Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durchbrachen, ist hier nicht der Ort weiter zu verfolgen. Seine Bedeutung
beruht, wie gesagt, nicht auf seinen theoretischen Sätzen, sondern auf der be¬
fruchtenden Kraft seiner schöpferischen Ideen und auf der völlig neuen Art und
Weise, wie er, der einfach aus sich allein gestellte, der Heimath selbst beraubte
Mann Presse und Publicum, Cabinete und Ständekammern in Bewegung
setzte, endlich auf der selbstbewußten Energie, mit der er daraufhinarbeitete,
dem allgemeinen, vielfach unklaren Drang nach Fortschritt einen realen prak¬
tischen Inhalt, dem vagen, großentheils frcmzösirenden Liberalismus eine echt
nationale Grundlage zu geben. Schon die Form seiner Wirksamkeit war von
eminent politischer Bedeutung, noch mehr war es deren Inhalt. Und gerade
die letzten Jahre, so unerquicklich sie durch eine leidenschaftliche Polemik sind,
stellen die politische Begabung Lifts und die politischen Zielpunkte seiner ganzen
Agitation mit immer größerer Schärfe und Bestimmtheit heraus. Daß die
wirthschaftliche Einigung nothwendig zur Nationaleinheit führen müsse und
erst in dieser ihre sichere Garantie finden könne, ist von nun an, der Gedanke,
den er unzählige Male variirt und nicht blos in ideal-prophetischer Weise ver¬
kündigt, sondern an den verschiedensten Punkten praktisch anfaßt. Von Tag
zu Tag, so lesen wir im nationalen System, müssen die Regierungen und Völ¬
ker Deutschlands mehr zur Einsicht gelangen, daß Nationaleinheit der Fels ist. auf
welchen das Gebäude ihres Wohlstands, ihrer Ehre, ihrer Macht, ihrer gegen¬
wärtigen Sicherheit und Existenz und ihrer künftigen Größe zu gründen sei.
Nur aus der Einheit der materiellen Interessen erwächst die geistige und nur
aus beiden die Nationalkraft. Welchen Werth aber haben alle unsere Bestre¬
bungen, seien wir Regierende oder Regierte, vom Adel- oder vom Bürgerstand,
Gelehrte oder Ungelehrte, Soldaten oder Civilisten. Manufacturisien. Agricul-
turisten oder Kaufleute, ohne Nationalität und ohne Garantie für die Fort¬
dauer unserer Nationalität! Die commerciellen Verhältnisse werden jetzt in
unmittelbare Beziehung zu den politisch nationalen Fragen gebracht. Wie die
Julirevolution zur Gründung des Zollvereins mächtig beigetragen, so werde
das nächste große Weltereigniß, sagt er im Jahre 1841, die kleineren Staaten
vollends dazu vermögen, den größeren Forderungen der deutschen Nationalität
nachzugeben. Damals als in Frankreich das Verlangen nach der Rheingrenze
laut wurde, habe sich zum ersten Male erprobt, was die Handelseinheit der
Nation werth sei, und was sie, abgesehen von den materiellen Interessen, den
Regierungen nütze. Allerdings müsse die herzustellende Nationaleinheit jedem
einzelnen Stamm und Staat diejenige Selbstständigkeit und freie Bewegung
lassen, die im germanischen Föderativprincip begründet sei, aber wohin Scherben-
nationaliM, die sich zur nichtzerstückelten Nationalität verhalte, wie die Scher¬
ben eines zerbrochenen Gefäßes zum Ganzen, wohin die Nationalzersplitterung
führe, schwebe noch in Jedermanns Erinnerung. Noch sei kein Menschenalter


Grenzboten III. 1863. 42

durchbrachen, ist hier nicht der Ort weiter zu verfolgen. Seine Bedeutung
beruht, wie gesagt, nicht auf seinen theoretischen Sätzen, sondern auf der be¬
fruchtenden Kraft seiner schöpferischen Ideen und auf der völlig neuen Art und
Weise, wie er, der einfach aus sich allein gestellte, der Heimath selbst beraubte
Mann Presse und Publicum, Cabinete und Ständekammern in Bewegung
setzte, endlich auf der selbstbewußten Energie, mit der er daraufhinarbeitete,
dem allgemeinen, vielfach unklaren Drang nach Fortschritt einen realen prak¬
tischen Inhalt, dem vagen, großentheils frcmzösirenden Liberalismus eine echt
nationale Grundlage zu geben. Schon die Form seiner Wirksamkeit war von
eminent politischer Bedeutung, noch mehr war es deren Inhalt. Und gerade
die letzten Jahre, so unerquicklich sie durch eine leidenschaftliche Polemik sind,
stellen die politische Begabung Lifts und die politischen Zielpunkte seiner ganzen
Agitation mit immer größerer Schärfe und Bestimmtheit heraus. Daß die
wirthschaftliche Einigung nothwendig zur Nationaleinheit führen müsse und
erst in dieser ihre sichere Garantie finden könne, ist von nun an, der Gedanke,
den er unzählige Male variirt und nicht blos in ideal-prophetischer Weise ver¬
kündigt, sondern an den verschiedensten Punkten praktisch anfaßt. Von Tag
zu Tag, so lesen wir im nationalen System, müssen die Regierungen und Völ¬
ker Deutschlands mehr zur Einsicht gelangen, daß Nationaleinheit der Fels ist. auf
welchen das Gebäude ihres Wohlstands, ihrer Ehre, ihrer Macht, ihrer gegen¬
wärtigen Sicherheit und Existenz und ihrer künftigen Größe zu gründen sei.
