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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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thut sein Bestes in seiner Kunst. Auf den vier Seiten des Marktes wallen
an die tausend Flaggen, Fahnen, Wimpel und Standarten, von seiner Hand
zugleich gerührt, in anmuthigsten Farbenspiel und Linienfluß den Heranmar-
schirenden entgegen. Auf das reitende Musikchor folgt das turnerische Ausland:
Repräsentanten der Turner Amerikas, der Schweiz, Hollands und Rußlands, nach
Städten geordnet wie alle weiteren Gruppen der grauen Armee, durch vor¬
getragene Paniere bezeichnet, auf denen die Namen der betreffenden Länder und
Ortschaften zu lesen sindj, die Hüte oder Mützen mit Eichenzweigen geschmückt.

Ein Musikchor zu Fuß eröffnet den Zug der deutschen Turnerschaft, in
welcher der Kreis Norden den Vortritt hat. Laute Zurufe, als die Schleswig-
Holsteiner unter der florumhüllien blaurothweißen Fahne vorbeidesilircn, Regen
von Blumen und aus allen Fenstern und Erkern Geflatter von Tüchern.
stramme Hamburger, stattliche Meklenburger und andere Völker des Küsten¬
landes schließen sich an, jeder Verein mit seiner Fahne, die nicht selten ein
Meisterwerk der Stickerei ist, viele Kumpaneien auch mit ihrem Marketender,
dessen gewaltiges Trinkhorn während des Marsches fleißig geleert und aufmerk¬
sam wieder gefüllt wird. Wieder ein neues Musikchor, daraus die Oestreicher,
zu denen vorzüglich Deutsch-Böhmen und Wien ein starkes Contingent gestellt
hat, im Ganzen ungefähr tausend Mann, meist hohe Spitzhüte und Ccnnisole
von anderm Grau tragend als die übrigen Mitglieder der Genossenschaft, hoch¬
gewachsene Leute, malerische Vollbärte und ungewöhnlich viele Gesichter da¬
runter, die auf Angehörige der höhern Stände schließen lassen, nicht selten auch
Physiognomien, die an slavische Typen erinnern.

Von den weiterhin folgenden turnerischen Cohorten erwähnen Wir nur noch
die Berliner, die sich in der Stärke Von beinahe anderthalbtausend Mann ein-
gefunden hatten, und in straffer militärischer Haltung nach dem Schall ihrer
Trommeln daher marschirten, die prächtigen Pommern, die verhältnismäßig
zahlreich erschienenen Posener, die Schwaben mit breiten schwarzrothgoldnen
Bändern lnder die Brust, die sehr schwach vertretenen Badner und vor Allem
die kleinen flinken Sachsen, die im Zuge die letzten waren.

Fahne auf Fahne zog vorbei, jede mit Hochrufen und Tücherwehen begrüßt,
jede von ihrem Träger mil kräftigem Arm zum Gegengruß geschwenkt, viele in
den deutschen Farben, die meisten reich und geschmackvoll. Mancher Schaar
zogen Knaben als Tamboure voran, die ihre Wirbel so gut wie ihre soldatischen
Kunstgenossen schlugen. Einem preußischen Turnercorps marschirte ein steinalter
Kriegsmann in Montur und mit gezogenem Säbel, vermuthlich ein Veteran
der Freiheitskriege voraus.

Mit dem leichten Tritt des Turnerschuhs, bald dichter, bald lichter ge¬
schabt, durchgehends sechs bis sieben Mann breit, waren alle diese Schaaren
frischer fröhlicher Graujacken an uns vorbeigeschritten, als plötzlich von neuem


thut sein Bestes in seiner Kunst. Auf den vier Seiten des Marktes wallen
an die tausend Flaggen, Fahnen, Wimpel und Standarten, von seiner Hand
zugleich gerührt, in anmuthigsten Farbenspiel und Linienfluß den Heranmar-
schirenden entgegen. Auf das reitende Musikchor folgt das turnerische Ausland:
Repräsentanten der Turner Amerikas, der Schweiz, Hollands und Rußlands, nach
Städten geordnet wie alle weiteren Gruppen der grauen Armee, durch vor¬
getragene Paniere bezeichnet, auf denen die Namen der betreffenden Länder und
Ortschaften zu lesen sindj, die Hüte oder Mützen mit Eichenzweigen geschmückt.

Ein Musikchor zu Fuß eröffnet den Zug der deutschen Turnerschaft, in
welcher der Kreis Norden den Vortritt hat. Laute Zurufe, als die Schleswig-
Holsteiner unter der florumhüllien blaurothweißen Fahne vorbeidesilircn, Regen
von Blumen und aus allen Fenstern und Erkern Geflatter von Tüchern.
stramme Hamburger, stattliche Meklenburger und andere Völker des Küsten¬
landes schließen sich an, jeder Verein mit seiner Fahne, die nicht selten ein
Meisterwerk der Stickerei ist, viele Kumpaneien auch mit ihrem Marketender,
dessen gewaltiges Trinkhorn während des Marsches fleißig geleert und aufmerk¬
sam wieder gefüllt wird. Wieder ein neues Musikchor, daraus die Oestreicher,
zu denen vorzüglich Deutsch-Böhmen und Wien ein starkes Contingent gestellt
hat, im Ganzen ungefähr tausend Mann, meist hohe Spitzhüte und Ccnnisole
von anderm Grau tragend als die übrigen Mitglieder der Genossenschaft, hoch¬
gewachsene Leute, malerische Vollbärte und ungewöhnlich viele Gesichter da¬
runter, die auf Angehörige der höhern Stände schließen lassen, nicht selten auch
Physiognomien, die an slavische Typen erinnern.

Von den weiterhin folgenden turnerischen Cohorten erwähnen Wir nur noch
die Berliner, die sich in der Stärke Von beinahe anderthalbtausend Mann ein-
gefunden hatten, und in straffer militärischer Haltung nach dem Schall ihrer
Trommeln daher marschirten, die prächtigen Pommern, die verhältnismäßig
zahlreich erschienenen Posener, die Schwaben mit breiten schwarzrothgoldnen
Bändern lnder die Brust, die sehr schwach vertretenen Badner und vor Allem
die kleinen flinken Sachsen, die im Zuge die letzten waren.

Fahne auf Fahne zog vorbei, jede mit Hochrufen und Tücherwehen begrüßt,
jede von ihrem Träger mil kräftigem Arm zum Gegengruß geschwenkt, viele in
den deutschen Farben, die meisten reich und geschmackvoll. Mancher Schaar
zogen Knaben als Tamboure voran, die ihre Wirbel so gut wie ihre soldatischen
Kunstgenossen schlugen. Einem preußischen Turnercorps marschirte ein steinalter
Kriegsmann in Montur und mit gezogenem Säbel, vermuthlich ein Veteran
der Freiheitskriege voraus.

Mit dem leichten Tritt des Turnerschuhs, bald dichter, bald lichter ge¬
schabt, durchgehends sechs bis sieben Mann breit, waren alle diese Schaaren
frischer fröhlicher Graujacken an uns vorbeigeschritten, als plötzlich von neuem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/220>, abgerufen am 22.12.2024.