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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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von Hexen verursacht ist, sichert man sich dadurch, daß man eiserne Werkzeuge
vor die Thür legt. Irrlichter, welche Seelen umgetauft gestorbener Kinder oder
gewaltsam unter freiem Himmel Umgetommner sind, verschwinden, wenn man
ihnen ein Messer oder einen Schlüssel hinwirft. Bor dem Wiederkommen
der Todten schützt man sich, indem man ein Messer über die Hausthür steckt,
vor Angriffen von Spukgeistern dadurch, daß man einen Feuerstahl bei sich
trägt. Wöchnerinnen und Neugeborne werden durch eine auf ihr Bett gelegte
Scheere vor den Tücken der Elben bewahrt. Wenn der Taufzug zur Kirche
geht, müssen alle Theilnehmer über eine auf die Schwelle gelegte Axt hinweg¬
gehen; denn dadurch wird das Kind vor bösem Zauber geschützt. Eine lauen-
burgische Beschwörungsformel gegen die Gesichtsrose lautet: "Andersen Scham
ti, Ihm un Stahl jagt ti." In das Säetuch näht man in Ostpreußen einen
Feuerstahl, damit die Saat wohl gedeihe. Bon Tirol bis nach der Weichsel
hin ist ein auf die Thürschwelle genageltes Hufeisen die beste Schutzwehr
gegen allen bösen Zauber. Wenn in Ostfriesland die Kühe im Frühling zum
ersten Mal ausgetrieben werden, so läßt man sie über Eisen und Salz hin¬
wegschreiten, dann widerfährt ihnen nichts Böses. In Hessen muß es dreierlei
Eisen sein und verwendet man dazu meist eine Sichel, einen Fcuerstahl und
ein Messer. Einer Kuh, welche zum ersten Mal gekalbt hat, muß man in die
erste Tränke, die sie erhält, drei Zwiebelköpfe, eine Hand voll Salz und einen
Kamm thun; ebensogut aber ist es, wenn man stebnerlei Eisen hineinlegt.
Einer behexten Kuh sticht man in Ostpreußen stählerne Stadeln in die
Hörner und bricht sie darin ab. Und nun noch eine Variation des Aberglaubens
von dem giftigen Blutstropfen der rabbinischen Tekusoth und der Beziehung
des Eisens auf denselben. In Hessen und Westphalen. sowie in der Oberpfalz
fällt bei Sonnenfinsternissen Gift vom Himmel. Menschen und Vieh dürfen
daher kein Wasser aus einem Brunnen trinken, der während der Verfinsterung
unbedeckt geblieben ist, kein Kraut und keine Frucht, die während derselben im
Freien waren, genießen, bevor dieselben durch Regen abgewaschen sind, und
um weitern Schaden zu verhüten, werden verschiedene Vorsichtsmaßregeln ange¬
wandt, von denen für uns die interessanteste ist, daß man mit Messern auf
eiserne Pfannen oder Sensen schlägt.

Ferner herrscht in Betreff der vom Aberglauben für glücklich oder un¬
glücklich gehaltenen Wochentage zwischen Orient und Occident, soweit
Christenthum oder Islam darauf nicht eingewirkt haben, vielfach Uebereinstim¬
mung. Der Sonntag gilt allerdings unter Moslemin für einen Unglückstag
aber doch wohl nur weil er der Ehrentag der Christen ist, unter unsern Bauern
dagegen für einen Glückstag, aber doch mit der mythologisch wichtigen Ein¬
schränkung, daß man sich an ihm die Nägel nicht beschneiden darf, da dies
schadet. Der Montag wird von beiden Theilen für unglücklich gehalten. Der


von Hexen verursacht ist, sichert man sich dadurch, daß man eiserne Werkzeuge
vor die Thür legt. Irrlichter, welche Seelen umgetauft gestorbener Kinder oder
gewaltsam unter freiem Himmel Umgetommner sind, verschwinden, wenn man
ihnen ein Messer oder einen Schlüssel hinwirft. Bor dem Wiederkommen
der Todten schützt man sich, indem man ein Messer über die Hausthür steckt,
vor Angriffen von Spukgeistern dadurch, daß man einen Feuerstahl bei sich
trägt. Wöchnerinnen und Neugeborne werden durch eine auf ihr Bett gelegte
Scheere vor den Tücken der Elben bewahrt. Wenn der Taufzug zur Kirche
geht, müssen alle Theilnehmer über eine auf die Schwelle gelegte Axt hinweg¬
gehen; denn dadurch wird das Kind vor bösem Zauber geschützt. Eine lauen-
burgische Beschwörungsformel gegen die Gesichtsrose lautet: „Andersen Scham
ti, Ihm un Stahl jagt ti." In das Säetuch näht man in Ostpreußen einen
Feuerstahl, damit die Saat wohl gedeihe. Bon Tirol bis nach der Weichsel
hin ist ein auf die Thürschwelle genageltes Hufeisen die beste Schutzwehr
gegen allen bösen Zauber. Wenn in Ostfriesland die Kühe im Frühling zum
ersten Mal ausgetrieben werden, so läßt man sie über Eisen und Salz hin¬
wegschreiten, dann widerfährt ihnen nichts Böses. In Hessen muß es dreierlei
Eisen sein und verwendet man dazu meist eine Sichel, einen Fcuerstahl und
ein Messer. Einer Kuh, welche zum ersten Mal gekalbt hat, muß man in die
erste Tränke, die sie erhält, drei Zwiebelköpfe, eine Hand voll Salz und einen
Kamm thun; ebensogut aber ist es, wenn man stebnerlei Eisen hineinlegt.
Einer behexten Kuh sticht man in Ostpreußen stählerne Stadeln in die
Hörner und bricht sie darin ab. Und nun noch eine Variation des Aberglaubens
von dem giftigen Blutstropfen der rabbinischen Tekusoth und der Beziehung
des Eisens auf denselben. In Hessen und Westphalen. sowie in der Oberpfalz
fällt bei Sonnenfinsternissen Gift vom Himmel. Menschen und Vieh dürfen
daher kein Wasser aus einem Brunnen trinken, der während der Verfinsterung
unbedeckt geblieben ist, kein Kraut und keine Frucht, die während derselben im
Freien waren, genießen, bevor dieselben durch Regen abgewaschen sind, und
um weitern Schaden zu verhüten, werden verschiedene Vorsichtsmaßregeln ange¬
wandt, von denen für uns die interessanteste ist, daß man mit Messern auf
eiserne Pfannen oder Sensen schlägt.

