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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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treten. Bei vorzüglich guter Aufführung oder bei -- besonderer Protection
konnte der Cadet zum k. f. Cadeten oder "Kcnsercadeten" befördert werden,
wo ihm dann die Beförderung zum Offizier gesichert war. Dagegen wurden
die Söhne der Beamten, Gutsbesitzer und wohlhabenden Bürger,, sowie "son¬
stige junge Leute von Bildung" nur als ex xroxrÜZ Gemeine angenommen.
Als solche trugen sie das seidne Portepee gleich den Cadeten, wurden mit
"Sie" angesprochen, standen aber hinsichtlich der Avancemcntberechtigung den
Cadeten nach.

Manche Regimenter, zumal die in den Hauptstädten garnisonirenden, hat¬
ten oft 70--80 Cadeten und ex proprÜZ, Daß denselben nur geringe Hoff¬
nungen leuchteten, läßt sich leicht denken, besonders wenn man die Art der Er¬
gänzung des Offizierscorps näher betrachtet.

Es bestand ein eigener Turnus, nach welchem die vacanten Fähnrichs¬
oder Lieutenanlsstellen besetzt wurden, doch hatte diese Vorschrift eben nur auf
die Person desjenigen, welcher das Recht der Ernennung besaß, nicht aber auf
die Befähigung der zu Ernennenden Bezug.

Denn je eine Stelle wurde mit einem Zögling der Militärakademie in
Wiener-Neustadt, eine zweite mit einem Zögling eines der drei Cadetenhäuser
(in Gratzs. Ollmütz und Mailand) und die dritte mit einem Kcnsercadeten des
Regiments besetzt. Drei andere Stellen standen dem Inhaber des Regiments,
zuweilen auch dem Oberst zur Verfügung, worauf wieder der Militärakademie
das Besetzungsrecht zufiel. Der Inhaber war bei der Auswahl der zu Er¬
nennenden an keine Rücksicht gebunden, und wenn auch in der Regel zuerst
einer der ältesten Cadeten und dann ein von dem Oberst vorgeschlagenes In¬
dividuum befördert werden und nur eine Stelle zur unbeschränkten Disposition
des Inhabers verbleiben sollte, so konnte der letztere doch, ohne eine Rüge zu
gewärtigen, auch alle Stellen nach seinem Belieben ersetzen, Cadeten anderer
Regimenter in sein Regiment aufnehmen, ja selbst junge Leute des Civilstandes
direct zu Offizieren ernennen. Auch wurden einzelne durch den Hofkriegsrath
befördert, und zeitweilig wurden die Söhne der ersten Adelsgeschlechter von dem
Kaiser zu Offizieren ernannt.

Auf die Ausbildung der Offiziersaspiranten wurde nur geringe Sorgfalt
verwendet, und die bei den Regimentern bestehenden Cadetenschulen befanden
sich häufig in einem elenden Zustande und konnten, selbst wenn sie sich einer
vortrefflichen Leitung erfreuten, schon vermöge ihrer ganzen Einrichtung nicht
genügen. Lesen, Schreiben, die Anfangsgründe der Mathematik, etwas Zeich¬
nen und Geographie, vor Allem aber das Dienst- und Exercirreglement
waren die einzigen Gegenstände, welche gelehrt wurden. Suchte der junge
Mann eine gediegenere Fach- und allgemeine Ausbildung zu erlangen, so war
es gut; that er es nicht, so hatte er auch keine Zurücksetzung zu befürchten.


treten. Bei vorzüglich guter Aufführung oder bei — besonderer Protection
konnte der Cadet zum k. f. Cadeten oder „Kcnsercadeten" befördert werden,
wo ihm dann die Beförderung zum Offizier gesichert war. Dagegen wurden
die Söhne der Beamten, Gutsbesitzer und wohlhabenden Bürger,, sowie „son¬
stige junge Leute von Bildung" nur als ex xroxrÜZ Gemeine angenommen.
Als solche trugen sie das seidne Portepee gleich den Cadeten, wurden mit
„Sie" angesprochen, standen aber hinsichtlich der Avancemcntberechtigung den
Cadeten nach.

Manche Regimenter, zumal die in den Hauptstädten garnisonirenden, hat¬
ten oft 70—80 Cadeten und ex proprÜZ, Daß denselben nur geringe Hoff¬
nungen leuchteten, läßt sich leicht denken, besonders wenn man die Art der Er¬
gänzung des Offizierscorps näher betrachtet.

Es bestand ein eigener Turnus, nach welchem die vacanten Fähnrichs¬
oder Lieutenanlsstellen besetzt wurden, doch hatte diese Vorschrift eben nur auf
die Person desjenigen, welcher das Recht der Ernennung besaß, nicht aber auf
die Befähigung der zu Ernennenden Bezug.

