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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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In den letztgenannten Eigenschaften mochten die polnischen Regimenter
vielleicht voranstehen, aber ihre Unteroffiziere standen im Durchschnitt aus einer
weit niedrigeren Bildungsstufe, und die angeborne Unbehilflichkeit der Mann¬
schaft, besonders der Ruthenen oder Nußniaken, erschwerte deren Ausbildung.
Man pflegte zu sagen: "Der polnische Rekrut braucht drei Jahre, bevor er ein
Mensch wird, hierauf vergehen wieder vier Jahre, bis er Soldat wird, -- dann
aber ist er der beste Soldat, welchen man finden kann."

Bei den Ungarn rühmte man die Gewandtheit und strenge militärische
Haltung, sowie die tadellos nette und reine Adjüstirung der Mannschaft, was
bei den natürlichen Eigenschaften des Ungarn, Gelenkigkeit und Eitelkeit, wohl
nicht anders sein konnte. Dagegen fehlte es auch hier bei den Unteroffizieren,
an der nöthigen Bildung, und selbst unter den Offizieren gab es viele ebenso
unwissende als rohe Individuen. Man behauptete zwar, daß die Offiziere der
ungarischen Infanterie in der Kenntniß ihrer rein militärischen Obliegenheiten
besser als die der übrigen Infanterie bewandert wären und daß auch der Dienst
selbst nirgends so streng und so pünktlich als bei den ungarischen Regimentern
betrieben würde. Es wäre aber traurig gewesen, wenn der Edelmann, der
außerdent nichts gelernt hatte und nichts lernen wollte, aber doch mit Borliebe
Soldat war, sich nicht im Lause der Zeit diese geringe Kenntniß angeeignet
hätte. Dann aber war bei dem an sich schon unbändigen Charakter des Un¬
garn, bei der Rohheit der übrigen in den ungarischen Regimentern anzutreffen¬
den Nationalitäten, als der Wallachen, Slowaken, Serben, Szekler und Ande¬
rer, und noch mehr wegen der Art der Ergänzung dieser Truppen, denen die
freie und gewaltsame Werbung nur Vagabunden und Unzufriedene zuführte,
eine überaus strenge Disciplin gewiß höchst nothwendig. Daß sich aber diese
Disciplin doch nur so lange geltend machte, als die Soldaten in Reihe und
Glied standen, oder sich in der Kaserne befanden, dafür zeugten die vielfachen
Excesse, welche von den ungarischen Soldaten in allen Garnisonen begangen
wurden.

Fast das Gleiche konnte von den siebenbürgischen Regimentern behauptet
werden. Die militärische Haltung und Geübtheit dieser Truppen war, wie es
bei einer lebenslänglichen Dienstzeit leicht erklärlich war, unübertrefflich, die
Disciplin war wegen der noch größeren Rohheit der Mannschaft, noch strenger,
aber demungeachtet machten sich auch diese Truppen durch häufig vorkommende
Excesse und Eigenthumsverletzungen in den meisten Orten, welche sie durch¬
zogen, nicht eben auf die vortheilhafteste Weise bekannt.

Uebrigens muß man zugestehen, daß die äußere Erscheinung eines unga¬
rischen oder siebenbürgischen Regiments oder gar eines Grenadierbataillons bei
den übrigen Heeren Europas wohl kaum ihres Gleichen finden mochte. Manche
Gardetruppe stand dagegen zurück. Die enganschließenden Beinkleider und die


Grenzboten III. 18V3. 44

In den letztgenannten Eigenschaften mochten die polnischen Regimenter
vielleicht voranstehen, aber ihre Unteroffiziere standen im Durchschnitt aus einer
weit niedrigeren Bildungsstufe, und die angeborne Unbehilflichkeit der Mann¬
schaft, besonders der Ruthenen oder Nußniaken, erschwerte deren Ausbildung.
Man pflegte zu sagen: „Der polnische Rekrut braucht drei Jahre, bevor er ein
Mensch wird, hierauf vergehen wieder vier Jahre, bis er Soldat wird, — dann
aber ist er der beste Soldat, welchen man finden kann."

Bei den Ungarn rühmte man die Gewandtheit und strenge militärische
Haltung, sowie die tadellos nette und reine Adjüstirung der Mannschaft, was
bei den natürlichen Eigenschaften des Ungarn, Gelenkigkeit und Eitelkeit, wohl
nicht anders sein konnte. Dagegen fehlte es auch hier bei den Unteroffizieren,
an der nöthigen Bildung, und selbst unter den Offizieren gab es viele ebenso
unwissende als rohe Individuen. Man behauptete zwar, daß die Offiziere der
ungarischen Infanterie in der Kenntniß ihrer rein militärischen Obliegenheiten
besser als die der übrigen Infanterie bewandert wären und daß auch der Dienst
selbst nirgends so streng und so pünktlich als bei den ungarischen Regimentern
betrieben würde. Es wäre aber traurig gewesen, wenn der Edelmann, der
außerdent nichts gelernt hatte und nichts lernen wollte, aber doch mit Borliebe
Soldat war, sich nicht im Lause der Zeit diese geringe Kenntniß angeeignet
hätte. Dann aber war bei dem an sich schon unbändigen Charakter des Un¬
garn, bei der Rohheit der übrigen in den ungarischen Regimentern anzutreffen¬
den Nationalitäten, als der Wallachen, Slowaken, Serben, Szekler und Ande¬
rer, und noch mehr wegen der Art der Ergänzung dieser Truppen, denen die
freie und gewaltsame Werbung nur Vagabunden und Unzufriedene zuführte,
eine überaus strenge Disciplin gewiß höchst nothwendig. Daß sich aber diese
Disciplin doch nur so lange geltend machte, als die Soldaten in Reihe und
Glied standen, oder sich in der Kaserne befanden, dafür zeugten die vielfachen
Excesse, welche von den ungarischen Soldaten in allen Garnisonen begangen
wurden.