Ferner herrscht in Betreff der vom Aberglauben für glücklich oder un¬
glücklich gehaltenen Wochentage zwischen Orient und Occident, soweit
Christenthum oder Islam darauf nicht eingewirkt haben, vielfach Uebereinstim¬
mung. Der Sonntag gilt allerdings unter Moslemin für einen Unglückstag
aber doch wohl nur weil er der Ehrentag der Christen ist, unter unsern Bauern
dagegen für einen Glückstag, aber doch mit der mythologisch wichtigen Ein¬
schränkung, daß man sich an ihm die Nägel nicht beschneiden darf, da dies
schadet. Der Montag wird von beiden Theilen für unglücklich gehalten. Der


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[0438] von Hexen verursacht ist, sichert man sich dadurch, daß man eiserne Werkzeuge vor die Thür legt. Irrlichter, welche Seelen umgetauft gestorbener Kinder oder gewaltsam unter freiem Himmel Umgetommner sind, verschwinden, wenn man ihnen ein Messer oder einen Schlüssel hinwirft. Bor dem Wiederkommen der Todten schützt man sich, indem man ein Messer über die Hausthür steckt, vor Angriffen von Spukgeistern dadurch, daß man einen Feuerstahl bei sich trägt. Wöchnerinnen und Neugeborne werden durch eine auf ihr Bett gelegte Scheere vor den Tücken der Elben bewahrt. Wenn der Taufzug zur Kirche geht, müssen alle Theilnehmer über eine auf die Schwelle gelegte Axt hinweg¬ gehen; denn dadurch wird das Kind vor bösem Zauber geschützt. Eine lauen- burgische Beschwörungsformel gegen die Gesichtsrose lautet: „Andersen Scham ti, Ihm un Stahl jagt ti." In das Säetuch näht man in Ostpreußen einen Feuerstahl, damit die Saat wohl gedeihe. Bon Tirol bis nach der Weichsel hin ist ein auf die Thürschwelle genageltes Hufeisen die beste Schutzwehr gegen allen bösen Zauber. Wenn in Ostfriesland die Kühe im Frühling zum ersten Mal ausgetrieben werden, so läßt man sie über Eisen und Salz hin¬ wegschreiten, dann widerfährt ihnen nichts Böses. In Hessen muß es dreierlei Eisen sein und verwendet man dazu meist eine Sichel, einen Fcuerstahl und ein Messer. Einer Kuh, welche zum ersten Mal gekalbt hat, muß man in die erste Tränke, die sie erhält, drei Zwiebelköpfe, eine Hand voll Salz und einen Kamm thun; ebensogut aber ist es, wenn man stebnerlei Eisen hineinlegt. Einer behexten Kuh sticht man in Ostpreußen stählerne Stadeln in die Hörner und bricht sie darin ab. Und nun noch eine Variation des Aberglaubens von dem giftigen Blutstropfen der rabbinischen Tekusoth und der Beziehung des Eisens auf denselben. In Hessen und Westphalen. sowie in der Oberpfalz fällt bei Sonnenfinsternissen Gift vom Himmel. Menschen und Vieh dürfen daher kein Wasser aus einem Brunnen trinken, der während der Verfinsterung unbedeckt geblieben ist, kein Kraut und keine Frucht, die während derselben im Freien waren, genießen, bevor dieselben durch Regen abgewaschen sind, und um weitern Schaden zu verhüten, werden verschiedene Vorsichtsmaßregeln ange¬ wandt, von denen für uns die interessanteste ist, daß man mit Messern auf eiserne Pfannen oder Sensen schlägt. Ferner herrscht in Betreff der vom Aberglauben für glücklich oder un¬ glücklich gehaltenen Wochentage zwischen Orient und Occident, soweit Christenthum oder Islam darauf nicht eingewirkt haben, vielfach Uebereinstim¬ mung. Der Sonntag gilt allerdings unter Moslemin für einen Unglückstag aber doch wohl nur weil er der Ehrentag der Christen ist, unter unsern Bauern dagegen für einen Glückstag, aber doch mit der mythologisch wichtigen Ein¬ schränkung, daß man sich an ihm die Nägel nicht beschneiden darf, da dies schadet. Der Montag wird von beiden Theilen für unglücklich gehalten. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/438>, abgerufen am 28.07.2024.