Denn je eine Stelle wurde mit einem Zögling der Militärakademie in
Wiener-Neustadt, eine zweite mit einem Zögling eines der drei Cadetenhäuser
(in Gratzs. Ollmütz und Mailand) und die dritte mit einem Kcnsercadeten des
Regiments besetzt. Drei andere Stellen standen dem Inhaber des Regiments,
zuweilen auch dem Oberst zur Verfügung, worauf wieder der Militärakademie
das Besetzungsrecht zufiel. Der Inhaber war bei der Auswahl der zu Er¬
nennenden an keine Rücksicht gebunden, und wenn auch in der Regel zuerst
einer der ältesten Cadeten und dann ein von dem Oberst vorgeschlagenes In¬
dividuum befördert werden und nur eine Stelle zur unbeschränkten Disposition
des Inhabers verbleiben sollte, so konnte der letztere doch, ohne eine Rüge zu
gewärtigen, auch alle Stellen nach seinem Belieben ersetzen, Cadeten anderer
Regimenter in sein Regiment aufnehmen, ja selbst junge Leute des Civilstandes
direct zu Offizieren ernennen. Auch wurden einzelne durch den Hofkriegsrath
befördert, und zeitweilig wurden die Söhne der ersten Adelsgeschlechter von dem
Kaiser zu Offizieren ernannt.

Auf die Ausbildung der Offiziersaspiranten wurde nur geringe Sorgfalt
verwendet, und die bei den Regimentern bestehenden Cadetenschulen befanden
sich häufig in einem elenden Zustande und konnten, selbst wenn sie sich einer
vortrefflichen Leitung erfreuten, schon vermöge ihrer ganzen Einrichtung nicht
genügen. Lesen, Schreiben, die Anfangsgründe der Mathematik, etwas Zeich¬
nen und Geographie, vor Allem aber das Dienst- und Exercirreglement
waren die einzigen Gegenstände, welche gelehrt wurden. Suchte der junge
Mann eine gediegenere Fach- und allgemeine Ausbildung zu erlangen, so war
es gut; that er es nicht, so hatte er auch keine Zurücksetzung zu befürchten.


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[0350] treten. Bei vorzüglich guter Aufführung oder bei — besonderer Protection konnte der Cadet zum k. f. Cadeten oder „Kcnsercadeten" befördert werden, wo ihm dann die Beförderung zum Offizier gesichert war. Dagegen wurden die Söhne der Beamten, Gutsbesitzer und wohlhabenden Bürger,, sowie „son¬ stige junge Leute von Bildung" nur als ex xroxrÜZ Gemeine angenommen. Als solche trugen sie das seidne Portepee gleich den Cadeten, wurden mit „Sie" angesprochen, standen aber hinsichtlich der Avancemcntberechtigung den Cadeten nach. Manche Regimenter, zumal die in den Hauptstädten garnisonirenden, hat¬ ten oft 70—80 Cadeten und ex proprÜZ, Daß denselben nur geringe Hoff¬ nungen leuchteten, läßt sich leicht denken, besonders wenn man die Art der Er¬ gänzung des Offizierscorps näher betrachtet. Es bestand ein eigener Turnus, nach welchem die vacanten Fähnrichs¬ oder Lieutenanlsstellen besetzt wurden, doch hatte diese Vorschrift eben nur auf die Person desjenigen, welcher das Recht der Ernennung besaß, nicht aber auf die Befähigung der zu Ernennenden Bezug. Denn je eine Stelle wurde mit einem Zögling der Militärakademie in Wiener-Neustadt, eine zweite mit einem Zögling eines der drei Cadetenhäuser (in Gratzs. Ollmütz und Mailand) und die dritte mit einem Kcnsercadeten des Regiments besetzt. Drei andere Stellen standen dem Inhaber des Regiments, zuweilen auch dem Oberst zur Verfügung, worauf wieder der Militärakademie das Besetzungsrecht zufiel. Der Inhaber war bei der Auswahl der zu Er¬ nennenden an keine Rücksicht gebunden, und wenn auch in der Regel zuerst einer der ältesten Cadeten und dann ein von dem Oberst vorgeschlagenes In¬ dividuum befördert werden und nur eine Stelle zur unbeschränkten Disposition des Inhabers verbleiben sollte, so konnte der letztere doch, ohne eine Rüge zu gewärtigen, auch alle Stellen nach seinem Belieben ersetzen, Cadeten anderer Regimenter in sein Regiment aufnehmen, ja selbst junge Leute des Civilstandes direct zu Offizieren ernennen. Auch wurden einzelne durch den Hofkriegsrath befördert, und zeitweilig wurden die Söhne der ersten Adelsgeschlechter von dem Kaiser zu Offizieren ernannt. Auf die Ausbildung der Offiziersaspiranten wurde nur geringe Sorgfalt verwendet, und die bei den Regimentern bestehenden Cadetenschulen befanden sich häufig in einem elenden Zustande und konnten, selbst wenn sie sich einer vortrefflichen Leitung erfreuten, schon vermöge ihrer ganzen Einrichtung nicht genügen. Lesen, Schreiben, die Anfangsgründe der Mathematik, etwas Zeich¬ nen und Geographie, vor Allem aber das Dienst- und Exercirreglement waren die einzigen Gegenstände, welche gelehrt wurden. Suchte der junge Mann eine gediegenere Fach- und allgemeine Ausbildung zu erlangen, so war es gut; that er es nicht, so hatte er auch keine Zurücksetzung zu befürchten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/350>, abgerufen am 28.07.2024.