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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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den durch Anspucken Glück auf die Reise zu wünschen, gehört wohl hierher. Andere
Beispiele von der Zauberkraft des Speichels werden später angeführt werden,
die Anrufung Noahs aber ist eine von der unzähligen Menge von Formeln,
mit denen man im Orient ganz ebenso wie im Occident Wunden, Blutungen,
Zahnschmerzen und andere Uebel bespricht.

Soll die Zauberwirkung eine bleibende sein, so genügt das bloße Aus¬
sprechen der betreffenden Formel nicht, sie muß aufgeschrieben und von dem,
der sich mit ihr gegen üble Einflüsse und Gefahren sichern will, an sich getra¬
gen werden. Daher die Zauberzettel, die unter den Mohammedanern des
Orients sich desselben Ansehens erfreuen, wie unter unsern schwäbischen, baye¬
rischen und norddeutschen Bauersleuten. Mit dem Schreiben solcher Zettel be¬
schäftigen sich in Württemberg die Schullehrer, in Norddeutschland kommen sie
auch gedruckt vor, z. B. in Hamburg, wo sie während des Schleswig-holstei-
nischen Kriegs von den Soldaten zu Hunderten gekauft, bei sich getragen oder
verschluckt wurden, weil sie "festmachen" sollten, und in Oestreich, wo während
des italienischen Krieges dasselbe geschah. Diese Amulete enthalten in der Re¬
gel allerlei unverständliche Worte, wie das-bekannte Abrakadabra, Kreuze, Buch¬
staben und andere Zeichen, häusig aber auch Bibelsprüche, Anrufungen Gottes
und der Heiligen u. d. in. Um gegen jede Gefahr geschützt zu sein, thut man
wohl, sich gleich eine ganze Sammlung solcher Zaubersprüche, ein Zauberbuch
anzuschaffen und dies bei sich zu tragen. Ein Haus, in dem ein solches liegt, ist
vor Wetterschaden sicher, eine Frau in Kindesnöthen, der man es aufs Bett legt,
gebiert ohne Schmerzen, wer es auf der rechten Brust trägt, der ist behütet
vor Gift und Feuer, der ertrinkt in keinem Wasser, der gewinnt seine Sache
vor Gericht u. s. w. So im Abendlande und sehr ähnlich auch im Orient.
Auch in Aegypten besteht ein guter Theil der Einnahme eines Dorfschulmeisters
in dem Erlös von Zauberformeln, die er schreibt, und die in der Regel aus
gewissen Korcmstcllen nebst den Namen von Engeln, Geistern. Propheten und
Heiligen mit dazwischen gesetzten Zahlen und Diagrammen bestehen. Das ge-
achtetste aller "Hegab" ist eine Copie des Koran, die.man in einem Futteral
an der rechten Seite trägt, und die namentlich in großer Gunst bei den Sol¬
daten steht, weil sie "festmacht". Gleichfalls sehr geschätzt ist ein Auszug des
heiligen Buchs, welcher die Suren 6. 18, 36, 44, os, 67 und 68 enthält.
Andere schützen sich vor den bösen Geistern durch einen Zettel, auf dem die
neunundneunzig Namen Gottes" oder die ebenso zahlreichen Namen und Titel
des Propheten stehen. Wieder ein anderer Zauberzettel enthält die Namen der
"Aschab El Chaf", d. h. der Siebenschläfer und ihres Hundes. Man bewahrt
dadurch sich und sein Haus vor Feuersbrunst, Krankheit. Kummer und Noth,
sie verschaffen Liebe. Freundschaft. Kunden und guten Handel. Namentlich aber
schützen sie vor dem Beschrieenwerden und vor Allem vor dem "bösen Blick",


den durch Anspucken Glück auf die Reise zu wünschen, gehört wohl hierher. Andere
Beispiele von der Zauberkraft des Speichels werden später angeführt werden,
die Anrufung Noahs aber ist eine von der unzähligen Menge von Formeln,
mit denen man im Orient ganz ebenso wie im Occident Wunden, Blutungen,
Zahnschmerzen und andere Uebel bespricht.

Soll die Zauberwirkung eine bleibende sein, so genügt das bloße Aus¬
sprechen der betreffenden Formel nicht, sie muß aufgeschrieben und von dem,
der sich mit ihr gegen üble Einflüsse und Gefahren sichern will, an sich getra¬
gen werden. Daher die Zauberzettel, die unter den Mohammedanern des
Orients sich desselben Ansehens erfreuen, wie unter unsern schwäbischen, baye¬
rischen und norddeutschen Bauersleuten. Mit dem Schreiben solcher Zettel be¬
schäftigen sich in Württemberg die Schullehrer, in Norddeutschland kommen sie
auch gedruckt vor, z. B. in Hamburg, wo sie während des Schleswig-holstei-
nischen Kriegs von den Soldaten zu Hunderten gekauft, bei sich getragen oder
verschluckt wurden, weil sie „festmachen" sollten, und in Oestreich, wo während
des italienischen Krieges dasselbe geschah. Diese Amulete enthalten in der Re¬
gel allerlei unverständliche Worte, wie das-bekannte Abrakadabra, Kreuze, Buch¬
staben und andere Zeichen, häusig aber auch Bibelsprüche, Anrufungen Gottes
und der Heiligen u. d. in. Um gegen jede Gefahr geschützt zu sein, thut man
wohl, sich gleich eine ganze Sammlung solcher Zaubersprüche, ein Zauberbuch
anzuschaffen und dies bei sich zu tragen. Ein Haus, in dem ein solches liegt, ist
vor Wetterschaden sicher, eine Frau in Kindesnöthen, der man es aufs Bett legt,
gebiert ohne Schmerzen, wer es auf der rechten Brust trägt, der ist behütet
vor Gift und Feuer, der ertrinkt in keinem Wasser, der gewinnt seine Sache
vor Gericht u. s. w. So im Abendlande und sehr ähnlich auch im Orient.
Auch in Aegypten besteht ein guter Theil der Einnahme eines Dorfschulmeisters
in dem Erlös von Zauberformeln, die er schreibt, und die in der Regel aus
gewissen Korcmstcllen nebst den Namen von Engeln, Geistern. Propheten und
Heiligen mit dazwischen gesetzten Zahlen und Diagrammen bestehen. Das ge-
achtetste aller „Hegab" ist eine Copie des Koran, die.man in einem Futteral
an der rechten Seite trägt, und die namentlich in großer Gunst bei den Sol¬
daten steht, weil sie „festmacht". Gleichfalls sehr geschätzt ist ein Auszug des
heiligen Buchs, welcher die Suren 6. 18, 36, 44, os, 67 und 68 enthält.
Andere schützen sich vor den bösen Geistern durch einen Zettel, auf dem die
neunundneunzig Namen Gottes" oder die ebenso zahlreichen Namen und Titel
des Propheten stehen. Wieder ein anderer Zauberzettel enthält die Namen der
„Aschab El Chaf", d. h. der Siebenschläfer und ihres Hundes. Man bewahrt
dadurch sich und sein Haus vor Feuersbrunst, Krankheit. Kummer und Noth,
sie verschaffen Liebe. Freundschaft. Kunden und guten Handel. Namentlich aber
schützen sie vor dem Beschrieenwerden und vor Allem vor dem „bösen Blick",


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/442>, abgerufen am 28.07.2024.