Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auch Rekruten bei der Landwehr eingetheilt; der Name der letzteren aber war
bald nur ein günstiger Vorwand, um Soldaten, welche man recht empfindlich
strafen, oder welche man eines andern Grundes wegen nicht entlassen wollte,
ohne Urtheilsspruch statt vierzehn volle zwanzig Jahre bei der Truppe zu be¬
halten.

Die aus dem Lombardo-Venetianischen sich ergänzenden Regimenter, acht
an der Zahl, waren den deutschen und polnischen gleich adjustirt, besaßen eben¬
falls zwei Grenadiercompagnien und drei Feldbataillone, errichteten jedoch keine
Landwehr, und es war der Mann nur zur Vollstreckung einer achtjährigen Ka¬
pitulation verpflichtet.

Die ungarischen Regimenter bestanden hingegen aus drei Feldbataillonen
zu achtzehn Compagnien und einer Grenadierdivision, wozu im Kriege noch
ein Neservebataillon kommen sollte. Die Dienstzeit des ungarischen Soldaten
dauerte zehn Jahre; ob er jedoch nach Ablauf dieser Frist noch zu irgend einer
Dienstverpflichtung angehalten werden durfte, hing fast nur von der Willkür
der Stände ab. Eine eigentliche Conscription bestand zu jener Zeit in Ungarn
nicht, und es wurden die von dem Landtage bewilligten Rekruten theils durch
die freie Werbung, theils durch Gewalt, also durch Pressen, aufgebracht. Der
ungarische Infanterist trug einen weißen Frack mit weißen Liezen auf den
Acrmelaufschlägen, enge Beinkleider nach ungarischen Schnitt von blauer Farbe
mit gelben Schnüren verziert und ungarische Schnürschuhe.

Der Offizier trug im Galaanzuge blaue Hosen und Husarenstiefel, hatte
jedoch die nämliche Campagneunifvrm, wie die Offiziere der übrigen Regimen¬
ter. Statt des Degens war er mit einem Schleppsäbel bewaffnet.

Die siebenbürgischen Regimenter zählten sechzehn Feld-, zwei Grenadier-
und zwei Reservecompagnien. Die Bekleidung war der bei den ungarischen
Regimentern gleich. Die Dienstzeit des Mannes war auf keine bestimmte
Zahl von Jahren festgesetzt, sondern war im vollen Sinne des Wortes eine
-- lebenslängliche. Die Ergänzung sollte auf dieselbe Weise wie in Un¬
garn bewirkt werden. Da aber die siebenbürgischen Stände, seit 1831 in ste¬
tem Zwiespalt mit der kaiserlichen Regierung, derselben seit jener Zeit auch
keine Rekruten bewilligt hatten, so schrumpften diese Regimenter, welche nur
(selten durch einige Freiwillige oder auf anderem Wege einen geringen Zuwachs
erhielten, nach und nach zu bloßen Cadres zusammen, so daß der Feldmarschall
Radetzky schon 1847 ein solches Regiment, weil es nicht einmal den einem ge¬
wöhnlichen Bataillon zufallenden Dienst bestreiten konnte, ablösen und in seine
Heimath absenden ließ.

Die Grenadiercompagnien der Regimenter wurden zu je sechs oder vier
in Bataillone zusammengestellt. Doch war es nur ein taktischer und kein ad¬
ministrativer Verband, indem der Oberst die Offiziere und die Mannschaft nach


Grenzboten III. 1863. 43

auch Rekruten bei der Landwehr eingetheilt; der Name der letzteren aber war
bald nur ein günstiger Vorwand, um Soldaten, welche man recht empfindlich
strafen, oder welche man eines andern Grundes wegen nicht entlassen wollte,
ohne Urtheilsspruch statt vierzehn volle zwanzig Jahre bei der Truppe zu be¬
halten.

Die aus dem Lombardo-Venetianischen sich ergänzenden Regimenter, acht
an der Zahl, waren den deutschen und polnischen gleich adjustirt, besaßen eben¬
falls zwei Grenadiercompagnien und drei Feldbataillone, errichteten jedoch keine
Landwehr, und es war der Mann nur zur Vollstreckung einer achtjährigen Ka¬
pitulation verpflichtet.

Die ungarischen Regimenter bestanden hingegen aus drei Feldbataillonen
zu achtzehn Compagnien und einer Grenadierdivision, wozu im Kriege noch
ein Neservebataillon kommen sollte. Die Dienstzeit des ungarischen Soldaten
dauerte zehn Jahre; ob er jedoch nach Ablauf dieser Frist noch zu irgend einer
Dienstverpflichtung angehalten werden durfte, hing fast nur von der Willkür
der Stände ab. Eine eigentliche Conscription bestand zu jener Zeit in Ungarn
nicht, und es wurden die von dem Landtage bewilligten Rekruten theils durch
die freie Werbung, theils durch Gewalt, also durch Pressen, aufgebracht. Der
ungarische Infanterist trug einen weißen Frack mit weißen Liezen auf den
Acrmelaufschlägen, enge Beinkleider nach ungarischen Schnitt von blauer Farbe
mit gelben Schnüren verziert und ungarische Schnürschuhe.

