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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Säens ernten wollte. Diese überstürzende Hast mußte Alles verderben. Denn
da es gefährlich schien, gegen die erhaltenen Befehle Bedenken zu erheben und
das Nachtheilige einer Uebereilung offen auszusprechen, so suchte jeder die
Sache wenigstens dem Scheine nach durchzuführen, um so mehr da, wenn auch
Einige den Muth zu einer derartigen Rede- und Handlungsweise besaßen, es
doch immer Individuen gab, welche, um die Gunst ihrer Obern zu erHaschen,
dieselben mit der schleunigen -- freilich auch nur auf den Schein berechneten
Erfüllung der wichtigsten, wie der geringfügigsten Befehle zu überraschen such¬
ten, dadurch aber sich selbst alles Lob, sowie den Andershandelnden Tadel und
Mißgunst zu verschaffen wußten. Selbst die Geldbörse des Offiziers wurde
durch diese übertriebene Dienstbeflissenheit und Augendienerei nur zu oft in
Mitleidenschaft gezogen. Wurde z. B. bei einer neuen Adjustirungsänderung
auch ausdrücklich bemerkt, daß diese Aenderung nur nach und nach bei Neu¬
anschaffungen durchzuführen sei, so konnte man doch mit Sicherheit darauf zäh¬
len, daß schon in den nächsten Tagen einige Obersten ihre Offiziere zusammen"
beriefen, ihnen vorstellten, wie nützlich und nothwendig diese Neuerung sei, wie
wenig die Anschaffung des betreffenden Gegenstandes koste, und welche Aus¬
zeichnung das Regimen sich erwerben werde, wenn es vor der festgesetzten
Frist in der neuen Equipirung ausrücke. Schließlich stellten sie es "dem
ganz freien Willen" der Offiziere anheim, aus eigenen Mitteln dazu beizutra¬
gen, daß sich diese erhebende Hoffnung verwirkliche. Natürlich wollte und durfte
dann Niemand einen Widerspruch erheben, wofern er seine Zukunft nicht gänz¬
lich verderben wollte. Die Hauptleute, welche ehedem aus ihren Compagnien
eine ganz artige Rente gezogen hatten, wurden von dieser Steuer besonders
hart mitgenommen, und Viele sahen sich dadurch genöthigt, den Dienst vor der
Zeit zu verlassen. --

Daß endlich auch die neue taktische Formation der Infanterie sehr unzweck¬
mäßig war. mußte jedem Sachkundigen ohne Beweis klar sein. Der Körper
des Regiments war zu groß, um von einem Einzigen zweckmäßig in der Weise
geleitet zu werden, wie es von einem Regimentschef gefordert wird. Dazu
war das Depot gewöhnlich zu weit von dem Stäbe des Regiments entfernt.
Die von dem Ersteren an das Letztere und umgekehrt abgehenden Transporte
zur Abholung der Monturen, zur Geleitung der Rekruten und Urlauber ent¬
zogen beständig mehre Offiziere und Soldaten dem eigentlichen Dienst und
vermehrten die Ausgaben auf eine kaum zu rechtfertigende Weise.

Auch die Bataillone waren zu unbehilflich, ihre Zahl war für das Regi¬
ment zu groß, für die Brigade zu klein. Ebenso war die Zahl der höheren
Befehlshaber -- natürlich nur der in der Schlachtlinie befindlichen -- zu ge¬
ring. Wurde der Brigadier verwundet, so konnte der an seinen Platz tretende
Oberst -- wenn derselbe überhaupt anwesend war -- seinen Stellvertreter nur


Säens ernten wollte. Diese überstürzende Hast mußte Alles verderben. Denn
da es gefährlich schien, gegen die erhaltenen Befehle Bedenken zu erheben und
das Nachtheilige einer Uebereilung offen auszusprechen, so suchte jeder die
Sache wenigstens dem Scheine nach durchzuführen, um so mehr da, wenn auch
Einige den Muth zu einer derartigen Rede- und Handlungsweise besaßen, es
doch immer Individuen gab, welche, um die Gunst ihrer Obern zu erHaschen,
dieselben mit der schleunigen — freilich auch nur auf den Schein berechneten
Erfüllung der wichtigsten, wie der geringfügigsten Befehle zu überraschen such¬
ten, dadurch aber sich selbst alles Lob, sowie den Andershandelnden Tadel und
Mißgunst zu verschaffen wußten. Selbst die Geldbörse des Offiziers wurde
durch diese übertriebene Dienstbeflissenheit und Augendienerei nur zu oft in
Mitleidenschaft gezogen. Wurde z. B. bei einer neuen Adjustirungsänderung
auch ausdrücklich bemerkt, daß diese Aenderung nur nach und nach bei Neu¬
anschaffungen durchzuführen sei, so konnte man doch mit Sicherheit darauf zäh¬
len, daß schon in den nächsten Tagen einige Obersten ihre Offiziere zusammen«
beriefen, ihnen vorstellten, wie nützlich und nothwendig diese Neuerung sei, wie
wenig die Anschaffung des betreffenden Gegenstandes koste, und welche Aus¬
zeichnung das Regimen sich erwerben werde, wenn es vor der festgesetzten
Frist in der neuen Equipirung ausrücke. Schließlich stellten sie es „dem
ganz freien Willen" der Offiziere anheim, aus eigenen Mitteln dazu beizutra¬
gen, daß sich diese erhebende Hoffnung verwirkliche. Natürlich wollte und durfte
dann Niemand einen Widerspruch erheben, wofern er seine Zukunft nicht gänz¬
lich verderben wollte. Die Hauptleute, welche ehedem aus ihren Compagnien
eine ganz artige Rente gezogen hatten, wurden von dieser Steuer besonders
hart mitgenommen, und Viele sahen sich dadurch genöthigt, den Dienst vor der
Zeit zu verlassen. —

Daß endlich auch die neue taktische Formation der Infanterie sehr unzweck¬
mäßig war. mußte jedem Sachkundigen ohne Beweis klar sein. Der Körper
des Regiments war zu groß, um von einem Einzigen zweckmäßig in der Weise
geleitet zu werden, wie es von einem Regimentschef gefordert wird. Dazu
war das Depot gewöhnlich zu weit von dem Stäbe des Regiments entfernt.
Die von dem Ersteren an das Letztere und umgekehrt abgehenden Transporte
zur Abholung der Monturen, zur Geleitung der Rekruten und Urlauber ent¬
zogen beständig mehre Offiziere und Soldaten dem eigentlichen Dienst und
vermehrten die Ausgaben auf eine kaum zu rechtfertigende Weise.

Auch die Bataillone waren zu unbehilflich, ihre Zahl war für das Regi¬
ment zu groß, für die Brigade zu klein. Ebenso war die Zahl der höheren
Befehlshaber — natürlich nur der in der Schlachtlinie befindlichen — zu ge¬
ring. Wurde der Brigadier verwundet, so konnte der an seinen Platz tretende
Oberst — wenn derselbe überhaupt anwesend war — seinen Stellvertreter nur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/402>, abgerufen am 23.12.2024.