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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Bunde gewaltig rasselnder Schlüssel, manche davon so groß wie Reiterpistolen,
und wir klettern nun die dunkle Wendeltreppe hinan, welche uns auf die Platt-
form des Kehlthurms bringt. Dort oben genießen wir. namentlich wenn die
Gegend im Frühlings- oder Sommerkleide prangt, einer Aussicht, wie wir sie
so schön kaum geahnt haben.

Zunächst sehen wir aus der Bvgelpcrspective in das Fort Winiary hinab.
Der Kern desselben besteht aus einem Fünfeck von Kasernen und Vorraths¬
gebäuden , die nach dem Hofraum zu lange Reihen von Fenstern in drei Stock¬
werken, nach Außen zu aber nur finstere Kanonenscharten zeigen und hier kaum
über den Rand des Glacis hervorragen. In drei von den aufspringenden
Winkeln des Fünfecks liegen ungeheure montalembertsche Thürme, gleichsam die
Bastionen der Gebäudetourtinen bildend. In den Kasernen und Kasematten ist
Raum für 3000 Mann, für die nöthigen Pferde, für Handwerksstätten, Ar¬
tillerielaboratorien, für Bäckerei, Schlächterei, Küchen ze.; in den Borraths¬
häusern ist Kriegsmaterial jeglicher Art: Gewehre. Geschütze jeden Kalibers,
Wagen und Karren, Mehl, Korn, Fourage und Munition aufgehäuft; in
den Gräben sahen wir große Borrälhe von Holz und Kohlen.

Um den gemauerten Kern des Forts schlingt sich der Kranz des dicht¬
bewachsenen Glacis, welches stadtwärts ziemlich steil zur Warthcniedcrung ab¬
fällt, sich aber stadtabwärts zu einer ausgedehnten Esplanade, dem Raum für
die Lagerung von mindestens 13,000 Mann verflacht. Jetzt dient die Esplanade
der Garnison des Forts als Exercierplatz, welchen der cisenbeschiagene Schuh
des Soldaten hart wie eine Schcuntcnne getreten und in eine vegetationslose
Wüste verwandelt hat. Ihrerseits ist die Esplanade "ach Außen hin wieder
geschützt durch einen tasemattirten Wall, tiefen Graben und durch eine Anzahl
vorliegender Werke, welche sich an die innere Befestigung des Forts auf bei¬
den Flanken anschließen und die abermals mit einem zusammenhängenden ge¬
deckten Weg und Glacis umgeben sind. Bon oben herab sehen die Walllinien
so scharfkantig, so sauber und grün bewachsen aus, das Mauerwerk so solid
und genau aufgeführt, daß das Ganze ein Bild der gewissenhaftesten Ordnung
darstellt, imponirend sowohl für den Laien als für den Sachverständigen.

' Wie das Fort im Kriege auf die Erhaltung durch eigene Kräfte ange¬
wiesen ist, so bildet es auch im Frieden eine selbständige, von der Außenwelt
unabhängige Mrlitärcolonic, die ihre eigenen Freuden und Leiden hat. Die
Soldaten haben ihre Tanzvergnügungen, ihre theatralischen Aufführungen, im
Sommer ihr Preisschießen und versammeln sich am heiligen Abend um den
Weihnachtsbaum. Die Offiziere in ihrer Speiseanstalt vereinigen sich all¬
wöchentlich einmal zu geselligen und wissenschaftlichen Zusammenkünften; man
hat sogar von ?Ir6s äansants und <üg,t'68 äiMkÄirts auf dem Kronwerk ge¬
hört. Jetzt aber sitzt oben auch eine Gesellschaft und zwar im Keblthurm, der


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Bunde gewaltig rasselnder Schlüssel, manche davon so groß wie Reiterpistolen,
und wir klettern nun die dunkle Wendeltreppe hinan, welche uns auf die Platt-
form des Kehlthurms bringt. Dort oben genießen wir. namentlich wenn die
Gegend im Frühlings- oder Sommerkleide prangt, einer Aussicht, wie wir sie
so schön kaum geahnt haben.

Zunächst sehen wir aus der Bvgelpcrspective in das Fort Winiary hinab.
Der Kern desselben besteht aus einem Fünfeck von Kasernen und Vorraths¬
gebäuden , die nach dem Hofraum zu lange Reihen von Fenstern in drei Stock¬
werken, nach Außen zu aber nur finstere Kanonenscharten zeigen und hier kaum
über den Rand des Glacis hervorragen. In drei von den aufspringenden
Winkeln des Fünfecks liegen ungeheure montalembertsche Thürme, gleichsam die
Bastionen der Gebäudetourtinen bildend. In den Kasernen und Kasematten ist
Raum für 3000 Mann, für die nöthigen Pferde, für Handwerksstätten, Ar¬
tillerielaboratorien, für Bäckerei, Schlächterei, Küchen ze.; in den Borraths¬
häusern ist Kriegsmaterial jeglicher Art: Gewehre. Geschütze jeden Kalibers,
Wagen und Karren, Mehl, Korn, Fourage und Munition aufgehäuft; in
den Gräben sahen wir große Borrälhe von Holz und Kohlen.

