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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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sendet. Der erste Punkt, wo der Kapitän auf seiner zweiten Reise einen wei¬
ten Ueberblick über die Fläche des Nyanza gewann, war bei der Stadt Moscho-
nae im Lande Uganda, westlich vom See. Er verfolgte von hier aus seinen
Weg nordwärts längs der Küste bis zum Thal Katonga, welches unter dem
Aequator gelegen ist. Die Landschaft wurde hier sehr anmuthig, üppiger Gras¬
wuchs bekleidete die vom Regen abgespülten und ticfdurchfurchten Sandstein¬
hügel der Gegend, hohe Bäume erhoben sich schlanken Wuchses. Den Aequator
überschreitend gelangten die Reisenden zu dem Mwerango, einem Fluß von mä¬
ßiger Breite, der ebenfalls dem Nyanza entströmen soll und sich, nach Norden
fließend, wo er den Namen Kafu führt, in den Nil ergießt. Etwas weiter
hin an dem nördlichen Gestade des Sees folgt der Luajerri diesem Beispiel,
und noch weiter gegen den, Mittelpunkt der Nordküste strömt der Weiße Nil
aus dem mächtigen Wasserbecken, welches beiläufig nach den soeben mitgetheilten
Zahlen nicht blos größer als der Genfer- oder der Bodensee, sondern größer
als alle Alpenseen zusammengenommen ist.

Ueber Felsen springend, bildet der Nil nach seinem Austritt aus dem See
mehre Katarakten bis zur Höhe von zwölf Fuß, deren einem Speke den Namen
Nipon-Falls gegeben hat, zum Andenken an den Präsidenten der londoner
geographischen Gesellschaft, welcher bei seiner Abreise fungirte. Von diesem
Wasserfall aus durch eine Kette von Sandsteinhügeln dem Flusse folgend, sahen
die beiden Reisenden denselben sich direct nordwärts richten. Er hatte hier das
Aussehen eines prachtvollen Bergstroms, weiterhin aber breitete er sich allmä-
lig über größere Flachen aus, so daß er fast einem See glich. In dem Reiche
Unyoro, welches im Norden an Uganda grenzt, und von dem später berichtet
werden soll, wächst er durch den Zufluß der bereits erwähnten Ströme Kafu
und Luajerri und ist bis zu den Katarakten von Karuma schiffbar.

Da in diesen Gegenden ein Krieg ausgebrochen war, so mußten die Rei¬
senden hier den Fluß eine Strecke weit verlassen und einen Umweg einschlagen,
auf dem sie ihn erst im Lande Mati wieder erreichten, wo er aber noch unver¬
kennbar den Charakter des Nil, lange und breite Untiefen und weithingestreckte
Stromschnellen zeigt. Hier vereinigt sich ein dritter großer Ableiter der Ge¬
wässer des Nyanza, der Asaa, auf der östlichen Seite mit ihm, während sich
auf der westlichen ein langes seeähnliches, aber nicht tiefes Becken weit in das
Land hineinstreckt, welches wahrscheinlich bis zu einem andern Landsee, dem
Luta Nzige, geht. Noch weiter im Norden folgt dann, wie bereits bekannt,
als nächster Zufluß der Bachr El Ghaßal, welcher fast gar keine Strömung
zeigt und mehr das Ansehen eines Süßwassersees hat. Der nächste Fluß, wel¬
chen der Nil ausnimmt, ist der Girafsi, dessen Breite ungefähr ein Drittel der
Breite von jenem beträgt, und von welchem vermuthet wird, daß er ebenfalls
aus dem Nyanza stammt. Die letzten Zuflüsse sind dann der schiffbare Süd-


sendet. Der erste Punkt, wo der Kapitän auf seiner zweiten Reise einen wei¬
ten Ueberblick über die Fläche des Nyanza gewann, war bei der Stadt Moscho-
nae im Lande Uganda, westlich vom See. Er verfolgte von hier aus seinen
Weg nordwärts längs der Küste bis zum Thal Katonga, welches unter dem
Aequator gelegen ist. Die Landschaft wurde hier sehr anmuthig, üppiger Gras¬
wuchs bekleidete die vom Regen abgespülten und ticfdurchfurchten Sandstein¬
hügel der Gegend, hohe Bäume erhoben sich schlanken Wuchses. Den Aequator
überschreitend gelangten die Reisenden zu dem Mwerango, einem Fluß von mä¬
ßiger Breite, der ebenfalls dem Nyanza entströmen soll und sich, nach Norden
fließend, wo er den Namen Kafu führt, in den Nil ergießt. Etwas weiter
hin an dem nördlichen Gestade des Sees folgt der Luajerri diesem Beispiel,
und noch weiter gegen den, Mittelpunkt der Nordküste strömt der Weiße Nil
aus dem mächtigen Wasserbecken, welches beiläufig nach den soeben mitgetheilten
Zahlen nicht blos größer als der Genfer- oder der Bodensee, sondern größer
als alle Alpenseen zusammengenommen ist.

