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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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hatte. Wozu auch? Durch den glücklichen Ausgang der letzten Kriege war
man von der eigenen Unbesiegbarkeit so vollkommen überzeugt worden, daß
man jede weitere Bemühung in dieser Hinsicht für überflüssig erachtete und
sich dem Glauben hingab, daß es genügen werde, im vorkommenden Falle
dem betreffenden General zu befehlen, daß er den Sieg zu erfechten habe*).
Ja man vergaß zuletzt ganz die Möglichkeit eines Krieges und lehrte mit
ganz ungeschminkten Worten, daß es die erste Pflicht des Soldaten sei, durch
seine äußere Erscheinung und zuvorkommende Erfüllung aller erhaltenen Be¬
fehle das Wohlgefallen seiner hohen und "allerhöchsten" Vorgesetzten zu er¬
werben! Diesem Statut nach hatte die Linieninfanterie aus 62 Regimentern,
das Regiment aus vier Bataillonen zu je fünf Musketier- und einer Grenadier¬
compagnie zu bestehen. Die Grenadiere erhielten Tschakos gleich den Muske¬
tieren und sollten ohne Rücksicht auf körperliche Stärke und Größe nur aus
den vorzüglichsten Leuten des Regiments ausgewählt werden. Im Kriege
sollten die Grenadiercompagnien eines Regiments in ein Bataillon zusammen¬
gezogen, und an deren Stelle bei den Bataillonen vier neue Füsiliercompagnien
und außerdem ein Dcpotbataillon zu vier Compagnien errichtet werden. Ein
Infanterieregiment auf dem vollen Knegsstandc zählte also in 6 Bataillonen
und 32 Compagnien bei 7000 Mann. Die Feldbataillone eines Regiments,
ein Jägerbataillon und eine Batterie bildeten eine Brigade unter dem Befehl
eines Generals, der also factisch über eine geringere Truppenzahl zu gebieten
hatte, als sein nächster Untergebener!

Die Jäger wurden auf 23 Bataillone zu je sechs und einer halben Compag¬
nie und ein Regiment (Tiroler) zu sieben Bataillonen und einem Depot ver-



") Diese Phrase klingt allerdings etwas sonderbar, indessen ist in der That mehr als
einmal Aehnliches nicht nur gedacht, sondern auch ausgesprochen worden. Ein hoch¬
verdienter General, welcher einen sehr wichtigen Posten bekleidete, sollte entfernt werden,
weil er sich das Mißfallen des allmächtigen Grafen Grünne zugezogen hatte. Man stellte
dem Letzteren vor, daß es schwierig sein würde, einen passenden Mann für jenen Posten
zu finden. "Wenn es Seine Majestät befiehlt," versetzte der Günstling, "so bin ich überzeugt,
daß der erste Beste den Platz ebensogut ausfüllen wird/' Grünne, ein Herr, der in den
Vorzimmern seine Studien gemacht, aber nie eine Kugel pfeifen gehört hatte (die Erzählung
von seiner an der Seite des Kaisers bewiesenen Bravour ist eine erbärmliche Speichelleckerei",
war jedem kriegerischen Verdienst abhold und haßte die neben oder vor ihm stehenden Ge-
nerale, welche sich durch ihre Tapferkeit ausgezeichnet hatten. Ein durch seine Thaten viel¬
bekannter alter General erschien einst in dem Vorzimmer des Kaisers. Grünne, der den
Veteran ganz gut kannte und sich früher vor ihm oft und tief genug gebückt hatte, fragte
ihn impertinent um sein Begehren und -- seinen Namen. "Melden Sie den Feldzeugmeister
H.", antwortete der alte Krieger barsch und fragte die Umstellenden, wer dieser Herr sei. "Der
Graf Grünne," antwortete man ihm verwundert, "kennen Sie ihn denn nicht?" "Sonderbar,
diesen Namen habe ich weder in Ungarn noch in Italien nennen gehört!" Grünne erröthete
zwar nicht, rächte sich aber, indem er dem General einen ungnädigen Empfang bereitete.