Nur aus der Einheit der materiellen Interessen erwächst die geistige und nur
aus beiden die Nationalkraft. Welchen Werth aber haben alle unsere Bestre¬
bungen, seien wir Regierende oder Regierte, vom Adel- oder vom Bürgerstand,
Gelehrte oder Ungelehrte, Soldaten oder Civilisten. Manufacturisien. Agricul-
turisten oder Kaufleute, ohne Nationalität und ohne Garantie für die Fort¬
dauer unserer Nationalität! Die commerciellen Verhältnisse werden jetzt in
unmittelbare Beziehung zu den politisch nationalen Fragen gebracht. Wie die
Julirevolution zur Gründung des Zollvereins mächtig beigetragen, so werde
das nächste große Weltereigniß, sagt er im Jahre 1841, die kleineren Staaten
vollends dazu vermögen, den größeren Forderungen der deutschen Nationalität
nachzugeben. Damals als in Frankreich das Verlangen nach der Rheingrenze
laut wurde, habe sich zum ersten Male erprobt, was die Handelseinheit der
Nation werth sei, und was sie, abgesehen von den materiellen Interessen, den
Regierungen nütze. Allerdings müsse die herzustellende Nationaleinheit jedem
einzelnen Stamm und Staat diejenige Selbstständigkeit und freie Bewegung
lassen, die im germanischen Föderativprincip begründet sei, aber wohin Scherben-
nationaliM, die sich zur nichtzerstückelten Nationalität verhalte, wie die Scher¬
ben eines zerbrochenen Gefäßes zum Ganzen, wohin die Nationalzersplitterung
führe, schwebe noch in Jedermanns Erinnerung. Noch sei kein Menschenalter


Grenzboten III. 1863. 42
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115729"/>
          <p xml:id="ID_925" prev="#ID_924" next="#ID_926"> durchbrachen, ist hier nicht der Ort weiter zu verfolgen. Seine Bedeutung<lb/>
beruht, wie gesagt, nicht auf seinen theoretischen Sätzen, sondern auf der be¬<lb/>
fruchtenden Kraft seiner schöpferischen Ideen und auf der völlig neuen Art und<lb/>
Weise, wie er, der einfach aus sich allein gestellte, der Heimath selbst beraubte<lb/>
Mann Presse und Publicum, Cabinete und Ständekammern in Bewegung<lb/>
setzte, endlich auf der selbstbewußten Energie, mit der er daraufhinarbeitete,<lb/>
dem allgemeinen, vielfach unklaren Drang nach Fortschritt einen realen prak¬<lb/>
tischen Inhalt, dem vagen, großentheils frcmzösirenden Liberalismus eine echt<lb/>
nationale Grundlage zu geben.  Schon die Form seiner Wirksamkeit war von<lb/>
eminent politischer Bedeutung, noch mehr war es deren Inhalt. Und gerade<lb/>
die letzten Jahre, so unerquicklich sie durch eine leidenschaftliche Polemik sind,<lb/>
stellen die politische Begabung Lifts und die politischen Zielpunkte seiner ganzen<lb/>
Agitation mit immer größerer Schärfe und Bestimmtheit heraus.  Daß die<lb/>
wirthschaftliche Einigung nothwendig zur Nationaleinheit führen müsse und<lb/>
erst in dieser ihre sichere Garantie finden könne, ist von nun an, der Gedanke,<lb/>
den er unzählige Male variirt und nicht blos in ideal-prophetischer Weise ver¬<lb/>
kündigt, sondern an den verschiedensten Punkten praktisch anfaßt.  Von Tag<lb/>
zu Tag, so lesen wir im nationalen System, müssen die Regierungen und Völ¬<lb/>
ker Deutschlands mehr zur Einsicht gelangen, daß Nationaleinheit der Fels ist. auf<lb/>
welchen das Gebäude ihres Wohlstands, ihrer Ehre, ihrer Macht, ihrer gegen¬<lb/>
wärtigen Sicherheit und Existenz und ihrer künftigen Größe zu gründen sei.<lb/>
Nur aus der Einheit der materiellen Interessen erwächst die geistige und nur<lb/>
aus beiden die Nationalkraft.  Welchen Werth aber haben alle unsere Bestre¬<lb/>
bungen, seien wir Regierende oder Regierte, vom Adel- oder vom Bürgerstand,<lb/>
Gelehrte oder Ungelehrte, Soldaten oder Civilisten. Manufacturisien. Agricul-<lb/>
turisten oder Kaufleute, ohne Nationalität und ohne Garantie für die Fort¬<lb/>
dauer unserer Nationalität!  Die commerciellen Verhältnisse werden jetzt in<lb/>
unmittelbare Beziehung zu den politisch nationalen Fragen gebracht.  Wie die<lb/>
Julirevolution zur Gründung des Zollvereins mächtig beigetragen, so werde<lb/>
das nächste große Weltereigniß, sagt er im Jahre 1841, die kleineren Staaten<lb/>
