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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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in ihrem souveränen Belieben stehe, manchmal damit Versteckens zu spielen.
Ihre Gegner hielten es für klüger, ihnen in solchen Dingen das Vorrecht der
Initiative nicht zu nehmen. Den Anforderungen der Regierung gegenüber
glaubte die fromme Partei sich schon etwas unverhohlener auslassen zu müssen,
zumal bei der Landesvertheidigung. Der Klerus betrachtet sich nämlich als
den einzigen Hebel, der eine Volksbewaffnung in Tirol flott machen kann, und
stützt sich diesfalls auf die Angabe, daß im Jahr 1848 kein Schütze seinen
Stutzen von der Wand nahm, den nicht er dazu antrieb, ja selbst auf das
Aufgebot von 1869, das nach seiner Meinung das größte Hinderniß nur in
der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Regierung fand. "Der Klerus ist eine
Macht in Tirol", rühmten die Hochwürdigen von sich schon zur Zeit der deut¬
schen Bewegung und wiederholten es den Gewaltigen in Wien, so oft sie es
hören mochten. Selbst der schwache Versuch, ihre Beihilfe bei der neuen Or-
ganisirung der Landesverteidigung durch den Looszwang entbehrlich zu
machen, mißglückte völlig, und es klang wie Ironie, wenn auch dazu das Volk
nur durch sie willig gemacht wurde. Um nun die Regierung wieder zu erin¬
nern, von wem die Stellung der Schützencompagnien abhänge, deutete man ge¬
legentlich an, daß der Klerus blos unter der Bedingung der Gewährung der
Glaubenseinheit zu guten Diensten bereit sei. Der Berichterstatter Ludwig
v. Comini, auch einer von jener Partei, beschränkte sich zwar auf die For¬
derung, daß man Tirol, wie bisher, gegen Beistellung dieser Art von Land¬
wehr das Vorrecht gestatte, zur Ergänzung des Heeres jährlich 1300 Mann
weniger abzugeben, als sonst sein Contingent betragen würde, aber gleich nach
ihm stand der Curat Auer von Zirl auf und erklärte, "die Tiroler wollen nicht
den Militärstock küssen", wenn aber der Kaiser ausspräche, daß er ihnen ihre
Glaubenseinheit gönne, werde der alte Volksgeist wieder erwachen, der nach¬
gerade gedrückte, schlummernde, mit Asche bedeckte Patriotismus sich wieder
beleben. Wenn auch kein anderer Redner dieses Thema weiter berührte, ja
die Pflicht zur Landesvertheidigung unter obigem Vorbehalte allseitig zugestan¬
den wurde, begriff doch Jedermann die Schwierigkeiten, die dieser Wink in
Aussicht stellte. Bemerkenswerth bleibt bei diesem Sachverhalte immerhin, daß
sich die Staatsverwaltung der Kriegshilfe nicht lieber auf anderem Wege ver¬
sicherte und den von der diesfälligen Commission gemachten Vorschlag der
Bildung eines zweiten Jägerregiments aus Reservisten ablehnte. Sie hätte
statt unverlässiger Schützen, für deren jeden man "ach Versicherung der Offi¬
ziere im Jahre 1848 zwei Soldaten zur Aufsicht brauchte, eine geübte und
schlagfertige Mannschaft gewonnen; doch den Männern von Fach gilt der un¬
ausgesetzte und regelmäßige Dienst als der einzige Prüfstein der Brauchbarkeit,
und sollten sie es schon einmal mit einem solchen Hilfscorps zu thun haben, so
übten 24,000 Bauern, die sich aus allen Theilen des Landes erhoben, auf den


in ihrem souveränen Belieben stehe, manchmal damit Versteckens zu spielen.
Ihre Gegner hielten es für klüger, ihnen in solchen Dingen das Vorrecht der
Initiative nicht zu nehmen. Den Anforderungen der Regierung gegenüber
glaubte die fromme Partei sich schon etwas unverhohlener auslassen zu müssen,
zumal bei der Landesvertheidigung. Der Klerus betrachtet sich nämlich als
den einzigen Hebel, der eine Volksbewaffnung in Tirol flott machen kann, und
stützt sich diesfalls auf die Angabe, daß im Jahr 1848 kein Schütze seinen
Stutzen von der Wand nahm, den nicht er dazu antrieb, ja selbst auf das
Aufgebot von 1869, das nach seiner Meinung das größte Hinderniß nur in
der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Regierung fand. „Der Klerus ist eine
Macht in Tirol", rühmten die Hochwürdigen von sich schon zur Zeit der deut¬
schen Bewegung und wiederholten es den Gewaltigen in Wien, so oft sie es
hören mochten. Selbst der schwache Versuch, ihre Beihilfe bei der neuen Or-
ganisirung der Landesverteidigung durch den Looszwang entbehrlich zu
machen, mißglückte völlig, und es klang wie Ironie, wenn auch dazu das Volk
nur durch sie willig gemacht wurde. Um nun die Regierung wieder zu erin¬
nern, von wem die Stellung der Schützencompagnien abhänge, deutete man ge¬
legentlich an, daß der Klerus blos unter der Bedingung der Gewährung der
Glaubenseinheit zu guten Diensten bereit sei. Der Berichterstatter Ludwig
v. Comini, auch einer von jener Partei, beschränkte sich zwar auf die For¬
derung, daß man Tirol, wie bisher, gegen Beistellung dieser Art von Land¬
wehr das Vorrecht gestatte, zur Ergänzung des Heeres jährlich 1300 Mann
weniger abzugeben, als sonst sein Contingent betragen würde, aber gleich nach
ihm stand der Curat Auer von Zirl auf und erklärte, „die Tiroler wollen nicht
den Militärstock küssen", wenn aber der Kaiser ausspräche, daß er ihnen ihre
Glaubenseinheit gönne, werde der alte Volksgeist wieder erwachen, der nach¬
gerade gedrückte, schlummernde, mit Asche bedeckte Patriotismus sich wieder
beleben. Wenn auch kein anderer Redner dieses Thema weiter berührte, ja
die Pflicht zur Landesvertheidigung unter obigem Vorbehalte allseitig zugestan¬
den wurde, begriff doch Jedermann die Schwierigkeiten, die dieser Wink in
Aussicht stellte. Bemerkenswerth bleibt bei diesem Sachverhalte immerhin, daß
sich die Staatsverwaltung der Kriegshilfe nicht lieber auf anderem Wege ver¬
sicherte und den von der diesfälligen Commission gemachten Vorschlag der
Bildung eines zweiten Jägerregiments aus Reservisten ablehnte. Sie hätte
statt unverlässiger Schützen, für deren jeden man »ach Versicherung der Offi¬
ziere im Jahre 1848 zwei Soldaten zur Aufsicht brauchte, eine geübte und
schlagfertige Mannschaft gewonnen; doch den Männern von Fach gilt der un¬
ausgesetzte und regelmäßige Dienst als der einzige Prüfstein der Brauchbarkeit,
und sollten sie es schon einmal mit einem solchen Hilfscorps zu thun haben, so
übten 24,000 Bauern, die sich aus allen Theilen des Landes erhoben, auf den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/294>, abgerufen am 28.07.2024.