Um den gemauerten Kern des Forts schlingt sich der Kranz des dicht¬
bewachsenen Glacis, welches stadtwärts ziemlich steil zur Warthcniedcrung ab¬
fällt, sich aber stadtabwärts zu einer ausgedehnten Esplanade, dem Raum für
die Lagerung von mindestens 13,000 Mann verflacht. Jetzt dient die Esplanade
der Garnison des Forts als Exercierplatz, welchen der cisenbeschiagene Schuh
des Soldaten hart wie eine Schcuntcnne getreten und in eine vegetationslose
Wüste verwandelt hat. Ihrerseits ist die Esplanade »ach Außen hin wieder
geschützt durch einen tasemattirten Wall, tiefen Graben und durch eine Anzahl
vorliegender Werke, welche sich an die innere Befestigung des Forts auf bei¬
den Flanken anschließen und die abermals mit einem zusammenhängenden ge¬
deckten Weg und Glacis umgeben sind. Bon oben herab sehen die Walllinien
so scharfkantig, so sauber und grün bewachsen aus, das Mauerwerk so solid
und genau aufgeführt, daß das Ganze ein Bild der gewissenhaftesten Ordnung
darstellt, imponirend sowohl für den Laien als für den Sachverständigen.

' Wie das Fort im Kriege auf die Erhaltung durch eigene Kräfte ange¬
wiesen ist, so bildet es auch im Frieden eine selbständige, von der Außenwelt
unabhängige Mrlitärcolonic, die ihre eigenen Freuden und Leiden hat. Die
Soldaten haben ihre Tanzvergnügungen, ihre theatralischen Aufführungen, im
Sommer ihr Preisschießen und versammeln sich am heiligen Abend um den
Weihnachtsbaum. Die Offiziere in ihrer Speiseanstalt vereinigen sich all¬
wöchentlich einmal zu geselligen und wissenschaftlichen Zusammenkünften; man
hat sogar von ?Ir6s äansants und <üg,t'68 äiMkÄirts auf dem Kronwerk ge¬
hört. Jetzt aber sitzt oben auch eine Gesellschaft und zwar im Keblthurm, der


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[0267] Bunde gewaltig rasselnder Schlüssel, manche davon so groß wie Reiterpistolen, und wir klettern nun die dunkle Wendeltreppe hinan, welche uns auf die Platt- form des Kehlthurms bringt. Dort oben genießen wir. namentlich wenn die Gegend im Frühlings- oder Sommerkleide prangt, einer Aussicht, wie wir sie so schön kaum geahnt haben. Zunächst sehen wir aus der Bvgelpcrspective in das Fort Winiary hinab. Der Kern desselben besteht aus einem Fünfeck von Kasernen und Vorraths¬ gebäuden , die nach dem Hofraum zu lange Reihen von Fenstern in drei Stock¬ werken, nach Außen zu aber nur finstere Kanonenscharten zeigen und hier kaum über den Rand des Glacis hervorragen. In drei von den aufspringenden Winkeln des Fünfecks liegen ungeheure montalembertsche Thürme, gleichsam die Bastionen der Gebäudetourtinen bildend. In den Kasernen und Kasematten ist Raum für 3000 Mann, für die nöthigen Pferde, für Handwerksstätten, Ar¬ tillerielaboratorien, für Bäckerei, Schlächterei, Küchen ze.; in den Borraths¬ häusern ist Kriegsmaterial jeglicher Art: Gewehre. Geschütze jeden Kalibers, Wagen und Karren, Mehl, Korn, Fourage und Munition aufgehäuft; in den Gräben sahen wir große Borrälhe von Holz und Kohlen. Um den gemauerten Kern des Forts schlingt sich der Kranz des dicht¬ bewachsenen Glacis, welches stadtwärts ziemlich steil zur Warthcniedcrung ab¬ fällt, sich aber stadtabwärts zu einer ausgedehnten Esplanade, dem Raum für die Lagerung von mindestens 13,000 Mann verflacht. Jetzt dient die Esplanade der Garnison des Forts als Exercierplatz, welchen der cisenbeschiagene Schuh des Soldaten hart wie eine Schcuntcnne getreten und in eine vegetationslose Wüste verwandelt hat. Ihrerseits ist die Esplanade »ach Außen hin wieder geschützt durch einen tasemattirten Wall, tiefen Graben und durch eine Anzahl vorliegender Werke, welche sich an die innere Befestigung des Forts auf bei¬ den Flanken anschließen und die abermals mit einem zusammenhängenden ge¬ deckten Weg und Glacis umgeben sind. Bon oben herab sehen die Walllinien so scharfkantig, so sauber und grün bewachsen aus, das Mauerwerk so solid und genau aufgeführt, daß das Ganze ein Bild der gewissenhaftesten Ordnung darstellt, imponirend sowohl für den Laien als für den Sachverständigen. ' Wie das Fort im Kriege auf die Erhaltung durch eigene Kräfte ange¬ wiesen ist, so bildet es auch im Frieden eine selbständige, von der Außenwelt unabhängige Mrlitärcolonic, die ihre eigenen Freuden und Leiden hat. Die Soldaten haben ihre Tanzvergnügungen, ihre theatralischen Aufführungen, im Sommer ihr Preisschießen und versammeln sich am heiligen Abend um den Weihnachtsbaum. Die Offiziere in ihrer Speiseanstalt vereinigen sich all¬ wöchentlich einmal zu geselligen und wissenschaftlichen Zusammenkünften; man hat sogar von ?Ir6s äansants und <üg,t'68 äiMkÄirts auf dem Kronwerk ge¬ hört. Jetzt aber sitzt oben auch eine Gesellschaft und zwar im Keblthurm, der 33"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/267>, abgerufen am 23.12.2024.