vollends dazu vermögen, den größeren Forderungen der deutschen Nationalität<lb/>
nachzugeben.  Damals als in Frankreich das Verlangen nach der Rheingrenze<lb/>
laut wurde, habe sich zum ersten Male erprobt, was die Handelseinheit der<lb/>
Nation werth sei, und was sie, abgesehen von den materiellen Interessen, den<lb/>
Regierungen nütze.  Allerdings müsse die herzustellende Nationaleinheit jedem<lb/>
einzelnen Stamm und Staat diejenige Selbstständigkeit und freie Bewegung<lb/>
lassen, die im germanischen Föderativprincip begründet sei, aber wohin Scherben-<lb/>
nationaliM, die sich zur nichtzerstückelten Nationalität verhalte, wie die Scher¬<lb/>
ben eines zerbrochenen Gefäßes zum Ganzen, wohin die Nationalzersplitterung<lb/>
führe, schwebe noch in Jedermanns Erinnerung.  Noch sei kein Menschenalter</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1863. 42</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] durchbrachen, ist hier nicht der Ort weiter zu verfolgen. Seine Bedeutung beruht, wie gesagt, nicht auf seinen theoretischen Sätzen, sondern auf der be¬ fruchtenden Kraft seiner schöpferischen Ideen und auf der völlig neuen Art und Weise, wie er, der einfach aus sich allein gestellte, der Heimath selbst beraubte Mann Presse und Publicum, Cabinete und Ständekammern in Bewegung setzte, endlich auf der selbstbewußten Energie, mit der er daraufhinarbeitete, dem allgemeinen, vielfach unklaren Drang nach Fortschritt einen realen prak¬ tischen Inhalt, dem vagen, großentheils frcmzösirenden Liberalismus eine echt nationale Grundlage zu geben. Schon die Form seiner Wirksamkeit war von eminent politischer Bedeutung, noch mehr war es deren Inhalt. Und gerade die letzten Jahre, so unerquicklich sie durch eine leidenschaftliche Polemik sind, stellen die politische Begabung Lifts und die politischen Zielpunkte seiner ganzen Agitation mit immer größerer Schärfe und Bestimmtheit heraus. Daß die wirthschaftliche Einigung nothwendig zur Nationaleinheit führen müsse und erst in dieser ihre sichere Garantie finden könne, ist von nun an, der Gedanke, den er unzählige Male variirt und nicht blos in ideal-prophetischer Weise ver¬ kündigt, sondern an den verschiedensten Punkten praktisch anfaßt. Von Tag zu Tag, so lesen wir im nationalen System, müssen die Regierungen und Völ¬ ker Deutschlands mehr zur Einsicht gelangen, daß Nationaleinheit der Fels ist. auf welchen das Gebäude ihres Wohlstands, ihrer Ehre, ihrer Macht, ihrer gegen¬ wärtigen Sicherheit und Existenz und ihrer künftigen Größe zu gründen sei. Nur aus der Einheit der materiellen Interessen erwächst die geistige und nur aus beiden die Nationalkraft. Welchen Werth aber haben alle unsere Bestre¬ bungen, seien wir Regierende oder Regierte, vom Adel- oder vom Bürgerstand, Gelehrte oder Ungelehrte, Soldaten oder Civilisten. Manufacturisien. Agricul- turisten oder Kaufleute, ohne Nationalität und ohne Garantie für die Fort¬ dauer unserer Nationalität! Die commerciellen Verhältnisse werden jetzt in unmittelbare Beziehung zu den politisch nationalen Fragen gebracht. Wie die Julirevolution zur Gründung des Zollvereins mächtig beigetragen, so werde das nächste große Weltereigniß, sagt er im Jahre 1841, die kleineren Staaten vollends dazu vermögen, den größeren Forderungen der deutschen Nationalität nachzugeben. Damals als in Frankreich das Verlangen nach der Rheingrenze laut wurde, habe sich zum ersten Male erprobt, was die Handelseinheit der Nation werth sei, und was sie, abgesehen von den materiellen Interessen, den Regierungen nütze. Allerdings müsse die herzustellende Nationaleinheit jedem einzelnen Stamm und Staat diejenige Selbstständigkeit und freie Bewegung lassen, die im germanischen Föderativprincip begründet sei, aber wohin Scherben- nationaliM, die sich zur nichtzerstückelten Nationalität verhalte, wie die Scher¬ ben eines zerbrochenen Gefäßes zum Ganzen, wohin die Nationalzersplitterung führe, schwebe noch in Jedermanns Erinnerung. Noch sei kein Menschenalter Grenzboten III. 1863. 42

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/337>, abgerufen am 23.12.2024.