Der Offizier trug im Galaanzuge blaue Hosen und Husarenstiefel, hatte
jedoch die nämliche Campagneunifvrm, wie die Offiziere der übrigen Regimen¬
ter. Statt des Degens war er mit einem Schleppsäbel bewaffnet.

Die siebenbürgischen Regimenter zählten sechzehn Feld-, zwei Grenadier-
und zwei Reservecompagnien. Die Bekleidung war der bei den ungarischen
Regimentern gleich. Die Dienstzeit des Mannes war auf keine bestimmte
Zahl von Jahren festgesetzt, sondern war im vollen Sinne des Wortes eine
— lebenslängliche. Die Ergänzung sollte auf dieselbe Weise wie in Un¬
garn bewirkt werden. Da aber die siebenbürgischen Stände, seit 1831 in ste¬
tem Zwiespalt mit der kaiserlichen Regierung, derselben seit jener Zeit auch
keine Rekruten bewilligt hatten, so schrumpften diese Regimenter, welche nur
(selten durch einige Freiwillige oder auf anderem Wege einen geringen Zuwachs
erhielten, nach und nach zu bloßen Cadres zusammen, so daß der Feldmarschall
Radetzky schon 1847 ein solches Regiment, weil es nicht einmal den einem ge¬
wöhnlichen Bataillon zufallenden Dienst bestreiten konnte, ablösen und in seine
Heimath absenden ließ.

Die Grenadiercompagnien der Regimenter wurden zu je sechs oder vier
in Bataillone zusammengestellt. Doch war es nur ein taktischer und kein ad¬
ministrativer Verband, indem der Oberst die Offiziere und die Mannschaft nach


