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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Siecle, "für ein paar Tage in Aufträgen zu Paris aufhalte, so richte ich einige
nähere Angaben über meine Affaire vom Is. Juli zwischen Klebowo und Koschin
(Preußen) an Sie. Der Kampf fand auf preußischem Gebiete statt, und als
ich gleichzeitig von preußischen und russischen Soldaten angegriffen wurde, so
ließ ich, wiewohl ich mich vor einem neuen Feinde befand, meine Leute, etwa
300 Jäger, in Schlachtordnung aufstellen. Vorher aber schickte ich einen Par¬
lamentär an die Preußen, um ihnen sagen zu lassen, daß ich sie nicht angreifen,
sondern einfach über die Grenze gehen wolle. Die Preußen hielten meinen
Adjutanten zurück und setzten das Feuer fort. Mein Pferd wurde getödtet, und
nun befahl ich den Angriff. Nach den Berichten, die ich zwei Tage vorher er¬
halten hatte, konnten sich an diesem Ort nicht mehr als zwanzig bis dreißig
Preußen befinden. Ich glaubte immer noch, ihre Anzahl habe sich inzwischen
nicht vermehrt. Ich wollte sie nicht erdrücken, was mein Verhalten erklärt"
(das ist doch überaus großmüthig!), "allein ihre Hartnäckigkeit bewog mich,
Schuß um Schuß zu erwidern. Wie groß war nun mein Erstaunen, als aus
einem Kornfelde 7 bis 800 Mann preußische Jnfanteristen und ungefähr 200
Mann Russen herauskamen, welche letztere noch am Abend vorher um zehn Uhr
in Peisern gewesen waren." Ja, hier gilt das Wort aus dem deutschen
Gedichte:


-- -- O wisset, daß ich ein Lügner bin,
Doch log der Schrecken aus mir, drum verzeiht.

Die Insurgenten haben zuerst geschossen, sind von einem drei Mann starken preußi¬
schen Wachtposten eine geraume Weile aufgehalten und zuletzt von einer Compagnie
Infanterie und einem Zuge Husaren aufgehoben worden. Der Held mag weiter
sprechen: "Ich bestand den Kampf während etwa IV" Stunde, wir wurden je¬
doch benachrichtigt, daß eine Schwadron preußischer Dragoner von dem etwa
sechs Stunden entfernten Schroda heranrücke." Der Oberst scheint blos von
Schrecken ergriffen und mit den Verhältnissen derer, die er befreien wollte, we¬
nig vertraut gewesen zu sein; Schroda liegt etwa zwei Meilen von Miloslaw und
hat als ganze Cavalleriebescchung zwanzig Ulanen. "Vergeblich suchte ich an zwei
andern Punkten wieder über die Gre-nze zurückzugehen." Sie war noch nicht
überschritten. "In Koschin mußten wir uns abermals schlagen und wurden
von dem 3. und 6. Landwehrregiment, die von Miloslaw kamen, eingeschlossen."
Es reichte, wie gesagt, eine Compagnie für den Kampf aus, und Landwehr ist
gar nicht eingezogen. "Da ich einsah, daß jeder Widerstand gegen die Preußen
uns nur dahin führen würde, unnöthigerweise uns die Schädel einzurennen,
so ordnete ich ein sofortiges Auseinandergehen an. Alle kehrten heim." Das
ist wahr; noch am Morgen des Is. Juli waren einzelne Freiheitskämpfer wieder
zu Haufe. "Die Waffen und Munition wurden verborgen. Wir nahmen unsre
Verwundeten, achtzehn an der Zahl, und drei Todte mit uns." Das ist eine


Siecle, „für ein paar Tage in Aufträgen zu Paris aufhalte, so richte ich einige
nähere Angaben über meine Affaire vom Is. Juli zwischen Klebowo und Koschin
(Preußen) an Sie. Der Kampf fand auf preußischem Gebiete statt, und als
ich gleichzeitig von preußischen und russischen Soldaten angegriffen wurde, so
ließ ich, wiewohl ich mich vor einem neuen Feinde befand, meine Leute, etwa
300 Jäger, in Schlachtordnung aufstellen. Vorher aber schickte ich einen Par¬
lamentär an die Preußen, um ihnen sagen zu lassen, daß ich sie nicht angreifen,
sondern einfach über die Grenze gehen wolle. Die Preußen hielten meinen
Adjutanten zurück und setzten das Feuer fort. Mein Pferd wurde getödtet, und
nun befahl ich den Angriff. Nach den Berichten, die ich zwei Tage vorher er¬
halten hatte, konnten sich an diesem Ort nicht mehr als zwanzig bis dreißig
Preußen befinden. Ich glaubte immer noch, ihre Anzahl habe sich inzwischen
nicht vermehrt. Ich wollte sie nicht erdrücken, was mein Verhalten erklärt"
(das ist doch überaus großmüthig!), „allein ihre Hartnäckigkeit bewog mich,
Schuß um Schuß zu erwidern. Wie groß war nun mein Erstaunen, als aus
einem Kornfelde 7 bis 800 Mann preußische Jnfanteristen und ungefähr 200
Mann Russen herauskamen, welche letztere noch am Abend vorher um zehn Uhr
in Peisern gewesen waren." Ja, hier gilt das Wort aus dem deutschen
Gedichte:


— — O wisset, daß ich ein Lügner bin,
Doch log der Schrecken aus mir, drum verzeiht.

Die Insurgenten haben zuerst geschossen, sind von einem drei Mann starken preußi¬
schen Wachtposten eine geraume Weile aufgehalten und zuletzt von einer Compagnie
Infanterie und einem Zuge Husaren aufgehoben worden. Der Held mag weiter
sprechen: „Ich bestand den Kampf während etwa IV« Stunde, wir wurden je¬
doch benachrichtigt, daß eine Schwadron preußischer Dragoner von dem etwa
sechs Stunden entfernten Schroda heranrücke." Der Oberst scheint blos von
Schrecken ergriffen und mit den Verhältnissen derer, die er befreien wollte, we¬
nig vertraut gewesen zu sein; Schroda liegt etwa zwei Meilen von Miloslaw und
hat als ganze Cavalleriebescchung zwanzig Ulanen. „Vergeblich suchte ich an zwei
andern Punkten wieder über die Gre-nze zurückzugehen." Sie war noch nicht
überschritten. „In Koschin mußten wir uns abermals schlagen und wurden
von dem 3. und 6. Landwehrregiment, die von Miloslaw kamen, eingeschlossen."
Es reichte, wie gesagt, eine Compagnie für den Kampf aus, und Landwehr ist
gar nicht eingezogen. „Da ich einsah, daß jeder Widerstand gegen die Preußen
uns nur dahin führen würde, unnöthigerweise uns die Schädel einzurennen,
so ordnete ich ein sofortiges Auseinandergehen an. Alle kehrten heim." Das
ist wahr; noch am Morgen des Is. Juli waren einzelne Freiheitskämpfer wieder
zu Haufe. „Die Waffen und Munition wurden verborgen. Wir nahmen unsre
Verwundeten, achtzehn an der Zahl, und drei Todte mit uns." Das ist eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/319>, abgerufen am 23.12.2024.