Ueber Felsen springend, bildet der Nil nach seinem Austritt aus dem See
mehre Katarakten bis zur Höhe von zwölf Fuß, deren einem Speke den Namen
Nipon-Falls gegeben hat, zum Andenken an den Präsidenten der londoner
geographischen Gesellschaft, welcher bei seiner Abreise fungirte. Von diesem
Wasserfall aus durch eine Kette von Sandsteinhügeln dem Flusse folgend, sahen
die beiden Reisenden denselben sich direct nordwärts richten. Er hatte hier das
Aussehen eines prachtvollen Bergstroms, weiterhin aber breitete er sich allmä-
lig über größere Flachen aus, so daß er fast einem See glich. In dem Reiche
Unyoro, welches im Norden an Uganda grenzt, und von dem später berichtet
werden soll, wächst er durch den Zufluß der bereits erwähnten Ströme Kafu
und Luajerri und ist bis zu den Katarakten von Karuma schiffbar.

Da in diesen Gegenden ein Krieg ausgebrochen war, so mußten die Rei¬
senden hier den Fluß eine Strecke weit verlassen und einen Umweg einschlagen,
auf dem sie ihn erst im Lande Mati wieder erreichten, wo er aber noch unver¬
kennbar den Charakter des Nil, lange und breite Untiefen und weithingestreckte
Stromschnellen zeigt. Hier vereinigt sich ein dritter großer Ableiter der Ge¬
wässer des Nyanza, der Asaa, auf der östlichen Seite mit ihm, während sich
auf der westlichen ein langes seeähnliches, aber nicht tiefes Becken weit in das
Land hineinstreckt, welches wahrscheinlich bis zu einem andern Landsee, dem
Luta Nzige, geht. Noch weiter im Norden folgt dann, wie bereits bekannt,
als nächster Zufluß der Bachr El Ghaßal, welcher fast gar keine Strömung
zeigt und mehr das Ansehen eines Süßwassersees hat. Der nächste Fluß, wel¬
chen der Nil ausnimmt, ist der Girafsi, dessen Breite ungefähr ein Drittel der
Breite von jenem beträgt, und von welchem vermuthet wird, daß er ebenfalls
aus dem Nyanza stammt. Die letzten Zuflüsse sind dann der schiffbare Süd-


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[0229] sendet. Der erste Punkt, wo der Kapitän auf seiner zweiten Reise einen wei¬ ten Ueberblick über die Fläche des Nyanza gewann, war bei der Stadt Moscho- nae im Lande Uganda, westlich vom See. Er verfolgte von hier aus seinen Weg nordwärts längs der Küste bis zum Thal Katonga, welches unter dem Aequator gelegen ist. Die Landschaft wurde hier sehr anmuthig, üppiger Gras¬ wuchs bekleidete die vom Regen abgespülten und ticfdurchfurchten Sandstein¬ hügel der Gegend, hohe Bäume erhoben sich schlanken Wuchses. Den Aequator überschreitend gelangten die Reisenden zu dem Mwerango, einem Fluß von mä¬ ßiger Breite, der ebenfalls dem Nyanza entströmen soll und sich, nach Norden fließend, wo er den Namen Kafu führt, in den Nil ergießt. Etwas weiter hin an dem nördlichen Gestade des Sees folgt der Luajerri diesem Beispiel, und noch weiter gegen den, Mittelpunkt der Nordküste strömt der Weiße Nil aus dem mächtigen Wasserbecken, welches beiläufig nach den soeben mitgetheilten Zahlen nicht blos größer als der Genfer- oder der Bodensee, sondern größer als alle Alpenseen zusammengenommen ist. Ueber Felsen springend, bildet der Nil nach seinem Austritt aus dem See mehre Katarakten bis zur Höhe von zwölf Fuß, deren einem Speke den Namen Nipon-Falls gegeben hat, zum Andenken an den Präsidenten der londoner geographischen Gesellschaft, welcher bei seiner Abreise fungirte. Von diesem Wasserfall aus durch eine Kette von Sandsteinhügeln dem Flusse folgend, sahen die beiden Reisenden denselben sich direct nordwärts richten. Er hatte hier das Aussehen eines prachtvollen Bergstroms, weiterhin aber breitete er sich allmä- lig über größere Flachen aus, so daß er fast einem See glich. In dem Reiche Unyoro, welches im Norden an Uganda grenzt, und von dem später berichtet werden soll, wächst er durch den Zufluß der bereits erwähnten Ströme Kafu und Luajerri und ist bis zu den Katarakten von Karuma schiffbar. Da in diesen Gegenden ein Krieg ausgebrochen war, so mußten die Rei¬ senden hier den Fluß eine Strecke weit verlassen und einen Umweg einschlagen, auf dem sie ihn erst im Lande Mati wieder erreichten, wo er aber noch unver¬ kennbar den Charakter des Nil, lange und breite Untiefen und weithingestreckte Stromschnellen zeigt. Hier vereinigt sich ein dritter großer Ableiter der Ge¬ wässer des Nyanza, der Asaa, auf der östlichen Seite mit ihm, während sich auf der westlichen ein langes seeähnliches, aber nicht tiefes Becken weit in das Land hineinstreckt, welches wahrscheinlich bis zu einem andern Landsee, dem Luta Nzige, geht. Noch weiter im Norden folgt dann, wie bereits bekannt, als nächster Zufluß der Bachr El Ghaßal, welcher fast gar keine Strömung zeigt und mehr das Ansehen eines Süßwassersees hat. Der nächste Fluß, wel¬ chen der Nil ausnimmt, ist der Girafsi, dessen Breite ungefähr ein Drittel der Breite von jenem beträgt, und von welchem vermuthet wird, daß er ebenfalls aus dem Nyanza stammt. Die letzten Zuflüsse sind dann der schiffbare Süd-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/229>, abgerufen am 28.07.2024.