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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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über den Livingstone die letzten Aufschlüsse gab, so auch im östlichen Theile des
Continents nicht, wie man früher glaubte, eine öde Gebirgswüste. Das Cen¬
trum Afrikas ist vielmehr ein hochliegendes Land mit vielen Seen und Flüssen,
großen Wäldern und fruchtbaren Landstrichen. Schon im Jahre 1852 behauptete
Mmchison, Centralafrika sei ein Becken von ungleichen Erhebungen, welches
Süßwasserseen aufweise, die Abzug nach Osten und Westen hätten und zwar
durch Spalten in den Küstengcbirgen. Diese Theorie fand in Südafrika durch
Livingstones Beobachtungen am Zambesi ihre Bestätigung, sie findet sodann auf
den Niger Anwendung, sie gilt, wie wir jetzt erfahren, auch vom Nil; denn der
Nyanza-See, dessen Hauptquelle, liegt aus einem Plateau, welches den Mee¬
resspiegel um 3500 Fuß überragt. Das Wasser kommt hier von einer Wasser¬
scheide im Süden herab und kann weder nach Osten noch nach Westen abfließen,
da in den Gebirgen keine großen Querthäler vorhanden sind. Es sucht sich
deshalb nothwendig einen Abzug am Nordende des Nyanza-Bassins, bildet den
Weißen Nil und stürzt sich in diesem durch eine Reihenfolge von Senkungen
in das tiefer gelegene Land hinab, wobei es Katarakten- und Stromschnellen bildet.

2) Die Berge, welche man als Mondgebirge bezeichnet hat, und welche
nach Claudius Ptolomäus die Aequatorialgegend Afrikas von Osten nach Westen
durchziehen sollten, sind keine geschlossene Höhenkette. Diese von du Chaillu
in die afrikanische Geographie wieder eingeschwärzte Acquatorialkette ist jetzt
völlig beseitigt, als gänzlich erfunden nachgewiesen, seitdem auch Speke aus
das Bestimmteste ausgesprochen hat, daß von einem eigentlichen, d. h. einem
zusammenhängenden Bergzuge hier keine Spur vorhanden ist, und daß sich un¬
ter dem Aequator nur einzelne Gipfel und von einander abgesonderte Gruppen
von solchen befinden.

3) Die Bewohner der drei Königreiche Karagweh, Uganda und Unyoro
sind weniger barbarisch einerseits als die Völker weiter im Osten (nach Zan-
zibar hin), andererseits als die Stämme im Norden (zwischen dem Nyanza und
Gondokoro). Die letztern sind nacktgehende Wilde der rohesten Art und gehören
der nordafrikanischen Sprachenfamilie an, wogegen das Volk der drei großen
Königreiche einer gewissen Gesittung sich erfreut und seinem Idiom nach zu
dem Sprachensystem Südafrikas zu zählen ist. Dieses Volk der Nilquellen
hat große und regelmäßige Ortschaften und ein despotisch eingerichtetes Staats¬
wesen. Es gibt bei ihm einen Unterschied der Stände, im Handel wissen sie,
was Credit bedeutet, bei den Frauen findet man einen gewissen Anflug von
Schamgefühl. Kopf- und Gesichtsbildung nähern sich dem kaukasischen Typus
mehr als bei den Negroiden im Osten, die Nase ist acht so stark gequetscht,
die Entwickelung der Kauwerkzeuge nicht von so thierischem Gepräge wie bei
diesen, die Hautfarbe bräunlich.

Das Volk in Karagweh zerfällt in zwei Classen: Freie und Heloten


über den Livingstone die letzten Aufschlüsse gab, so auch im östlichen Theile des
Continents nicht, wie man früher glaubte, eine öde Gebirgswüste. Das Cen¬
trum Afrikas ist vielmehr ein hochliegendes Land mit vielen Seen und Flüssen,
großen Wäldern und fruchtbaren Landstrichen. Schon im Jahre 1852 behauptete
Mmchison, Centralafrika sei ein Becken von ungleichen Erhebungen, welches
Süßwasserseen aufweise, die Abzug nach Osten und Westen hätten und zwar
durch Spalten in den Küstengcbirgen. Diese Theorie fand in Südafrika durch
Livingstones Beobachtungen am Zambesi ihre Bestätigung, sie findet sodann auf
den Niger Anwendung, sie gilt, wie wir jetzt erfahren, auch vom Nil; denn der
Nyanza-See, dessen Hauptquelle, liegt aus einem Plateau, welches den Mee¬
resspiegel um 3500 Fuß überragt. Das Wasser kommt hier von einer Wasser¬
scheide im Süden herab und kann weder nach Osten noch nach Westen abfließen,
da in den Gebirgen keine großen Querthäler vorhanden sind. Es sucht sich
deshalb nothwendig einen Abzug am Nordende des Nyanza-Bassins, bildet den
Weißen Nil und stürzt sich in diesem durch eine Reihenfolge von Senkungen
in das tiefer gelegene Land hinab, wobei es Katarakten- und Stromschnellen bildet.