Fast das Gleiche konnte von den siebenbürgischen Regimentern behauptet
werden. Die militärische Haltung und Geübtheit dieser Truppen war, wie es
bei einer lebenslänglichen Dienstzeit leicht erklärlich war, unübertrefflich, die
Disciplin war wegen der noch größeren Rohheit der Mannschaft, noch strenger,
aber demungeachtet machten sich auch diese Truppen durch häufig vorkommende
Excesse und Eigenthumsverletzungen in den meisten Orten, welche sie durch¬
zogen, nicht eben auf die vortheilhafteste Weise bekannt.

Uebrigens muß man zugestehen, daß die äußere Erscheinung eines unga¬
rischen oder siebenbürgischen Regiments oder gar eines Grenadierbataillons bei
den übrigen Heeren Europas wohl kaum ihres Gleichen finden mochte. Manche
Gardetruppe stand dagegen zurück. Die enganschließenden Beinkleider und die


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[0353] In den letztgenannten Eigenschaften mochten die polnischen Regimenter vielleicht voranstehen, aber ihre Unteroffiziere standen im Durchschnitt aus einer weit niedrigeren Bildungsstufe, und die angeborne Unbehilflichkeit der Mann¬ schaft, besonders der Ruthenen oder Nußniaken, erschwerte deren Ausbildung. Man pflegte zu sagen: „Der polnische Rekrut braucht drei Jahre, bevor er ein Mensch wird, hierauf vergehen wieder vier Jahre, bis er Soldat wird, — dann aber ist er der beste Soldat, welchen man finden kann." Bei den Ungarn rühmte man die Gewandtheit und strenge militärische Haltung, sowie die tadellos nette und reine Adjüstirung der Mannschaft, was bei den natürlichen Eigenschaften des Ungarn, Gelenkigkeit und Eitelkeit, wohl nicht anders sein konnte. Dagegen fehlte es auch hier bei den Unteroffizieren, an der nöthigen Bildung, und selbst unter den Offizieren gab es viele ebenso unwissende als rohe Individuen. Man behauptete zwar, daß die Offiziere der ungarischen Infanterie in der Kenntniß ihrer rein militärischen Obliegenheiten besser als die der übrigen Infanterie bewandert wären und daß auch der Dienst selbst nirgends so streng und so pünktlich als bei den ungarischen Regimentern betrieben würde. Es wäre aber traurig gewesen, wenn der Edelmann, der außerdent nichts gelernt hatte und nichts lernen wollte, aber doch mit Borliebe Soldat war, sich nicht im Lause der Zeit diese geringe Kenntniß angeeignet hätte. Dann aber war bei dem an sich schon unbändigen Charakter des Un¬ garn, bei der Rohheit der übrigen in den ungarischen Regimentern anzutreffen¬ den Nationalitäten, als der Wallachen, Slowaken, Serben, Szekler und Ande¬ rer, und noch mehr wegen der Art der Ergänzung dieser Truppen, denen die freie und gewaltsame Werbung nur Vagabunden und Unzufriedene zuführte, eine überaus strenge Disciplin gewiß höchst nothwendig. Daß sich aber diese Disciplin doch nur so lange geltend machte, als die Soldaten in Reihe und Glied standen, oder sich in der Kaserne befanden, dafür zeugten die vielfachen Excesse, welche von den ungarischen Soldaten in allen Garnisonen begangen wurden. Fast das Gleiche konnte von den siebenbürgischen Regimentern behauptet werden. Die militärische Haltung und Geübtheit dieser Truppen war, wie es bei einer lebenslänglichen Dienstzeit leicht erklärlich war, unübertrefflich, die Disciplin war wegen der noch größeren Rohheit der Mannschaft, noch strenger, aber demungeachtet machten sich auch diese Truppen durch häufig vorkommende Excesse und Eigenthumsverletzungen in den meisten Orten, welche sie durch¬ zogen, nicht eben auf die vortheilhafteste Weise bekannt. Uebrigens muß man zugestehen, daß die äußere Erscheinung eines unga¬ rischen oder siebenbürgischen Regiments oder gar eines Grenadierbataillons bei den übrigen Heeren Europas wohl kaum ihres Gleichen finden mochte. Manche Gardetruppe stand dagegen zurück. Die enganschließenden Beinkleider und die Grenzboten III. 18V3. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/353>, abgerufen am 23.12.2024.