hatte. Wozu auch? Durch den glücklichen Ausgang der letzten Kriege war
man von der eigenen Unbesiegbarkeit so vollkommen überzeugt worden, daß
man jede weitere Bemühung in dieser Hinsicht für überflüssig erachtete und
sich dem Glauben hingab, daß es genügen werde, im vorkommenden Falle
dem betreffenden General zu befehlen, daß er den Sieg zu erfechten habe*).
Ja man vergaß zuletzt ganz die Möglichkeit eines Krieges und lehrte mit
ganz ungeschminkten Worten, daß es die erste Pflicht des Soldaten sei, durch
seine äußere Erscheinung und zuvorkommende Erfüllung aller erhaltenen Be¬
fehle das Wohlgefallen seiner hohen und „allerhöchsten" Vorgesetzten zu er¬
werben! Diesem Statut nach hatte die Linieninfanterie aus 62 Regimentern,
das Regiment aus vier Bataillonen zu je fünf Musketier- und einer Grenadier¬
compagnie zu bestehen. Die Grenadiere erhielten Tschakos gleich den Muske¬
tieren und sollten ohne Rücksicht auf körperliche Stärke und Größe nur aus
den vorzüglichsten Leuten des Regiments ausgewählt werden. Im Kriege
sollten die Grenadiercompagnien eines Regiments in ein Bataillon zusammen¬
gezogen, und an deren Stelle bei den Bataillonen vier neue Füsiliercompagnien
und außerdem ein Dcpotbataillon zu vier Compagnien errichtet werden. Ein
Infanterieregiment auf dem vollen Knegsstandc zählte also in 6 Bataillonen
und 32 Compagnien bei 7000 Mann. Die Feldbataillone eines Regiments,
ein Jägerbataillon und eine Batterie bildeten eine Brigade unter dem Befehl
eines Generals, der also factisch über eine geringere Truppenzahl zu gebieten
hatte, als sein nächster Untergebener!

Die Jäger wurden auf 23 Bataillone zu je sechs und einer halben Compag¬
nie und ein Regiment (Tiroler) zu sieben Bataillonen und einem Depot ver-



") Diese Phrase klingt allerdings etwas sonderbar, indessen ist in der That mehr als
einmal Aehnliches nicht nur gedacht, sondern auch ausgesprochen worden. Ein hoch¬
verdienter General, welcher einen sehr wichtigen Posten bekleidete, sollte entfernt werden,
weil er sich das Mißfallen des allmächtigen Grafen Grünne zugezogen hatte. Man stellte
dem Letzteren vor, daß es schwierig sein würde, einen passenden Mann für jenen Posten
zu finden. „Wenn es Seine Majestät befiehlt," versetzte der Günstling, „so bin ich überzeugt,
daß der erste Beste den Platz ebensogut ausfüllen wird/' Grünne, ein Herr, der in den
Vorzimmern seine Studien gemacht, aber nie eine Kugel pfeifen gehört hatte (die Erzählung
von seiner an der Seite des Kaisers bewiesenen Bravour ist eine erbärmliche Speichelleckerei»,
war jedem kriegerischen Verdienst abhold und haßte die neben oder vor ihm stehenden Ge-
nerale, welche sich durch ihre Tapferkeit ausgezeichnet hatten. Ein durch seine Thaten viel¬
bekannter alter General erschien einst in dem Vorzimmer des Kaisers. Grünne, der den
Veteran ganz gut kannte und sich früher vor ihm oft und tief genug gebückt hatte, fragte
ihn impertinent um sein Begehren und — seinen Namen. „Melden Sie den Feldzeugmeister
H.", antwortete der alte Krieger barsch und fragte die Umstellenden, wer dieser Herr sei. „Der
Graf Grünne," antwortete man ihm verwundert, „kennen Sie ihn denn nicht?" „Sonderbar,
diesen Namen habe ich weder in Ungarn noch in Italien nennen gehört!" Grünne erröthete
zwar nicht, rächte sich aber, indem er dem General einen ungnädigen Empfang bereitete.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/399>, abgerufen am 23.12.2024.