2) Die Berge, welche man als Mondgebirge bezeichnet hat, und welche
nach Claudius Ptolomäus die Aequatorialgegend Afrikas von Osten nach Westen
durchziehen sollten, sind keine geschlossene Höhenkette. Diese von du Chaillu
in die afrikanische Geographie wieder eingeschwärzte Acquatorialkette ist jetzt
völlig beseitigt, als gänzlich erfunden nachgewiesen, seitdem auch Speke aus
das Bestimmteste ausgesprochen hat, daß von einem eigentlichen, d. h. einem
zusammenhängenden Bergzuge hier keine Spur vorhanden ist, und daß sich un¬
ter dem Aequator nur einzelne Gipfel und von einander abgesonderte Gruppen
von solchen befinden.

3) Die Bewohner der drei Königreiche Karagweh, Uganda und Unyoro
sind weniger barbarisch einerseits als die Völker weiter im Osten (nach Zan-
zibar hin), andererseits als die Stämme im Norden (zwischen dem Nyanza und
Gondokoro). Die letztern sind nacktgehende Wilde der rohesten Art und gehören
der nordafrikanischen Sprachenfamilie an, wogegen das Volk der drei großen
Königreiche einer gewissen Gesittung sich erfreut und seinem Idiom nach zu
dem Sprachensystem Südafrikas zu zählen ist. Dieses Volk der Nilquellen
hat große und regelmäßige Ortschaften und ein despotisch eingerichtetes Staats¬
wesen. Es gibt bei ihm einen Unterschied der Stände, im Handel wissen sie,
was Credit bedeutet, bei den Frauen findet man einen gewissen Anflug von
Schamgefühl. Kopf- und Gesichtsbildung nähern sich dem kaukasischen Typus
mehr als bei den Negroiden im Osten, die Nase ist acht so stark gequetscht,
die Entwickelung der Kauwerkzeuge nicht von so thierischem Gepräge wie bei
diesen, die Hautfarbe bräunlich.

Das Volk in Karagweh zerfällt in zwei Classen: Freie und Heloten


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[0232] über den Livingstone die letzten Aufschlüsse gab, so auch im östlichen Theile des Continents nicht, wie man früher glaubte, eine öde Gebirgswüste. Das Cen¬ trum Afrikas ist vielmehr ein hochliegendes Land mit vielen Seen und Flüssen, großen Wäldern und fruchtbaren Landstrichen. Schon im Jahre 1852 behauptete Mmchison, Centralafrika sei ein Becken von ungleichen Erhebungen, welches Süßwasserseen aufweise, die Abzug nach Osten und Westen hätten und zwar durch Spalten in den Küstengcbirgen. Diese Theorie fand in Südafrika durch Livingstones Beobachtungen am Zambesi ihre Bestätigung, sie findet sodann auf den Niger Anwendung, sie gilt, wie wir jetzt erfahren, auch vom Nil; denn der Nyanza-See, dessen Hauptquelle, liegt aus einem Plateau, welches den Mee¬ resspiegel um 3500 Fuß überragt. Das Wasser kommt hier von einer Wasser¬ scheide im Süden herab und kann weder nach Osten noch nach Westen abfließen, da in den Gebirgen keine großen Querthäler vorhanden sind. Es sucht sich deshalb nothwendig einen Abzug am Nordende des Nyanza-Bassins, bildet den Weißen Nil und stürzt sich in diesem durch eine Reihenfolge von Senkungen in das tiefer gelegene Land hinab, wobei es Katarakten- und Stromschnellen bildet. 2) Die Berge, welche man als Mondgebirge bezeichnet hat, und welche nach Claudius Ptolomäus die Aequatorialgegend Afrikas von Osten nach Westen durchziehen sollten, sind keine geschlossene Höhenkette. Diese von du Chaillu in die afrikanische Geographie wieder eingeschwärzte Acquatorialkette ist jetzt völlig beseitigt, als gänzlich erfunden nachgewiesen, seitdem auch Speke aus das Bestimmteste ausgesprochen hat, daß von einem eigentlichen, d. h. einem zusammenhängenden Bergzuge hier keine Spur vorhanden ist, und daß sich un¬ ter dem Aequator nur einzelne Gipfel und von einander abgesonderte Gruppen von solchen befinden. 3) Die Bewohner der drei Königreiche Karagweh, Uganda und Unyoro sind weniger barbarisch einerseits als die Völker weiter im Osten (nach Zan- zibar hin), andererseits als die Stämme im Norden (zwischen dem Nyanza und Gondokoro). Die letztern sind nacktgehende Wilde der rohesten Art und gehören der nordafrikanischen Sprachenfamilie an, wogegen das Volk der drei großen Königreiche einer gewissen Gesittung sich erfreut und seinem Idiom nach zu dem Sprachensystem Südafrikas zu zählen ist. Dieses Volk der Nilquellen hat große und regelmäßige Ortschaften und ein despotisch eingerichtetes Staats¬ wesen. Es gibt bei ihm einen Unterschied der Stände, im Handel wissen sie, was Credit bedeutet, bei den Frauen findet man einen gewissen Anflug von Schamgefühl. Kopf- und Gesichtsbildung nähern sich dem kaukasischen Typus mehr als bei den Negroiden im Osten, die Nase ist acht so stark gequetscht, die Entwickelung der Kauwerkzeuge nicht von so thierischem Gepräge wie bei diesen, die Hautfarbe bräunlich. Das Volk in Karagweh zerfällt in zwei Classen: Freie und Heloten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/232>, abgerufen am 28.07.2024.