf der genossenschaftlichen Pachtung (gegen gewöhnlichen.
Lohn) nicht erforderlich ist, anderweitig nach Belieben ihrem Tagewerk nach.
Da aber dieser Betrieb im Ganzen kaum den vierten Theil der Arbeit kostet,
der bei Parzellen- und Spatencultur erfordert würde — auf 100 Acres werden
fünf Mann gerechnet, — so bleibt für die große Mehrzahl der Genossen reich¬
liche Zeit zu solchem anderweitigen Erwerb, wahrend zugleich die Pachtung zu
ihrem Nutzen arbeitet. Außerdem haben sie den Vortheil der bessern Be¬
schaffenheit und des niedrigern Preises der im Pachthof zum Verkauf stehenden
Lebensbedürfnisse, der Milch der dort gehaltenen Kühe, des Fleisches der dort
gemästeten Schweine u. f. w. und endlich wird ihnen ihre Feuerung umsonst
vor die Thür gefahren. Läßt auch der Wortlaut sowohl der Statuten als des
Contractes noch manchen Punkt dunkel, so haben wir doch Grund anzunehmen,
daß die Praxis das Alles in wesentlich zweckmäßiger Weise löst. So geht na¬
mentlich aus den vorliegenden Berichten unbefangener und sachkundiger Augen¬
zeugen hervor, daß die Lösung der schwierigen Aufgabe des Vorstehers durch
unnöthiges Mißtrauen und Einmischen der beiden andern Ausschußmitglieder
oder der Quartalversammlungen nicht erschwert wird. Endlich ist es auch ge¬
lungen, durchaus der Stelle gewachsene Leute zu finden, deren materielle An¬
sprüche mit ihren Leistungen in keinem Verhältniß stehen, weil sie Sinn für
die Sache sowie eine unabhängige und eine gewisse Würde verleihende Stellung
haben, wie sie dieselbe bei viel höherem Lohn als Aufseher oder dergleichen aus
einer fremden Farm nicht finden konnten.

Den völlig genügenden Beweis für die Zweckmäßigkeit der angewendeten
Mittel finden wir in dem erwünschtesten Erfolg, der bei beiden Genossenschaften
aufs Glaubwürdigste von verschiedenen Seiten bezeugt wird. Wie die erste Ge¬
nossenschaft, so bat auch die zweite schon nach zehn Jahren das vorgeschossene
Betriebscapital heimgezahlt, während der durchschnittliche Antheil der Mitglieder
auf SO Pfd. Se. zu berechnen ist, welche im Betrieb sich zu etwa 10"/«, ver¬
werthen. Wie sich dieser zunehmend verbessert, geht schon aus der einen That¬
sache hervor, daß der Gutsherr den beiden Genossenschaften vor drei Jahren
die Kosten einer Dreschmaschine erster Classe zu S°/o vorstrecken konnte, worauf
sie jetzt nur noch einen geringen Nest schuldig sind, während die Vortheile der
Erwerbung mehr und mehr sich bewähren. Die Hauptbedeutung dieses Unter¬
nehmens zeigt sich aber in der gänzlichen Umwandlung der ganzen Lebens¬
haltung dieser Leute und in dem Einfluß, der von ihnen aus sich auf die
ganze Nachbarschaft verbreitet. Während früher die meisten derselben ab und
zu dem Armenwesen zur Last sielen, werden sie jetzt größtenteils schon zur
Armensteuer herangezogen, und während sonst die Klagen wegen Felddiebstahl
und Waldfrevel kein Ende nahmen, ist davon jetzt nicht mehr die Rede. Auch
die Trunkenheit ist wie selbstverständlich verschwunden. Die ganze äußere Er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/456>, abgerufen am 28.07.2024.