Grenzboten III. 1863. 43
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0345" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115737"/>
          <p xml:id="ID_946" prev="#ID_945"> auch Rekruten bei der Landwehr eingetheilt; der Name der letzteren aber war<lb/>
bald nur ein günstiger Vorwand, um Soldaten, welche man recht empfindlich<lb/>
strafen, oder welche man eines andern Grundes wegen nicht entlassen wollte,<lb/>
ohne Urtheilsspruch statt vierzehn volle zwanzig Jahre bei der Truppe zu be¬<lb/>
halten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_947"> Die aus dem Lombardo-Venetianischen sich ergänzenden Regimenter, acht<lb/>
an der Zahl, waren den deutschen und polnischen gleich adjustirt, besaßen eben¬<lb/>
falls zwei Grenadiercompagnien und drei Feldbataillone, errichteten jedoch keine<lb/>
Landwehr, und es war der Mann nur zur Vollstreckung einer achtjährigen Ka¬<lb/>
pitulation verpflichtet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_948"> Die ungarischen Regimenter bestanden hingegen aus drei Feldbataillonen<lb/>
zu achtzehn Compagnien und einer Grenadierdivision, wozu im Kriege noch<lb/>
ein Neservebataillon kommen sollte. Die Dienstzeit des ungarischen Soldaten<lb/>
dauerte zehn Jahre; ob er jedoch nach Ablauf dieser Frist noch zu irgend einer<lb/>
Dienstverpflichtung angehalten werden durfte, hing fast nur von der Willkür<lb/>
der Stände ab. Eine eigentliche Conscription bestand zu jener Zeit in Ungarn<lb/>
nicht, und es wurden die von dem Landtage bewilligten Rekruten theils durch<lb/>
die freie Werbung, theils durch Gewalt, also durch Pressen, aufgebracht. Der<lb/>
ungarische Infanterist trug einen weißen Frack mit weißen Liezen auf den<lb/>
Acrmelaufschlägen, enge Beinkleider nach ungarischen Schnitt von blauer Farbe<lb/>
mit gelben Schnüren verziert und ungarische Schnürschuhe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_949"> Der Offizier trug im Galaanzuge blaue Hosen und Husarenstiefel, hatte<lb/>
jedoch die nämliche Campagneunifvrm, wie die Offiziere der übrigen Regimen¬<lb/>
ter.  Statt des Degens war er mit einem Schleppsäbel bewaffnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_950"> Die siebenbürgischen Regimenter zählten sechzehn Feld-, zwei Grenadier-<lb/>
und zwei Reservecompagnien. Die Bekleidung war der bei den ungarischen<lb/>
Regimentern gleich. Die Dienstzeit des Mannes war auf keine bestimmte<lb/>
Zahl von Jahren festgesetzt, sondern war im vollen Sinne des Wortes eine<lb/>
&#x2014; lebenslängliche. Die Ergänzung sollte auf dieselbe Weise wie in Un¬<lb/>
garn bewirkt werden. Da aber die siebenbürgischen Stände, seit 1831 in ste¬<lb/>
tem Zwiespalt mit der kaiserlichen Regierung, derselben seit jener Zeit auch<lb/>
keine Rekruten bewilligt hatten, so schrumpften diese Regimenter, welche nur<lb/>
(selten durch einige Freiwillige oder auf anderem Wege einen geringen Zuwachs<lb/>
erhielten, nach und nach zu bloßen Cadres zusammen, so daß der Feldmarschall<lb/>
Radetzky schon 1847 ein solches Regiment, weil es nicht einmal den einem ge¬<lb/>
wöhnlichen Bataillon zufallenden Dienst bestreiten konnte, ablösen und in seine<lb/>
Heimath absenden ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_951" next="#ID_952"> Die Grenadiercompagnien der Regimenter wurden zu je sechs oder vier<lb/>
in Bataillone zusammengestellt.  Doch war es nur ein taktischer und kein ad¬<lb/>
ministrativer Verband, indem der Oberst die Offiziere und die Mannschaft nach</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1863. 43</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0345] auch Rekruten bei der Landwehr eingetheilt; der Name der letzteren aber war bald nur ein günstiger Vorwand, um Soldaten, welche man recht empfindlich strafen, oder welche man eines andern Grundes wegen nicht entlassen wollte, ohne Urtheilsspruch statt vierzehn volle zwanzig Jahre bei der Truppe zu be¬ halten. Die aus dem Lombardo-Venetianischen sich ergänzenden Regimenter, acht an der Zahl, waren den deutschen und polnischen gleich adjustirt, besaßen eben¬ falls zwei Grenadiercompagnien und drei Feldbataillone, errichteten jedoch keine Landwehr, und es war der Mann nur zur Vollstreckung einer achtjährigen Ka¬ pitulation verpflichtet. Die ungarischen Regimenter bestanden hingegen aus drei Feldbataillonen zu achtzehn Compagnien und einer Grenadierdivision, wozu im Kriege noch ein Neservebataillon kommen sollte. Die Dienstzeit des ungarischen Soldaten dauerte zehn Jahre; ob er jedoch nach Ablauf dieser Frist noch zu irgend einer Dienstverpflichtung angehalten werden durfte, hing fast nur von der Willkür der Stände ab. Eine eigentliche Conscription bestand zu jener Zeit in Ungarn nicht, und es wurden die von dem Landtage bewilligten Rekruten theils durch die freie Werbung, theils durch Gewalt, also durch Pressen, aufgebracht. Der ungarische Infanterist trug einen weißen Frack mit weißen Liezen auf den Acrmelaufschlägen, enge Beinkleider nach ungarischen Schnitt von blauer Farbe mit gelben Schnüren verziert und ungarische Schnürschuhe. Der Offizier trug im Galaanzuge blaue Hosen und Husarenstiefel, hatte jedoch die nämliche Campagneunifvrm, wie die Offiziere der übrigen Regimen¬ ter. Statt des Degens war er mit einem Schleppsäbel bewaffnet. Die siebenbürgischen Regimenter zählten sechzehn Feld-, zwei Grenadier- und zwei Reservecompagnien. Die Bekleidung war der bei den ungarischen Regimentern gleich. Die Dienstzeit des Mannes war auf keine bestimmte Zahl von Jahren festgesetzt, sondern war im vollen Sinne des Wortes eine — lebenslängliche. Die Ergänzung sollte auf dieselbe Weise wie in Un¬ garn bewirkt werden. Da aber die siebenbürgischen Stände, seit 1831 in ste¬ tem Zwiespalt mit der kaiserlichen Regierung, derselben seit jener Zeit auch keine Rekruten bewilligt hatten, so schrumpften diese Regimenter, welche nur (selten durch einige Freiwillige oder auf anderem Wege einen geringen Zuwachs erhielten, nach und nach zu bloßen Cadres zusammen, so daß der Feldmarschall Radetzky schon 1847 ein solches Regiment, weil es nicht einmal den einem ge¬ wöhnlichen Bataillon zufallenden Dienst bestreiten konnte, ablösen und in seine Heimath absenden ließ. Die Grenadiercompagnien der Regimenter wurden zu je sechs oder vier in Bataillone zusammengestellt. Doch war es nur ein taktischer und kein ad¬ ministrativer Verband, indem der Oberst die Offiziere und die Mannschaft nach Grenzboten III. 1863. 43

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/345
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/345>, abgerufen am 28.07.2024.